FAQ
Angriffe, Stalking und Co.:Politiker vor Gewalt schützen - wie geht das?
|
Zuletzt haben Angriffe auf Politiker für Aufsehen gesorgt - um sie besser zu schützen, werden nun Vorschläge diskutiert. Was wird debattiert und was gilt bereits?
Die Innenministerinnen und -minister von Bund und Ländern beraten heute, wie politisch Engagierte besser geschützt werden können. Anlass ist der Angriff auf SPD-Kandidaten Ecke. 07.05.2024 | 1:50 min
Nach dem Angriff auf den SPD-Europaabgeordneten Matthias Ecke in Dresden und weiteren Attacken auf Politiker und Wahlkampfhelfer ist die Debatte über besseren Schutz und härtere Strafen aufgeflammt. Die Innenminister von Bund und Ländern wollen sich bei einem Sondertreffen dazu am Dienstag abstimmen. Ein Überblick über Ideen und bereits umgesetzte Konzepte:
Gewalt gegen Politiker: Wie ist die Lage?
Im vergangenen Jahr wurden vorläufigen Zahlen zufolge 2.790 Angriffe auf Politiker gemeldet, wie die Bundesregierung Ende Januar auf eine Anfrage der AfD-Bundestagsfraktion antwortete. Dabei ging es nicht immer um Gewalttaten, es fallen auch beispielsweise Beleidigungen darunter. Mit 1.219 Fällen waren am häufigsten Vertreter der Grünen betroffen - ein deutlicher Anstieg.
Der Innenminister von NRW Herbert Reul sieht bei den Angriffen eher ein grundsätzliches Problem. Man müsse die Fragen angehen, die dahinter liegen, so Reul im Morgenmagazin. 07.05.2024 | 0:31 min
Die häufigsten Gewaltdelikte richteten sich im Jahr 2023 demnach gegen Vertreter der AfD, es wurden 86 registriert. Laut den Aufzeichnungen gab es außerdem 62 Gewalttaten gegen Grünen-Vertreter. Die Zahlen für andere Parteien lagen deutlich darunter.
Nach dem Angriff auf den SPD-Europapolitiker Matthias Ecke sind vier Verdächtige ermittelt worden. Einer von ihnen soll der rechten Szene entstammen.06.05.2024 | 1:39 min
Können Strafen für politisches Stalking helfen?
Häufig zitiert wurde am Wochenende ein Vorschlag aus Sachsen von Justizministerin Katja Meier (Grüne). Sie will politisches Stalking unter Strafe stellen. Bislang würden nur explizite Drohungen mit Straftaten oder empfindlichen Übeln vom Tatbestand der Bedrohung oder Nötigung im Strafgesetzbuch erfasst, Aktionen wie Demonstrationen vor Privatwohnungen oder unterschwellige Drohungen auch im privaten Umfeld nicht, kritisiert Meier.
Mit Blick auf die körperlichen Angriffe auf den SPD-Europaabgeordneten Matthias Ecke gilt, dass diese vom Strafrecht in der derzeitigen Form erfasst werden - nämlich als Körperverletzung (§ 223 Strafgesetzbuch). Sofern die Körperverletzung durch mehrere Beteiligte begangen wird, steht auch eine gefährliche Körperverletzung und damit ein erhöhter Strafrahmen im Raum (§ 224 Strafgesetzbuch).
Weiterhin stellt das Strafrecht auch die Nötigung (§ 240 Strafgesetzbuch) und das Bedrohen (§ 241 Strafgesetzbuch) unter Strafe. Die Nötigung zeichnet sich dadurch aus, dass Täter ihre Opfer mit Gewalt oder einer Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung zwingen. Ein Bedrohen liegt demgegenüber vor, wenn der Täter dem Opfer bestimmte Straftaten androht.
Schließlich enthält das Strafgesetzbuch auch bereits einen Tatbestand, der das Stalking unter Strafe stellt (§ 238 Strafgesetzbuch). Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass dem Täter ein wiederholtes Nachstellen seines Opfers nachgewiesen werden kann - ein Einzelfall genügt daher noch nicht.
Weiterhin stellt das Strafrecht auch die Nötigung (§ 240 Strafgesetzbuch) und das Bedrohen (§ 241 Strafgesetzbuch) unter Strafe. Die Nötigung zeichnet sich dadurch aus, dass Täter ihre Opfer mit Gewalt oder einer Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung zwingen. Ein Bedrohen liegt demgegenüber vor, wenn der Täter dem Opfer bestimmte Straftaten androht.
Schließlich enthält das Strafgesetzbuch auch bereits einen Tatbestand, der das Stalking unter Strafe stellt (§ 238 Strafgesetzbuch). Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass dem Täter ein wiederholtes Nachstellen seines Opfers nachgewiesen werden kann - ein Einzelfall genügt daher noch nicht.
Aber reicht das aktuelle Strafrecht aus, um Politiker effektiv vor Angriffen zu schützen? Es gibt die Forderung nach einem neuen Straftatbestand der "Beeinflussung staatlicher Entscheidungsträger". Dabei soll es um subtilere Formen der Einflussnahme gehen, beispielsweise Kundgebungen vor Privatwohnungen oder das Abladen von Misthaufen in der Einfahrt. Die Verantwortlichen bewegen sich häufig knapp unterhalb der Schwelle einer Nötigung, einer Bedrohung oder des "klassischen" Stalkings, weil es an körperlicher Gewalt, expliziten Drohungen oder des wiederholten Nachstellens fehlt.
