Pflege: Fachkräftemangel führt zur Schließung von Heimen
Drei Heime in Hamburg schließen:Pflegemangel: "Müssen immer Nein sagen"
von Britta Hilpert
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Das Pflegeheim Haus Matthäus verspürt keine "Ruhe des Lebensabends". Es ist eines von drei Heimen in Hamburg, die jetzt schließen. Der Grund: die Fachkräftequote.
Gleich mehrere Pflegeheime in Hamburg schließen Ende des Jahres, weil Pflegepersonal fehlt. Hunderte Bewohner und Angehörige sind geschockt. Mehr und mehr Betten stehen leer und Wartelisten werden immer länger.23.11.2024 | 5:19 min
Kartons werden gepackt, Laster und Krankentransport warten vor der Tür: Rund 120 Pflegebedürftige müssen nach und nach ausziehen. Haus Matthäus schließt Ende Januar. Der Grund: Es gibt nicht genügend examinierte Pflegefachkräfte.
Simona Freyberg ist so eine Fachkraft. Sie erlebt als Stationsleiterin, wie schwierig es ist, Fachkräfte zu halten: "Die Jüngeren haben ihre Work-Life-Balance und ganz andere Möglichkeiten. Ein Job von Montag bis Freitag ist ja viel attraktiver. Hätt' ich auch gern", sagt sie lächelnd. Ihr Arbeitgeber, die Diakonie, ist froh, dass sie bleibt - ein neuer Arbeitsplatz für sie war schnell gefunden.
In einem Pflegeheim im niedersächsischen Wilstedt arbeiten mehrere Kolumbianer. Einigen von ihnen droht die Abschiebung, das hätte aber auch Konsequenzen für das Pflegeheim, möglicherweise sogar die Schließung.25.11.2024 | 1:53 min
Täglich Anfragen nach Pflegeplätzen
Haus Matthäus hat jetzt viele leere und wenige belegte Zimmer. In einem sitzt Thomas Ohmer. Den Umzugsstress kommentiert er mit typisch Hamburger Understatement: "Das ist nicht schön!"
Ich hab' mich grad eingelebt und muss jetzt schon wieder raus.
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Thomas Ohmer
Der Nachbar ist schon ausgezogen, zeigt Simona Freyberg: Im Zimmer nebenan steht nur noch ein Pflegebett. "Es hat noch nicht jeder mitbekommen, dass wir schließen."
Wir haben jeden Tag Anfragen. Jeden Tag! Und wir müssen immer Nein sagen.
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Simona Freyberg, Stationsleiterin
Gleich drei Pflegeheime schließen in Hamburg, obwohl die Zahl der Pflegebedürftigen seit Jahren steigt. Und obwohl die Hansestadt vor kurzem ihre Anforderungen an die Fachkräftequote gesenkt hat. Das heißt: Heime könnten mit einer geringeren Zahl von examinierten Fachkräften arbeiten.
Wo Entlastung in der Pflege fehlt
"Ein Schritt in die richtige Richtung", sagt Jan Hell, der Heimleiter, "jetzt können wir mit 40 Prozent examinierten Fachkräften und 20 Prozent zweijährig ausgebildeten Kräften unsere Arbeit tun." Aber selbst die geringere Quote ist schwer zu erfüllen.
Die Quote soll die Qualität der Pflege sichern. Das gelänge aber auch mit weniger examinierten Pflegekräften, meint Jan Hell, wenn sie anderswo entlastet würden, zum Beispiel bei der Bürokratie. Auch die schnellere Anerkennung von Abschlüssen ausländischer Kolleginnen würde helfen. Wenn aber alles so bleibt, wie es ist, verschärft sich die Lage, meint Jan Hell.
Von 16.000 Pflegeplätzen in Hamburg stehen zurzeit 3.000 leer. Langfristig wissen wir noch nicht mal, ob wir eine Quote von 30 Prozent examinierten Fachkräften hinkriegen.
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Jan Hell, Heimleiter Haus Matthäus
Viele Mitarbeiter aus dem Ausland
Mehr Pflegefachkräfte bei weniger Nachwuchs? Das geht nur mit Leuten wie Melike Ümit. Die junge Türkin zog aus Antalya her, um eine dreijährige Ausbildung im Pflegeheim des Heiliggeist Hospitals zu machen.
Von rund 900 Mitarbeitern hier sind über 20 Prozent nicht deutsche. "In der Pflege haben wir viele ausländische Kräfte," erzählt Melike Ümit. "Unsere Pflegeschule unterstützt auch bei Sprachbarrieren. Wir haben auch einen Deutschkurs."
Mit der 92-jährigen Ingrid Rotbart kann sie beim Spazierengehen schon ganz gut plaudern. Die alte Dame ist dankbar, dass es Menschen wie Melike Ümit gibt. Denn Pflege ist mehr als ein Job. "Das muss vom Herzen kommen, sonst geht es nicht. Sie müssen schon ein bisschen Liebe entgegenbringen." Sie blickt Melike an. Man merkt: Die beiden mögen sich.
Leere Betten, weil kein Personal da ist: Besuch in einer Pflegeeinrichtung in Thüringen.29.10.2024 | 3:25 min
Betreutes Wohnen wird ausgebaut
"Kleine Stadt für Senioren" nennt sich Heiliggeist. Die "Kleine Stadt" wächst, besonders im Betreuten Wohnen. Da braucht es nicht so viele Fachkräfte. Pflegefachkraft-Azubis wie Melike Ümit kann das Hospital halten, weil es die Fachkraft-Not zum Vorteil für Azubis machte: Für eine Pflegestation gab es nicht genügend Fachkräfte - dort sind nun günstige Wohnungen für Azubis.
Ob es nur so gelingt, Auszubildende zu gewinnen? "Ja, das ist der wichtigste Punkt", sagt Melike Ümit.
Stationsleiterin: "Da wurde was verschlafen"
Im Speisesaal des Haus Matthäus hängt noch die Glitzer-Deko von der Abschiedsfeier. Eine super Stimmung war es, sagt Simona Freyberg. Was nun bleibt, ist Ärger, dass es so weit kommen musste.
Der demografische Wandel, den hab' schon ich in der Schule gelernt, und das ist schon eine Weile her. Da wurde was verschlafen.
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Simona Freyberg, Stationsleiterin
Sie meint, in der Politik der Pflege müsse sich was ändern. Denn die Fachkräftequote ist gut gemeint, sie soll Qualität der Pflege sichern. Aber immer häufiger verhindert sie, dass es überhaupt Pflege gibt.
Britta Hilpert ist Leiterin des ZDF-Studios in Hamburg.
Quelle: dpa
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