Gruppe um Prinz Reuß:So hat der "Reichsbürger"-Prozess begonnen
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Der große Prozess gegen neun Angeklagte der "Reichsbürger"-Gruppe ist mit Verspätung gestartet. Was wird den Angeklagten vorgeworfen und wie ist der erste Prozesstag verlaufen?
Unter den neun Angeklagten sind auch die mutmaßlichen Anführer der "Reichsbürger"-Gruppe. 21.05.2024 | 2:53 min
Im Terrorprozess gegen die "Reichsbürger"-Gruppe um Heinrich XIII. Prinz Reuß hat die Verlesung der Anklage begonnen. Die Bundesanwaltschaft wirft den neun Angeklagten vor, Mitglieder in einer terroristischen Vereinigung gewesen zu sein, beziehungsweise diese unterstützt zu haben.
Der Prozess vor dem Oberlandesgericht in Frankfurt am Main startete mit rund einer Dreiviertelstunde Verspätung in der eigens für das Verfahren errichteten Metall-Leichtbauhalle am Rand der Stadt. Eine Gerichtssprecherin wies Medienvertreter darauf hin, dass einige Anwälte noch mit ihren Mandanten sprechen wollten, zudem fehlten mehrere Anwälte unangekündigt.
Das Netzwerk um Prinz Reuß sei zwar zerschlagen, so Rechtsextremismus-Experte Speit. Die Reichsbürger-Bewegung liege aber stabil bei 23.000 Mitgliedern. 21.05.2024 | 15:33 min
Über zwei Stunden lang Anklage verlesen
Jan Henrich, der den Prozess für das ZDF vor Ort begleitet, sprach von einem "eher holprigen Prozessauftakt". Er erlebte einen "formalen Schlagabtausch zwischen den Verteidigern und dem Gericht" mit vielen Diskussionen am Vormittag.
Einige der anwesenden Verteidiger stellten zu Beginn des Prozesses zahlreiche Anträge, die das Gericht nach Beratungspausen größtenteils ablehnte. Anschließend wurde die Anklageschrift verlesen. 617 Seiten umfasst diese, in der Verhandlung wurde allerdings nur ein Anklagesatz von 65 Seiten vorgetragen. Trotzdem dauerte es mehr als zwei Stunden, bis die Bundesanwaltschaft die Anklagepunkte erläutert hatte.
Prinz Reuß habe als ein Rädelsführer agiert, sagte der Vertreter der Bundesanwaltschaft in seinem Vortrag. Die terroristische Vereinigung sei Ende Juli 2021 gegründet worden. Es sei ein gewaltsamer Umsturz geplant gewesen. Dazu habe eine bewaffnete Gruppe in das Reichstagsgebäude in Berlin eindringen und Bundestagsabgeordnete sowie Mitglieder der Bundesregierung festnehmen sollen.
Für die Bundesstaatsanwaltschaft sei die Reichsbürger-Gruppe um Prinz Reuß eine ernst zu nehmende Gefahr, so ZDF-Rechtsexperte Jan Henrich.21.05.2024 | 8:46 min
Was waren die Pläne der "Reichsbürger" um Prinz Reuß?
Konkret hieß es in der Anklage, die Gruppe habe es sich zum Ziel gesetzt, "die bestehende staatliche Ordnung in Deutschland gewaltsam zu beseitigen und durch eine eigene, bereits in Grundzügen ausgearbeitete Staatsform zu ersetzen". Die Angeklagten seien durch Verschwörungstheorien und Narrative von "Reichsbürgern" miteinander verbunden gewesen. Prinz Reuß habe sich demnach mit den Plänen auch an Vertreter Russlands gewandt.
Der Frankfurter Unternehmer soll nach Ansicht der Bundesanwaltschaft gemeinsam mit Rüdiger von P. einer der beiden Rädelsführer der Gruppe gewesen sein. Ihm wird vorgeworfen, den "Rat" geleitet zu haben. Außerdem habe die Gruppe vorgehabt, ihn nach dem Umsturz als provisorisches Staatsoberhaupt einzusetzen.
Dem ehemaligen Kommandanten eines Fallschirmjägerbataillons der Bundeswehr wird vorgeworfen, den militärischen Arm der Gruppe geleitet zu haben. In dieser Funktion sei er zugleich Mitglied des "Rates" gewesen. Er soll auf diversen Veranstaltungen um neue Mitglieder für die Gruppe geworben haben.
