Bundestagswahl 2025: Welche Auswirkungen Nichtwählen hat

    Welche Folgen Nichtwählen hat:So viel Gewicht hat Ihre Stimme

    von Sophia Diesler
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    Rund 20 Prozent der Wahlberechtigten in Deutschland gehen nicht zur Wahl. Wer sind diese Nichtwähler und welche Folgen hat das für die Parteien, die Bevölkerung und die Demokratie?

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    Mit dem Recht zu wählen, kann jeder aktiv Einfluss auf die Politik nehmen. Doch vergangene Wahlen haben gezeigt: Viele verzichten selbst bei der Bundestagswahl auf diese Möglichkeit. Die Gründe dafür sind vielfältig: Protest, politisches Desinteresse, Resignation oder schlichtweg Zeitmangel.

    Einkommen und Bildung entscheiden über Wahlverhalten

    Die Wahrscheinlichkeit, sich für oder gegen die Stimmabgabe zu entscheiden, hängt zu großen Teilen von sozialstrukturellen Faktoren ab. Wer eine geringe Bildung und wenig Einkommen hat, geht Forschenden zufolge seltener zur Wahl als ein einkommensstarker Mensch mit hohem Bildungsabschluss.
    Der Politikwissenschaftler Karl-Rudolf Korte sagt:

    Diejenigen, die weniger verdienen, sind in der Regel auch die, die nicht wählen gehen.

    Karl-Rudolf Korte, Professor an der Universität Duisburg-Essen

    Das Geschlecht ist dagegen kaum entscheidend: Es gibt nur etwas mehr Nichtwählerinnen als Nichtwähler. Auch das Alter spielt laut Korte nur eine untergeordnete Rolle.
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    Allerdings gibt es, was der Politikwissenschaftler den "Zeitadel" nennt: Rentnerinnen und Rentner, die über viel Zeit verfügen und regelmäßig wählen gehen. Sie machen rund 40 Prozent der Wahlberechtigten in Deutschland aus und sind in der Gruppe der Wählenden besonders dominant.

    Nichtwählen verändert das Gewicht der Stimmen

    Je höher die Wahlbeteiligung, desto eher entspricht eine abgegebene Stimme einer wahlberechtigten Person. Das Ergebnis repräsentiert dann alle Wahlberechtigten in der Bevölkerung.
    Hätte man eine Wahlbeteiligung von 100 Prozent, entspräche jede Stimme rechnerisch genau einer Person. Heißt im Umkehrschluss: Je weniger Menschen wählen gehen, desto mehr gewinnt jede einzelne Stimme - im übertragenen Sinn - an Gewicht.
    So wirkt sich Nichtwählen aus: Je niedriger die Wahlbeteiligung, desto mehr gewinnt jede abgegebene Stimme – im übertragenen Sinn – an Gewicht. Das Wahlergebnis ist dann nicht mehr repräsentativ für die wahlberechtigte Bevölkerung. Ein Beispiel: Bei der Bundestagswahl 1972 betrug die Wahlbeteiligung 91,1 Prozent. Das Gewicht einer Stimme entsprach dadurch 1,09 Stimmen. Bei der Bundestagswahl 2009 lag die Wahlbeteiligung nur bei 70,8 Prozent. Das Gewicht einer Stimme entsprach dadurch schon 1,41 Stimmen.

    Bevölkerungsgruppen können in den Hintergrund geraten

    Bei geringer Wahlbeteiligung können soziale Gruppen unterrepräsentiert sein. Das zeigt ein hypothetisches Rechenbeispiel: Von 100 Wahlberechtigten sind 20 Menschen jünger als 30 Jahre. Davon gehen aber nur fünf zur Wahl. Dadurch bekommen Parteien, die die Interessen dieser jungen Gruppe vertreten, weniger Stimmen.
    Auf diese Weise fördert Nichtwählen die soziale und politische Ungleichheit. Nichtwählerinnen und -wähler spielen in der Demokratie erst einmal keine Rolle. Sie haben keine Vertretung im Parlament, keine Lobby und "Politik wird in der Regel dann zu ihren Lasten gemacht", so Prof. Korte.
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    Bei der Bundestagswahl gilt das Prinzip: allgemein, unmittelbar, frei, gleich und geheim. Das heißt, grundsätzlich besitzen alle deutschen Bürgerinnen und Bürger Stimmrecht - unabhängig etwa von Geschlecht, Religion oder politischer Überzeugung.
    Um wahlberechtigt zu sein, müssen allerdings folgende Kriterien erfüllt werden: 

    • Die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen.
    • Zum Zeitpunkt der Wahl volljährig sein.
    • Seit mindestens drei Monaten in Deutschland wohnen.
    • Nicht vom Wahlrecht ausgeschlossen sein, zum Beispiel aufgrund eines Gerichtsurteils.

    Wer als Deutsche oder Deutscher im Ausland lebt, darf ebenfalls wählen - muss vorher aber einen schriftlichen Antrag stellen, um ins Wählerverzeichnis aufgenommen zu werden.
    Auch für diese sogenannten Auslandsdeutschen gelten bestimmte Voraussetzungen, um wählen zu dürfen:

    • Nach dem 14. Lebensjahr mindestens drei Monate ununterbrochen in Deutschland gewohnt haben. Der Aufenthalt darf nicht länger als 25 Jahre zurückliegen.
    • Aus anderen Gründen persönlich und unmittelbar mit der Politik in Deutschland vertraut und von ihr betroffen sein. Wie zum Beispiel deutsche Staatsangehörige, die in einer deutschen Auslandsvertretung oder für eine deutsche Tageszeitung im Ausland arbeiten.

    Demokratie bedeutet Teilhabe

    Teilhabe und Teilnahme sind wichtig für eine Demokratie, betont der Politikwissenschaftler. Menschen, die nicht zur Wahl gehen, verpassen die Möglichkeit, Einfluss auf die Politik und die Entwicklung des eigenen Landes zu nehmen.

    Demokratie ist kein Hotel, in das man einfach so einzieht und sich bedienen lässt. Demokratie ist kein Lieferservice. Man muss mitmachen – wählen gehen, um Einfluss nehmen zu können auf das, was passiert.

    Karl-Rudolf Korte, Politikwissenschaftler

    Kleine Parteien können profitieren

    Gehen weniger Menschen wählen, wird es theoretisch leichter, die Fünf-Prozent-Hürde zu knacken. Kleine Parteien können also unter Umständen von einer niedrigen Wahlbeteiligung profitieren.
    Nehmen beispielsweise 60 Millionen Menschen an der Wahl teil, benötigt eine Partei drei Millionen Stimmen, um in den Bundestag einzuziehen. Gehen dagegen nur 40 Millionen Menschen zur Urne, reichen der Partei bereits zwei Millionen Stimmen.

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    Als Grund für diese hohe Wahlabsicht sieht Prof. Korte insbesondere die Polarisierung der Gesellschaft.

    In Gesellschaften, die durch große Themen aufgehetzt sind, die polarisiert sind und in denen intensiv öffentlich diskutiert wird, ist die Wahlbeteiligung höher.

    Karl-Rudolf Korte, Politikwissenschaftler

    Hinzu kommt eine Erwartungshaltung innerhalb der Bevölkerung, dass nach dem Aus der bisherigen Ampel-Koalition etwas Neues entstehen müsse: "Es geht um etwas, deshalb möchten sich viele einbringen", so Korte.
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