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Interview
Polizist über Gewalt im Einsatz:"Man denkt sich immer, es trifft die anderen"
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Sie werden beschimpft, bedroht und attackiert. Die Polizei ist zum Feindbild vieler geworden. Wie erleben Polizisten riskante Einsätze? Und was macht das mit ihnen?
Wie erleben Polizisten riskante Einsätze? Was macht das schärfer werdende soziale Klima mit ihnen? Darum geht es in "Allein zwischen den Fronten – Die Dokumentation".08.11.2024 | 29:15 min
Das zunehmend rauer werdende soziale Klima bei Einsätzen, verbale und körperliche Gewalt: All das geht an Polizeikräften nicht spurlos vorbei. Polizist Maxi Z. ist Teil des Unterstützungskommandos Bayern und häufig bei Risikofußballspielen, Razzien und Demonstrationen im Einsatz. Im ZDFheute-Interview spricht er über Belastungen im Job, den Umgang mit Anfeindungen und darüber, welche Veränderungen er sich wünscht.
ZDFheute: Gibt es Polizeieinsätze, die besonders stark belasten?
Maxi Z.: Einsätze mit Verletzten oder getöteten Personen, aber auch Ereignisse wie der G20-Gipfel, die sich über viele Tage strecken. Und Einsätze, bei denen man mit der extremen Gewalt vom Gegenüber konfrontiert wird, die weit über das normale Maß hinausgeht.
Maxi Z. (36) ist stellvertretender Zugführer beim Unterstützungskommando, kurz USK, den Spezialkräften der bayerischen Polizei. Das USK kommt immer dann zum Einsatz, wenn das Gewaltrisiko als besonders hoch eingestuft wird: bei Großdemonstrationen, Hochrisikofußballspielen oder Razzien. Maxi ist seit 13 Jahren beim USK. Zum Identitätsschutz wird der Nachname des Polizeikommissars nicht genannt.
ZDFheute: Was macht das mit Ihnen? In Uniform, aber auch als Mensch?
Maxi Z.: Die Gefährdung fürs eigene Leben, für den eigenen Leib ist gegeben und man ist sich dessen bewusst, sicherlich aber nie in allerletzter Konsequenz. Das ist nämlich kein Mensch - ich glaube, wirklich besorgt ist man erst, wenn es einen selber trifft. Man denkt sich davor immer, es trifft die anderen.
Die Dokumentation "Allein zwischen den Fronten - Die Dokumentation" läuft am Montag, 18. November 2024, um 21:45 Uhr im ZDF und jederzeit in der ZDF-Mediathek.
ZDFheute: Hatten Sie vor Ihrer Polizeilaufbahn eine Vorstellung davon, was Sie erwartet?
Maxi Z.: Ich komme aus einem behüteten Elternhaus und man hat keine Vorstellungen von dem Wahn, der Aggression und Wut des Mobs, die einem oft entgegenschlägt. Und man tastet sich nach und nach rein in eine Welt, die einem als normaler Mensch davor eigentlich verborgen ist.
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ZDFheute: Empfinden Sie die Beziehung zur Polizei in gewissen gesellschaftlichen Strukturen als gestört?
Maxi Z.: Ich denke, sie ist gestört in gewissen Strukturen. Die Polizei verkörpert mit ihrer Funktion das Gewaltmonopol und letzten Endes auch den Staat, oft in einer Art und Weise, wie keine andere Institution.
ZDFheute: Wie gehen Sie persönlich mit Anfeindungen und Beleidigungen aus Teilen der Bevölkerung um?
Maxi Z.: Man muss sich immer wieder bewusst machen, dass man mit einem Bruchteil der Gesellschaft konfrontiert wird. Und das hilft einem dann auch, dass man nicht den Glauben an die Menschheit verliert.
ZDFheute: Gleichzeitig steht die Polizei oft selbst in der Kritik. Gerade Spezialkräfte wie das USK gelten als martialisch, der Körpereinsatz als robust.
Maxi Z.: Wir kommen dann zum Einsatz, wenn sich der Herr Müller und der Herr Huber an den Kragen wollen und "Mediation" und die weiße Fahne nicht mehr helfen. Letzten Endes sind wir dann oft gezwungen, Gewalt einzusetzen, damit sie sich - bildlich gesprochen - nicht den Kopf einschlagen. Dafür werden wir ausgebildet und trainiert. Dafür erfährt man natürlich aber oft auch Kritik, weil wir immer in Situationen kommen, wo das Kind eigentlich schon in den Brunnen gefallen ist.
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ZDFheute: Fühlen Sie sich als Polizei da oft missverstanden?
Maxi Z.: Was einen trifft, ist es, wenn Situationen aus dem Kontext gerissen werden. Also wenn die Polizei im Nachgang hingestellt wird als demonstrationsfeindlich, als gewalttätig, als übergriffig - ohne dass die ganze Situation beleuchtet wird. Also dass die Polizei mal wieder medial durchs Dorf getrieben wird. Das trifft einen mehr als Anfeindungen während einer Demonstration.
ZDFheute: Dennoch hat man oft das Gefühl, die Polizei macht vieles mit sich selbst aus, sucht nicht unbedingt den Dialog nach außen.
Dass wir als Polizei uns eben nicht nur vor Politik und Gesetz rechtfertigen müssen, sondern dass natürlich zur Polizei in einem Rechtsstaat auch gehört, dass man gegenüber Medien und damit den Menschen da draußen sein Handeln transparent darstellt.
ZDFheute: Wo kann und muss Polizei besser werden, auch um Fronten draußen abzubauen?
Maxi Z.: Ein großer Wunsch von mir wäre, dass die Einsatzkommunikation, also Transparenz unserer Maßnahmen durch Lautsprecherdurchsagen, weiter forciert wird. Also dass nicht nur die betroffenen Personen, sondern dass auch umstehende Personen erkennen, warum Polizei hier handelt.
Dazu gehört, dass sich Leute reiben, allerdings in einer Art und Weise, die polizeiliches Einschreiten überflüssig macht.
Das Interview führte Julia Lösch, die Autorin von "Allein zwischen den Fronten - Die Dokumentation".
Quelle: ZDF
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