Der ehemalige Bundeswehr-Oberst soll Teil des militärischen Arms der Gruppe gewesen sein. Er soll zudem versucht haben, Bundeswehrsoldaten für die Gruppe anzuwerben. Eder war zuvor unter anderem bei Corona-Protesten öffentlich aufgetreten und hatte dort gefordert, man müsse mal "das KSK nach Berlin schicken". Er wurde um Mai 2024 in einem anderen Verfahren unter anderem wegen Trunkenheit am Steuer zu einer Haftstrafe verurteilt.
Die ehemalige Richterin und AfD-Politikerin war von 2017 bis 2021 Mitglied des Deutschen Bundestags. Sie soll im "Rat" für das Ressort "Justiz" verantwortlich gewesen sein. Außerdem wirft ihr die Bundesanwaltschaft vor, andere Mitglieder der Gruppe in den Bundestag eingeschleust zu haben, um das Gebäude auszukundschaften.
Im "Rat" soll er für das Ressort "Inneres" zuständig gewesen sein. Er soll zudem mit anderen Mitgliedern der Gruppe mehrere Bundeswehrkasernen ausgekundschaftet haben. Der Ex-Polizist war zuvor häufig bei Corona-Prosteten aufgetreten und verbreitete in sozialen Medien Verschwörungstheorien.
Der ehemalige Kommandosoldat des KSK hatte zuletzt als Survival-Trainer gearbeitet. Er soll Teil des militärischen Arms der Gruppe gewesen sein und Bundestagsgebäude ausgekundschaftet haben.
Die russische Staatsbürgerin soll Heinrich Prinz Reuß den Kontakt zum russischen Generalkonsulat in Leipzig vermittelt und ihn dorthin begleitet haben. Ihr wird Unterstützung einer terroristischen Vereinigung vorgeworfen.
2021 war sie im Wahlkreis Bodensee für die Partei "Die Basis" als Bundestagskandidatin angetreten. Sie soll eine Person aus ihrem Familienkreis dazu veranlasst haben, der Gruppe 150.000 Euro zukommen zu lassen.
Auch er gilt als einer der mutmaßlichen Geldgeber der Gruppe. Der Finanzberater aus dem Landkreis Harburg soll der Vereinigung mehr als 160.000 Euro gespendet haben.
Die Bundesanwaltschaft gab auch Einblicke, wie ein solcher Staat nach Auffassung der Gruppe aussehen sollte. An der Spitze sollte ein Adliger stehen, in Person von Prinz Reuß. Für den Bereich Justiz war die ehemalige Bundestagsabgeordnete der AfD und Berliner Ex-Richterin Birgit Malsack-Winkemann vorgesehen. Laut Henrich spielte Malsack-Winkelmann in der Anklage eine "große Rolle". Sie soll der Gruppe einen "Zugang" zum Bundestag verschafft und "Terminlisten" weitergeleitet haben.
Nach der geplanten Machtübernahme sollten nach Willen der Gruppe auch die Behörden umstrukturiert werden. Laut Anklage sollten beispielsweise Beamte entlassen werden, die sich freiwillig mit einem mRNA-Impfstoff gegen Corona impfen ließen.
Gegen die ersten Angeklagten startet der Prozess Ende April in Stuttgart.29.04.2024 | 1:55 min
Drei Verfahren gegen "Reichsbürger"
Das Verfahren ist das zweite von insgesamt drei Mammutprozessen gegen die Gruppe: Ende April hatte in Stuttgart der Prozess gegen mutmaßliche Vertreter des militärischen Arms begonnen. In München stehen ab dem 18. Juni die übrigen mutmaßlichen Mitglieder der Gruppe vor Gericht.
Die Zahlen zum Prozess in Frankfurt sind eindrücklich: Neben den neun Angeklagten sind fünf Richter, zwei Ergänzungsrichter und 25 Verteidiger im Prozess dabei. Außerdem sollen rund 250 Zeugen geladen werden.
Die sogenannten Reichsbürger in Deutschland behaupten, dass das Deutsche Reich (1871-1945) weiter existiert. Die Bundesrepublik und ihre Gesetze erkennen sie nicht an. Für die Angeklagten gilt bis zu einem etwaigen Urteil die Unschuldsvermutung. Wenn sie schuldig gesprochen werden sollten, würde ihnen laut Gericht eine Haftstrafe von bis zu zehn Jahren drohen.