Der Effekt solcher Aktionen ist aber oft derselbe wie bei den genannten Straftaten: Gerade Menschen, die kommunalpolitisch aktiv sind und keine besonderen staatlichen Sicherheitsmaßnahmen erhalten, können auf diese Weise eingeschüchtert und in letzter Konsequenz sogar von ihrem politischen Engagement abgebracht werden. Gleichzeitig ist auch harter Protest ein elementarer Bestandteil des demokratischen Meinungskampfes und das Strafrecht immer nur das letzte Mittel des Rechtsstaates.
Ein etwaiger neuer Straftatbestand stünde also vor der Herausforderung, diese gegenläufigen Interessen jeweils angemessen zu berücksichtigen und vor allem trennscharf zu formulieren, was noch erlaubt ist - und was eventuell in Zukunft die Strafjustiz beschäftigt.
Quelle: Sebastian Langer und Daniel Heymann, ZDF-Fachredaktion Recht & Justiz
Der Effekt solcher Aktionen ist aber oft derselbe wie bei den genannten Straftaten: Gerade Menschen, die kommunalpolitisch aktiv sind und keine besonderen staatlichen Sicherheitsmaßnahmen erhalten, können auf diese Weise eingeschüchtert und in letzter Konsequenz sogar von ihrem politischen Engagement abgebracht werden. Gleichzeitig ist auch harter Protest ein elementarer Bestandteil des demokratischen Meinungskampfes und das Strafrecht immer nur das letzte Mittel des Rechtsstaates.
Ein etwaiger neuer Straftatbestand stünde also vor der Herausforderung, diese gegenläufigen Interessen jeweils angemessen zu berücksichtigen und vor allem trennscharf zu formulieren, was noch erlaubt ist - und was eventuell in Zukunft die Strafjustiz beschäftigt.
Quelle: Sebastian Langer und Daniel Heymann, ZDF-Fachredaktion Recht & Justiz
In einem Entwurf zum Schutz der kommunalen Amts- und Mandatsträger, der am Dienstag vorgestellt werden soll, schlägt sie daher vor, den Tatbestand "Beeinflussung staatlicher Entscheidungsträger" ins Strafrecht aufzunehmen. So soll der private Bereich vor gezielten Einschüchterungen geschützt werden. Das solle "Strafbarkeitslücken schließen und helfen, dass der Rechtsstaat sich noch besser schützend vor seine Vertreterinnen und Vertreter stellen kann", erklärte Meier am Montag.
Der Deutsche Städtetag schloss sich am Wochenende dieser Forderung an. Die Gewerkschaft der Polizei plädierte dafür, Angriffe auf Wahlbewerber, Wahlveranstaltungen, Wahlkreisbüros und Mandatsträger unter besonderes Strafrecht mit hohem Strafrahmen zu stellen.
Es gibt mehrere Angriffe auf Wahlkampfteams und Politiker, auch mit schweren Verletzungen. Die Innenministerin spricht von einer "neuen Dimension von antidemokratischer Gewalt".04.05.2024 | 3:07 min
Welche Vorschläge werden noch diskutiert?
In Thüringen fanden nach Angriffen auf Politiker in den vergangenen Wochen zwei Sicherheitsgipfel statt. Einem Bericht des Mitteldeutschen Rundfunks zufolge soll im Landesinnenministerium eine Stelle geschaffen werden, die Informationen sammelt und die Gefahrenlage einschätzt.
Im vergangenen Monat kündigte die Bundesregierung außerdem an, das Melderecht ändern zu wollen, damit die Privatadressen von Kommunalpolitikern besser geschützt sind. Das solle "in Kürze" passieren, sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) der "Süddeutschen Zeitung". Adresseinträge sollen demnach für externe Zugriffe gesperrt werden. Diskutiert werden solle auch, ob bei Angriffen im Wahlkampf künftig regelmäßig der Staatsschutz ermittelt.
Ein brutaler Angriff auf den Dresdner SPD-Europapolitiker Matthias Ecke hat deutschlandweit für Entsetzen gesorgt. In Dresden und Berlin demonstrierten mehrere tausend Menschen für Demokratie und gegen Gewalt.06.05.2024 | 3:01 min
Was wurde schon unternommen?
In einigen Bundesländern stehen bei Kommunalwahlen nicht mehr die vollständigen Anschriften der Kandidatinnen und Kandidaten auf dem Stimmzettel. Die baden-württembergische Kommunalwahlordnung wurde etwa entsprechend geändert, ebenso das Kommunalwahlgesetz von Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein.
Seit 2021 gibt es strafrechtlichen Schutz gegen sogenannte Feindeslisten - also Sammlungen persönlicher Daten, die im Internet veröffentlicht werden. Wer personenbezogene Daten anderer Menschen so verbreitet, dass die Betroffenen der Gefahr einer gewichtigen Straftat ausgesetzt sind, kann inzwischen mit einer Geldstrafe oder mit bis zu zwei Jahren Haft bestraft werden.
Quelle: AFP
Themen
Mehr zu Gewalt gegen Politiker
mit Video
Angriffe auf Politiker:Steinmeier: "Ausbruch von Gewalt ist Warnung"
mit Video
Gewalt gegen Politiker:Faeser: Mehr Polizeipräsenz für Wahlkämpfer
mit Video