Psychotherapie: Warum Nachwuchs durch Gesetz blockiert wird
Nach Ausbildungsreform:Gesetzeslücke blockiert Therapeuten-Nachwuchs
von Leon Müller
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Wer als Psychotherapeut arbeiten will, braucht nach dem Studium noch eine Weiterbildung. Doch momentan gibt es kaum Weiterbildungsplätze. Es könnten bald Psychotherapeuten fehlen.
Therapieplätze sind rar; mancher sucht jahrelang einen - auch weil es an praktischen Weiterbildungen für angehende Psychotherapeuten mangelt.21.11.2024 | 3:04 min
Eigentlich möchte Felix Kiunke nur helfen. Den Menschen helfen, die unter Depressionen, Angststörungen und Zwängen leiden. Eigentlich könnte er das auch, denn er hat Klinische Psychologie studiert.
Hunderte Psychologie-Absolventen warten auf Weiterbildung
Um aber als Psychotherapeut arbeiten zu können, braucht er noch eine fünfjährige Weiterbildung zum Fachpsychotherapeuten. Doch das geht aktuell nicht - es gibt kaum Weiterbildungsplätze dafür.
Das ist total frustrierend, weil völlig klar ist, dass die Weiterbildung, so wie es jetzt ist, nicht anlaufen wird.
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Felix Kiunke
Felix Kiunke ist nicht alleine. Wie er warten schon jetzt hunderte Masterabsolventen auf ihre Weiterbildung. Ab nächstem Jahr werden jährlich 2.500 dazu kommen, schätzt die Bundespsychotherapeutenkammer.
Grund für die fehlenden Plätze ist eine Reform des Psychotherapeutengesetzes von 2019 - die eigentlich die prekären Ausbildungsbedingungen verbessern sollte.
Um Psychotherapeut zu werden, musste man vor der Reform nach dem Studium eine "Ausbildung" absolvieren: Sie erfolgte meist ohne sozialversicherungspflichtige Anstellung und musste von den Auszubildenden selber bezahlt werden. Viele nahmen dafür einen Kredit auf.
Mit der Reform wurde aus der Ausbildung eine "Weiterbildung", die von den angehenden Therapeuten nicht mehr bezahlt werden muss, sondern angemessen vergütet werden soll. Die Finanzierung dieser Weiterbildung wurde im Gesetz allerdings nicht geregelt.
Verbände warnen vor Versorgungslücke
Seitdem hat sich nicht viel getan. Keine Finanzierung, keine Weiterbildung - bis heute. Kliniken, Praxen oder Weiterbildungsinstitute sehen sich nicht in der Lage die Kosten selber zu tragen.
Sollte für die Finanzierung der Weiterbildung keine Lösung gefunden werden, könnten bald tausende Nachwuchstherapeuten fehlen. Berufsverbände warnen vor einer möglichen Versorgungslücke.
Psychische Erkrankungen nehmen zu
Dabei ist der Bedarf an Therapieplätzen groß. 31 Prozent der Deutschen leiden unter einer psychischen Erkrankung, so der Mental Health Report 2024. Die Zahl der Krankschreibungen wegen psychischer Erkrankungen hat in den letzten Jahren zudem stark zugenommen. Matti Gantenberg sucht seit vier Jahren einen Therapieplatz.
Eine Depression fühlt sich nochmal auswegloser an, wenn man weiß, es gäbe Hilfe, aber der Weg zur Hilfe wird blockiert.
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Matti Gantenberg
"Mich macht das total fertig, wenn ich wieder zwei, drei Absagen in Folge erhalte. Sodass ich sage, ich werde quasi kranker dadurch, dass ich versuche hier einen Therapieplatz zu finden", sagt Gantenberg.
Hilfe bei der Suche nach einem Therapieplatz:
Quelle: dpa
Die Terminservicehotline ist unter 116117 rund um die Uhr erreichbar. Innerhalb von vier Wochen muss es dort das Angebot für ein Gespräch in einer psychotherapeutischen Praxis geben; oft gibt es nur ein Erstgespräch.
Krankenkasse anschreiben und eine Liste mit Psychotherapeut*innen anfordern, die Kapazitäten haben.
Hier arbeiten Therapeut*innen in Ausbildung. Sie haben ihr Psychologiestudium bereits hinter sich und befinden sich in der Ausbildung im jeweiligen Fachbereich. Die Wartezeiten sind hier oft kürzer.
Wer bei fünf kassenzugelassenen Therapeut*innen keinen Termin innerhalb der nächsten drei Monate erhält und das belegen kann, kann bei der Krankenkasse eine Kostenerstattung für einen privaten Therapeuten beantragen.
Ohne eine Weiterbildung für den psychotherapeutischen Nachwuchs könnte es für Menschen wie Matti Gantenberg in Zukunft noch schwerer werden, einen Therapieplatz zu finden.
Nachwuchs demonstriert für Finanzierung
Felix Kiunke gibt sich damit nicht zufrieden. Er kämpft für seine Zukunft, startete erfolgreich eine Petition und demonstrierte mit Hunderten immer wieder, um auf die Gesetzeslücke aufmerksam zu machen.
Wir fordern eine vollständige Finanzierung der Weiterbildung, weil man ohne diese Weiterbildung nicht psychotherapeutisch mit Patient*innen arbeiten kann.
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Felix Kiunke, Psychologie-Absolvent
Auch in therapeutischen Behandlungen kann es zu Grenzüberschreitungen kommen. Woran kann man das erkennen?10.11.2023 | 8:42 min
Im Gesetzentwurf zum Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz (GVSG) wurde zwar eine Regelung zur Teilfinanzierung in Weiterbildungsambulanzen aufgenommen. Die Weiterbildung in Praxen und Kliniken wurde dabei aber nicht berücksichtigt.
Warten auf Finanzierung und Weiterbildung
Damit könnten nicht ausreichend psychotherapeutische Weiterbildungsstätten geschaffen werden, kritisiert die Bundespsychotherapeutenkammer. Dass das GVSG bei der aktuellen Regierungslage überhaupt noch kommen wird, ist zudem eher unwahrscheinlich.
Felix Kiunke arbeitet jetzt erst einmal in einem Büro und wartet weiter - auf eine Regelung zur Finanzierung und auf einen Weiterbildungsplatz.
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