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Interview
Experte Stefan Aust:Dritte RAF-Generation "ungeklärtes Kapitel"
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Über drei Jahrzehnte hat die Rote Armee Fraktion die Bundesrepublik terrorisiert. RAF-Experte Stefan Aust erhofft sich weitere Aufklärung durch die Festnahme von Daniela Klette.
"Es wird einen Kreis von Leuten geben, die sich um Aussteiger oder Nicht-Aussteiger kümmern", so der Journalist Stefan Aust über die lange untergetauchte Ex-RAF-Terroristin Klette.28.02.2024 | 4:48 min
Stefan Aust, langjähriger Chefredakteur des "Spiegel" und Autor des Buches "Der Baader Meinhof Komplex", der die RAF über Jahrzehnte beobachtet hat, spricht im heute journal up:date über die Folgen der Festnahme der international als RAF-Terroristin gesuchten Daniela Klette. Vor allem die dritte Generation der Rote Armee Fraktion sei noch ein ungeklärtes Kapitel.
ZDF: 1998 hatte sich die RAF selbst aufgelöst. Wie gefährlich sind die Ex-Mitglieder heute? In Klettes Wohnung ist offenbar auch Munition gefunden worden.
Stefan Aust: Munition brauchten die natürlich schon, weil sie zu dritt verschiedene Supermärkte und auch einen Geldtransport überfallen haben. Das heißt, dass sie bewaffnet gewesen sind, ist völlig klar. Was sie nun mit diesen Waffen oder mit der Munition vorhatten, sonst noch zu tun, wissen wir nicht.
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ZDF: Klette gehörte der dritten Generation der RAF an. Man weiß bis heute wenig über diesen Kreis - und hofft nun auf neue Erkenntnisse durch die Festnahme Klettes. Worum geht es den Ermittlern heute?
Aust: Die Ermittlungen gegen diese drei, von denen Frau Klette eine ist, sind ja nur von den Landeskriminalämtern gemacht worden, also von der Landespolizei in Niedersachsen. Das BKA, das Bundeskriminalamt, hat sich da rausgezogen, weil das, was man in Verbindung mit der RAF ihnen vorzuwerfen hat, wäre inzwischen verjährt.
Aber es gibt eben sehr viele Morde, eine ganze Reihe von Morden, von Herrhausen, Rohwedder, verschiedene andere auch, bei denen man inzwischen nicht wirklich weiß, wer es gewesen ist und wer tatsächlich daran alles beteiligt gewesen ist.
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Deswegen wäre es natürlich sehr schön, wenn (...) sich ein bisschen mehr aufklären lässt, was in dieser dritten Generation der RAF, die im Grunde eine Gruppe von Mördern gewesen ist, wer da für was verantwortlich gewesen ist. Und vielleicht, ob Leute dabei gewesen sind, auf deren Namen man niemals gekommen ist.
ZDF: Sie haben das Standardwerk über den RAF-Terror geschrieben - der "Der Baader-Meinhof-Komplex". Sie kannten einige Täter und auch einige Opfer - wie kam es zu den Kontakten?
Aust: Ich bin nach der Schule mal bei der linken Zeitschrift "Konkret" gewesen und habe damals in der Studentenbewegung und auch in der Redaktion einige oder viele Leute kennengelernt in der Studentenbewegung. Einige von denen sind dann in den Untergrund gegangen. Deswegen kannte ich Ulrike Meinhof, als sie noch Journalistin war. Ich kannte Horst Mahler, als er noch Rechtsanwalt gewesen ist und ich kannte auch ein paar andere Figuren.
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Und als die dann in den Untergrund gegangen sind, habe ich sie natürlich nie wieder gesehen, also jedenfalls nicht vor ihrer Festnahme. Ich habe aber natürlich deren Weg verfolgt und war immer an den Ereignissen relativ lange und nah dran. Und weil ich in der ganzen Zeit schon journalistisch gearbeitet habe, habe ich dann beim NDR Beiträge darüber gemacht.
Und dann habe ich mich irgendwann hingesetzt und gesagt: So, jetzt will ich es genau wissen und habe dann drei Jahre lang nichts anderes getan, als nochmal Akten zu wälzen und Leute zu interviewen. Bei der Gelegenheit habe ich natürlich dann auch Leute getroffen in Gefängnissen, die inzwischen festgesetzt worden waren, die aber bereit waren, darüber zu reden. Deswegen habe ich mit einer ganzen Reihe von Tätern geredet - und zwar einigen, die dann später tatsächlich ihre Taten wirklich ernsthaft bereut haben. Und natürlich auch mit einigen der Opfer.
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ZDF: Nochmal zu Daniela Klette, die nun 30 Jahre lang im Untergrund gelebt hat. Da muss es doch Unterstützer gegeben haben, ganz einfach beim Anmieten einer Wohnung zum Beispiel?
Aust: Ich kann mir nicht vorstellen, dass eine Person mit einem falschen Pass, wie man jetzt gehört hat, sogar ein italienischer Pass, dass die ohne irgendeine Hilfe 30 Jahre lang in einer oder verschiedenen Wohnungen in Deutschland lebt, dass sie ihre Miete bezahlen kann, dass sie auch noch Unterricht gibt, Nachhilfeunterricht für Kinder, haben wir gehört. Dass das alles ohne irgendeine Unterstützung von anderen vor sich geht.
Das kann ich mir nicht vorstellen. Das ist in Wahrheit nicht möglich. Deswegen glaube ich, es wird einen Kreis von Leuten geben, die sich um Aussteiger oder eben nicht Aussteiger tatsächlich kümmern. Anders ist das nicht denkbar.
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