Rechte Gewalt: NRW prüft alte Gewaltdelikte

    Politische Motivation:Rechte Gewalt: Warum NRW alte Fälle prüft

    von Antonia Johlen
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    Gibt es mehr rechtsextreme Tötungsdelikte als bisher bekannt? NRW hat 30 alte Gewaltdelikte überprüft: Sechs Tötungsdelikte aus der Vergangenheit waren rechtsmotivierte Taten.

    Der Sitzplatz des Angeklagten in einem Gerichtssaal. Auf dem Tisch vor dem Stuhl steht ein Mikrofon und ein Schild mit der Aufschrift "Angeklagte/r".
    Die Zahlen für rechtsextreme Tötungsdelikte liegen höher als angenommen. Das zeigt eine Prüfung alter Fälle In NRW.
    Quelle: Armin Weigl/dpa

    2003 erschoss ein Mann in Overath einen Rechtsanwalt, dessen Frau und Tochter. Lange war der "Dreifachmord von Overath" nicht als politisch-motivierte Tat eingestuft worden - fast 20 Jahre später folgte dann die nachträgliche Prüfung der Polizei: es handelte sich um eine rechtsextremistische Tat.
    Diesen Fall nahm NRW-Innenminister Reul bereits 2022 zum Anlass, das ToreG-Projekt (Todesopfer rechter Gewalt in NRW) ins Leben zu rufen. Ziel: Rechtsextremismus soll sichtbarer in der Statistik gemacht werden. Er beauftragte das Landeskriminalamt, 30 "strittige Fälle" aus den Jahren 1984 bis 2020 zu überprüfen. Ein Expertenteam aus unterschiedlichen Fachrichtungen analysierte und bewertete sie dafür mehrmals. Das Ergebnis: Sechs Fälle wurden nun als rechtsmotivierte Tötungsdelikte anerkannt.
    Solche Ergebnisse seien von großem symbolischem Wert, sagt Prof. Dr. Nadine Bals von der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung NRW. "Würde man derartige Befunde auf ganz Deutschland hochrechnen, hätte das große Auswirkungen auf die Statistik", vermutet sie.
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    Erfassung rechtsextremistischer Gewalt ist schwierig

    Die Erfassung rechtsextremistisch motivierter Gewalttaten in Deutschland reicht noch nicht lange zurück. Erst seit 1990 registriert das Bundeskriminalamt rechtsextreme Tatmotive bei Tötungsdelikten systematisch. Bis heute bleibt eine präzise Analyse der tatsächlichen Dimension rechtsextremer Gewalt jedoch keine leichte Aufgabe.
    Wichtig ist hierbei die Bewertungsdiskrepanz, also die variierenden Maßstäbe für Motive rechtsextremistischer Gewalt. "In einem solchen Fall können etwa Bekleidungen oder Tätowierungen der Täter Hinweise auf eine Szenezugehörigkeit geben, aber auch verbale Äußerungen während des Tatverlaufs können auf eine rechtsextremistische Motivation hinweisen", so Bals.
    Hinzukommt, dass die Fallzahlen rechtsextremistischer Gewalttaten im öffentlichen Diskurs meist deutlich höher ausfallen als die Zahlen der Polizei. "Dort werden natürlich nur die Vorfälle mitgerechnet, die auch zur Anzeige gebracht werden. Wir als Opferinitiative untersuchen auch Beratungs- und Recherchefälle eingehend", erklärt Fabian Reeker, Leiter der Opferberatung Rheinland (OBR).
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    Kritik von Beratungsstellen für Opfer rechter Gewalt

    Bei Betroffenen rechter Gewalt stoßen die Neubewertungen auf Zustimmung. Das Gefühl, endlich öffentliche Anerkennung zu erhalten, sei ein wichtiges Signal für alle Menschen, die sich schon seit Jahren für eine klare Benennung der Tatmotive einsetzen. Dies sei Betroffenen oft viel wichtiger, als eine Änderung des konkreten Strafmaßes, so Reeker.
    Er sieht daher großes Potenzial in den Prüfungen alter Gewaltdelikte. "Die Gefahr und die tödliche Dimension von rechter Gewalt sind nicht erst mit dem Thema "Rechtsruck" in Deutschland aufgetaucht. Sie herrschen schon seit Jahren und müssen unbedingt als gesellschaftspolitisches Problem wahrgenommen werden", sagt er.
    Die OBR begrüßt die Auseinandersetzung mit Altfällen in NRW zwar nachdrücklich, kritisiert jedoch die Arbeitsweise des Projekts: "Eine aktive Involvierung von unabhängigen wissenschaftlichen Akteuren, spezialisierten Beratungsstellen und Zivilgesellschaft fand bei ToreG NRW nicht statt.", heißt es in ihrer Stellungnahme.

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    FAQ

    Noch keine bundesweite Aufarbeitung

    In Deutschland ist die Initiative des LKA NRW bislang einzigartig, da hauptsächlich alte Gerichts- und Verfahrensakten für die Untersuchung ausgewertet wurden. Jedoch seien dem BKA inhaltlich verwandte Projekte in Berlin, Brandenburg, Bayern, Thüringen und Sachsen-Anhalt bekannt, teils unter Einbindung polizeiexterner Stellen.
    Die behördeninterne Prüfung reiche aber nicht aus, sagt Reeker. Er lobt Projekte zur Überprüfung von Altfällen, wie die der Universität Potsdam, der Technischen Universität Berlin und der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin. Hier wurde auf eine engere Zusammenarbeit zwischen Forschungsinstituten und Opferinitiativen gesetzt.
    Antonia Johlen arbeitet im ZDF-Studio in Düsseldorf.

    Eine Person hält ein Smartphone in der Hand. Darauf ist der WhatsApp-Channel der ZDFheute zu sehen.
    Quelle: ZDF

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