Mehrwertsteuer auf Lebensmittel: Was Scholz' Idee brächte
FAQ
Weniger zahlen für Lebensmittel:Was brächte Scholz' Mehrwertsteuer-Idee?
von Oliver Klein
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Statt 7 künftig 5 Prozent Mehrwertsteuer für Lebensmittel schlägt Kanzler Scholz vor. Was würde das in der Praxis bringen - und was halten Ökonomen davon?
Die Mehrwertsteuer auf Lebensmittel soll sinken und die Verbraucher entlasten - wenn es nach Kanzler Scholz geht.
Quelle: dpa
Um Menschen mit geringem Einkommen den Einkauf zu erleichtern, hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) eine Senkung der Mehrwertsteuer für Lebensmittel auf 5 Prozent ins Spiel gebracht. Was will er damit erreichen? Wie groß wäre der Effekt tatsächlich - und was halten Ökonomen von dem Vorschlag? ZDFheute klärt die wichtigsten Fragen.
Was genau schlägt Scholz vor?
In den ARD-Tagesthemen sagte Scholz am Dienstagabend:
Trotz des Rückgangs der Energiekosten würden viele die Inflation noch stark spüren. "Da geht es um Lebensmittel, das, was man im Supermarkt an der Kasse zahlen muss. Und da sind einige schon ganz schön erstaunt, was da an Geld zusammenkommt für den Korb, den sie da gefüllt haben", sagte der SPD-Politiker.
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Wie ist die Mehrwertsteuer für Lebensmittel derzeit geregelt?
Für welche Lebensmittel der volle und für welche der ermäßigte Steuersatz fällig wird, ist überaus kompliziert. Derzeit beträgt der Mehrwertsteuersatz für Grundnahrungsmittel wie Obst, Gemüse, Milch und Milchprodukte sowie Backwaren 7 Prozent. Bei vielen verarbeiteten Produkten und auch bei den meisten Getränken, einschließlich Cola, Limo oder alkoholhaltigen Getränken wird der volle Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent fällig. Ausnahme: Stilles Wasser hat einen vergünstigten Mehrwertsteuersatz. Ausnahme von der Ausnahme: Sprudelwasser wiederum wird mit 19 Prozent besteuert.
Ähnlich paradox ist es beim Kaffee: Ein normaler trinkfertiger Kaffee im Laden wird mit dem vollen Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent berechnet. Für Kaffee mit mindestens 75 Prozent Milchanteil - wie etwa Latte Macchiato - wird nur der ermäßigte Steuersatz fällig. Auch für Essen in der Gastronomie fällt seit dem 1.1. 2024 wieder der volle Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent an, nachdem er im Zuge der Corona-Krise herabgesetzt worden war.
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Wie viel Ersparnis brächte Scholz' Vorschlag?
Zunächst einmal ist es zumindest fraglich, ob die Industrie und der Handel die Ersparnis in vollem Umfang an die Verbraucher weitergeben würde. Wenn es so wäre, dann würden einzelne Waren um einige Cent günstiger. Beispiel: Ein Liter Vollmilch, der aktuell 1,05 Euro kostet, wäre mit 5 Prozent Mehrwertsteuer 2 Cent billiger.
Ein hypothetischer Einkauf für 50 Euro, bei dem alle Waren nur dem ermäßigten Steuersatz von 7 Prozent unterliegen, enthält also 3,37 Euro Mehrwertsteuer. Dieselben Waren würden mit 5 statt 7 Prozent Mehrwertsteuer nur 49,07 Euro kosten - eine Ersparnis von 93 Cent. Tatsächlich jedoch ist in der Regel ein gewisser Teil der Waren bei jedem Einkauf mit 19 Prozent Mehrwertsteuer belegt - die Einsparung dürfte im Endeffekt also noch geringer ausfallen.
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Welche Reaktionen gibt es auf den Vorschlag?
Die Union lehnte den Vorschlag umgehend ab. "Es macht jetzt natürlich keinen Sinn, wenige Tage vor der Wahl sozusagen mit Wahlgeschenken um die Ecke zu kommen", sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Thorsten Frei, den Sendern RTL und ntv.
Der Handelsverband Deutschland (HDE) sprach von einem "ineffizienten Instrument zur Verwirklichung sozialer oder ökologischer Ziele, da sie für den Staat mit beträchtlichen Kosten verbunden sind."
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Finanzwissenschaftler Friedrich Heinemann vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) bezeichnete eine Ermäßigung von 7 auf 5 Prozent als teuer und wenig treffsicher. "Es stimmt zwar, dass Lebensmittel im Warenkorb ärmerer Haushalte wichtiger sind", sagte Heinemann am Mittwoch der Nachrichtenagentur Reuters. "Dennoch gibt es große Mitnahmeeffekte im Mittelstand und bei den Wohlhabenden, sie alle würden davon profitieren."
Nach den Worten von ING-Chefvolkswirt Carsten Brzeski würde eine Mehrwertsteuersenkung auf Lebensmittel einkommensschwachen Haushalten helfen. "Für sie machen die Lebensmittel ja einen relativen höheren Anteil an den Gesamtausgaben als bei einkommensstarken Haushalten", sagte Brzeski. Notwendig sei eine strukturelle Stärkung der Kaufkraft. "Das würde man mit dem Vorschlag erreichen."
Mit Material von KNA, Reuters, dpa
Quelle: ZDF
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