Ärztin: Abtreibungen sind "immer noch schambehaftet"

    Interview

    Bundestag berät Paragraf 218:Ärztin: Abtreibung "immer noch schambehaftet"

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    Der Bundestag berät, ob Abtreibungen legal werden sollen. Die Berliner Ärztin Jana Maeffert ist dafür. Denn dass Abtreibungen noch strafbar sind, verstärke Schamgefühle.

    Demo für die Legalisierung von Abtreibungen
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    ZDFheute: Sie unterstützen den neu eingebrachten Vorschlag, den Paragrafen 218 aus der Strafbarkeit zu bekommen. Warum?
    Jana Maeffert: Weil ich glaube, dass es ein erster Schritt ist und ein Umdenken der Gesellschaft. Zudem ist es ein Recht, in der ersten Phase der Schwangerschaft zu entscheiden, ob diese Schwangerschaft weitergehen soll oder nicht. Es gibt eine ganz andere gesellschaftliche Akzeptanz, wenn etwas rechtmäßig ist.

    Es ist dein Recht, etwas zu entscheiden über deinen Körper, über dein Leben, wie es weitergeht.

    Jana Maeffert, Gynäkologin

    Jana Maeffert ist Gynäkologin und begleitet in ihrer Praxis in Berlin rund 500 Frauen im Jahr bei einem Schwangerschaftsabbruch. Sie engagiert sich bei "Doctors for choice", einem deutschlandweiten Netzwerk von Ärzten, Ärztinnen und Medizinstudierenden, das sich für einen selbstbestimmten Umgang mit Familienplanung einsetzt.

    ZDFheute: Was genau macht es mit ihren Patientinnen, wenn so ein Paragraf im Strafgesetzbuch verankert ist?
    Maeffert:

    Der Schwangerschaftsabbruch ist in unserer Gesellschaft immer noch wahnsinnig schambehaftet und schuldbehaftet.

    Jana Maeffert, Gynäkologin

    Das ist etwas, das die Patientinnen auch mitbringen. Ich glaube, dass es einen Unterschied macht, ob man solche Hürden aufbaut, wie die Beratungspflicht, die Wartezeit, die Kostenübernahme.
    Denn das ist auch ein Riesenpunkt, der sich dann verändern würde, wenn der Antrag abgestimmt wird: dass die Krankenkassen bezahlen. Auch das ist ein riesiger Schritt, dass Frauen nicht nochmal zur Krankenkasse gehen müssen, um einer fremden Person nochmals die Situation zu erklären, damit sie eine Kostenübernahme bekommen. Oder eben auch, es selber zahlen zu müssen.
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    ZDFheute: Für Sie als Medizinerin, was wäre der Idealfall für einen Schwangerschaftsabbruch?
    Maeffert: Das, was auch die WHO-Empfehlungen abbilden. Dass es keine Hürden gibt, die medizinisch nicht notwendig sind. Wir haben in Deutschland immer noch ganz viele Hürden, die ganz klar aus medizinischer und menschenrechtlicher Sicht nicht notwendig sind. Dazu gehört auch, warten zu müssen auf eine Therapie, zu der man sich schon längst entschieden hat.
    Mit der Wartezeit ist es so, dass man drei Tage warten muss nach der Pflichtberatung bis zum Abbruch. Und diese Wartezeit, auch wenn man sagt, es sind nur drei Tage, die kann manchmal einen Unterschied machen in der Versorgung. Weil wir zum Beispiel nicht jeden Tag operieren oder auch Termine nicht jeden Tag verfügbar sind.
    Oder das Beispiel: Eine Begleitperson ist vielleicht nicht jeden Tag verfügbar. Es kommt Weihnachten, es gibt Ferien, es gibt Kinder, die versorgt werden müssen. 60 Prozent aller ungewollt Schwangeren haben schon Kinder. Das sind alles so Dinge, wo eben so was wie eine Wartezeit eine Hürde sein kann, die Probleme macht.
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    ZDFheute: Hat die derzeitige Verankerung des Paragrafen 218 im Strafgesetzbuch auch Auswirkungen auf die Ausbildung in Bezug auf Schwangerschaftsabbrüche?
    Maeffert: Auf jeden Fall. Es hat Auswirkungen auf unser Gefühl als Ärztin und damit auch auf die Versorgungssituation und auch auf die Ausbildungssituation. Es ist im Moment so, dass 80 Prozent aller Schwangerschaftsabbrüche ambulant stattfinden von niedergelassenen Kollegen.
    Aber da wird nicht ausgebildet, sondern die Ausbildung findet in den Kliniken statt. Es gibt immer weniger Kliniken, die Abbrüche anbieten und dieses Auslagern aus den Kliniken, aus der Universität, das hat zur Folge, dass die jungen Kollegen das nicht mehr lernen.
    Das Interview führte Henriette de Maizière aus dem ZDF-Hauptstadtstudio.

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