Reichsbürger vor Gericht: Prozess gegen Reuß-Gruppe startet
Reichsbürger vor Gericht:Prozess gegen Reuß-Gruppe startet
von Sebastian Langer
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Insgesamt sind 26 mutmaßliche Verschwörer des Reichsbürgernetzwerks rund um Prinz Reuß angeklagt. Neun davon haben sich vor dem Oberlandesgericht Stuttgart zu verantworten.
Es ist eines der größten Staatsschutzverfahren in der Geschichte der Bundesrepublik. Das Strafverfahren gegen die sogenannte Reuß-Gruppe ist derart umfangreich, dass es auf drei Oberlandesgerichte (Stuttgart, Frankfurt a. M., München) aufgeteilt ist. Dem Verfahren liegen Ermittlungsakten im Umfang von 700 Stehordnern mit rund 400.000 Blatt zugrunde.
Der Startschuss fällt heute vor dem Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart. Im Zentrum dabei: der Vorwurf der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und die Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens. Diese Vorwürfe will das OLG Stuttgart – Stand jetzt – bis Januar 2025 in 48 Verhandlungstagen klären.
Prozess gegen Reuß-Gruppe: Um was geht es genau?
Laut Anklage der Bundesanwaltschaft sei es das Ziel der Verschwörer gewesen, in Deutschland gewaltsam einen Systemumsturz herbeizuführen. Die bestehende staatliche Ordnung in Deutschland solle beseitigt und durch eine eigene Staatsform ersetzt werden.
Die Angeklagten sollen der Reichsbürger- und QAnon-Bewegung angehört haben und von dem Mythos geleitet worden sein, dass Deutschland derzeit von einem sogenannten Deep State regiert werde, von dem das Land befreit werden müsse.
Die Bewegung der Reichsbürger ist vielschichtig. Gemeinsamer Nenner ist, dass ihre Mitglieder die Existenz der Bundesrepublik Deutschland sowie die freiheitlich-demokratische Grundordnung ablehnen. Die Motive und Begründungen hierfür sind unterschiedlich. So wird beispielsweise angeführt, dass Deutschland nach wie vor von den Alliierten besetzt sei, es 1945 keinen Friedensvertrag gegeben habe und Deutschland über keine gültige Verfassung verfüge.
Die QAnon-Bewegung ist eine ursprünglich in den USA wurzelnde Gruppierung, die die Verschwörungstheorie verbreitet, dass es eine globale, satanistische Elite gebe, die Kinder entführe, gefangen halte, foltere und ermorde, um deren Blut als "Verjüngungsserum" zu trinken.
Hierzu habe die Reuß-Gruppe geplant, bewaffnet in das Reichstagsgebäude in Berlin einzudringen und Abgeordnete des Bundestags gefangen zu nehmen. Anschließend sollten auch Institutionen auf Landes-, Kreis- und Kommunalebene unter Kontrolle gebracht werden.
Der militärische Arm
In Stuttgart vor Gericht steht der sogenannte militärische Arm der Reuß-Gruppe. Dessen Aufgabe, so die Anklage: die Machtübernahme mit Waffengewalt durchsetzen. Hierfür habe die Gruppe bereits begonnen, ein deutschlandweites System von militärisch organisierten Verbänden aufzubauen. Konkret sollten insgesamt 286 sogenannte Heimatschutzkompanien entstehen.
Zu diesem Zweck seien Rekrutierungsveranstaltungen durchgeführt worden mit dem Ziel, aktive oder ehemalige Soldaten und Polizisten anzuwerben. Zudem habe die Bewegung über ein massives Arsenal von rund 1.200 Waffen, mindestens 148.000 Munitionsteilen und sonstiger militärischer Ausrüstung, wie ballistischer Helme, schusssicheren Westen, Nachtsichtgeräten und Handfesseln, verfügt.
Die Razzia gegen Prinz Reuß und sein "Reichsbürger"-Netzwerk.21.12.2022 | 17:07 min
Schießerei in Reutlingen als Schlüssel-Geschehen
Einer der neun Angeklagten steht in Stuttgart zusätzlich wegen des Vorwurfs des versuchten Mordes vor Gericht.
Als im März 2023 die Wohnung des Angeklagten durchsucht wurde, soll dieser mit einem halbautomatischen Schnellfeuergewehr aus nächster Nähe gezielte Schüsse auf Spezialkräfte der Polizei abgegeben haben. Mehrere Projektile seien auf Brusthöhe mittels eines Schutzschildes abgewehrt worden. Zwei Polizeibeamte seien dennoch verletzt worden, einer davon so schwer, dass er dauerhaft gesundheitlich beeinträchtigt sein werde.
Diese Tat dürfte eine zentrale Rolle im Stuttgarter Prozess einnehmen. Denn mit ihr könnte nachgewiesen werden, dass die Reuß-Gruppe dazu bereit war, ans Äußerste zu gehen und auch Menschen zu töten.
Was die Reichsbürger-Bewegung so gefährlich macht
Laut Bundesamt für Verfassungsschutz waren Ende 2022 deutschlandweit etwa 23.000 Personen zur Reichsbürger-Szene zu zählen, rund 2.300 davon gewaltbereit.
Das Potential von 23.000 ist gewachsen und zwar jetzt kontinuierlich über die letzten Jahre. Deswegen bereitet es uns auch Sorge - vor allen Dingen die Bewaffnung. Deswegen konzentrieren wir uns auch sehr stark darauf, dass wir die Extremisten entwaffnen, damit die Gefahren kleiner werden für die Bürgerinnen und Bürger.
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Nancy Faeser, Bundesinnenministerin (SPD)
Mit Blick auf die nun anlaufenden Verfahren ist laut Jan Rathje, Rechtsextremismus-Forscher beim Center für Monitoring, Analyse und Strategie (CeMAS), festzuhalten:
Zum eine welche Gefahr in dieser Ideologie steckt, aber auch welche Netzwerke innerhalb dieses Milieus existieren und wie weit verzweigt diese Netzwerke reichen und Menschen mobilisieren können, sich an solchen Umsturzplänen zu beteiligen.
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Jan Rathje, Senior Researcher beim Center für Monitoring, Analyse und Strategie
Aus der Perspektive der Justiz fasste Dr. Andreas Singer, Präsident des OLG Stuttgart, im Vorfeld des Prozesses zusammen, dass sich aus der Reichsbürger-Szene eine reale, seit Jahren wachsende Bedrohungslage ergebe. Diese sei nun in unseren Gerichtssälen angekommen.
Sebastian Langer, Fachredaktion Recht & Justiz des ZDF
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