Baden-Württemberg: Özdemir will Ministerpräsident werden

Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir will Ministerpräsident von Baden-Württemberg werden. Der 58-jährige Grünen-Politiker kündigte an, dass er sich um die Spitzenkandidatur bei der Landtagswahl im Frühjahr 2026 bewerben werde - und damit um die Nachfolge von Winfried Kretschmann, dem bisher einzigen Regierungschef der Grünen. 

"Ich mach's. #2Ö26 will ich Ministerpräsident meiner wunderbaren Heimat werden", erklärte Özdemir über die Kurzmitteilungsplattform X. 

Dabei war es längst nicht mehr die Frage, ob Özdemir antritt, sondern wann. Eineinhalb Jahre bleiben ihm, um die Weichen zu stellen, damit die Grünen auch nach der nächsten Landtagswahl den Ministerpräsidenten im Südwesten stellen. Doch welche Chance hat Özdemir?

Als gebürtiger Schwabe ist Cem Özdemir schon lange eng mit Baden-Württemberg verbunden. Der Grünen-Politiker ist hier geboren, sein Bundestagswahlkreis liegt in Stuttgart und immer wieder betont er seine Verbundenheit, gerne auch mal mit einem Selfie aus dem Stadion. Wer dem 58-Jährigen zuletzt zusah, konnte den Eindruck gewinnen, dass er sich für seine künftige Rolle schon einmal warmläuft:

Ein gemeinsamer Besuch mit Ministerpräsident Winfried Kretschmann in Ludwigsburg, eine Stippvisite bei Bauern oder ein Auftritt in einer regionalen Politsendung, immer wieder zog es Özdemir auf die Bühnen im Ländle.

Zudem scheint der Grünen-Realo der einzig logische Nachfolger des seit 2011 regierenden Kretschmann zu sein. Doch zur Wahrheit gehört auch: Neben dem Grünen-Urgestein hatten es andere zuletzt schwer, sich zu profilieren und hervorzustechen. Gleichzeitig verbaute sich Boris Palmer seinen Weg selbst, andere wurden nicht gefördert.

Erfahren, diskussionsfreudig und nicht auf die Grünen-Ideologie beharrend: Ähnlich wie Kretschmann sucht Özdemir auch abseits des Parteibuchs nach Lösungen und gilt als wirtschaftsnah.

Zudem bringt der bisherige Bundeslandwirtschaftsminister eines mit: den Promi-Faktor. Längst hat Özdemir gezeigt, dass er im Wahlkampf die Marktplätze füllen kann. Sein möglicher Kontrahent, CDU-Politiker Manuel Hagel, hat bisher keine überzeugende Bekanntheit erlangt. Doch um das zu ändern tourt der junge und konservative Fraktionsvorsitzende fleißig durchs Ländle. Er ist ehrgeizig, konnte den zerstrittenen CDU-Landesverband einen und hat gute Chancen.

So muss auch Özdemir einsehen, dass die "Operation Ministerpräsident" eine Mammutaufgabe wird. Beispiel: Ampel-Politik. Die Arbeit und der schlechte Ruf der Dreier-Konstellation schrecken viele im Südwesten ab.

Dass der Grünen-Politiker Özdemir als Minister in Berlin Teil des Problems ist, macht es nicht einfacher - auch nicht die verkorkste Diskussion um den Agrardiesel, die vor allem Bauern aufbrachte.

So fühlen sich abseits der Städte viele Menschen nicht mehr gehört oder finden die Grünen zu moralisch. Genau bei dieser wichtigen Wählerschaft erlebte die Partei bei den letzten Kommunal- und Europawahlen eine herbe Klatsche.

Dazu kommt das Thema Migration. Özdemir hatte sich zuletzt versucht zu positionieren und sprach in einem Gastbeitrag über Probleme mit der Asylpraxis. Demnach fordert der Grünen-Politiker auch ein "mutiges" Vorantreiben der bestehenden Migrationsregeln und eine klarere Trennung zwischen Asyl und Arbeitsmigration. Er räumt dem Thema höchste Priorität ein. Doch es wird schwierig, die eigene Basis zu einen.

Auch viele junge Grünen-Wähler, die zuletzt eine offene Migrationspolitik forderten und eigentlich wegen Klimathemen in die Partei kamen, werden genau hinschauen, was für sie noch geboten wird.

Und als wären die Voraussetzungen nicht schon schwer genug, hakt es auch noch bei der Wirtschaft. Das Rückgrat Baden-Württembergs, die wichtige Autoindustrie, ächzt unter den Folgen der Transformation, bei Hunderttausenden Arbeitnehmern geht die Existenzangst um.

Laut einer Umfrage von "Infratest dimap" stehen die Grünen im Südwesten so schlecht dar, wie seit 2010 nicht mehr. Demnach käme die einstige Ökopartei nur auf 18 Prozent, die CDU hingegen auf 34, die AfD auf 16.

Trotz allem: Auch Kretschmann gelang es, die Stimmung nach schlechten Umfragen zu drehen - und eine Bundestagswahl steht vorher auch noch an. In einem Brief an die Menschen in Baden-Württemberg gibt sich Özdemir entschlossen: