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Vernichtung, Umsturz, Hass:Die Geheim-Chats deutscher Neonazis
von Julius Geiler
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Neue Neonazi-Organisationen wie "Der Störtrupp" vernetzen sich in geschlossenen Chatgruppen. Viele Mitglieder haben Verbindungen zum Fußball. Was in den Chats zu lesen ist.
Der Tag beginnt beim "Störtrupp" meistens mit einem: "Guten Morgen, Kameraden". Früh um 5 Uhr trudeln die ersten Nachrichten in der Chatgruppe ein. Die Mitglieder wünschen sich einen schönen Tag, beklagen sich über schlechtes Wetter oder nervige Arbeitskollegen.
Der Chat kommt immer wieder wie eine gewöhnliche WhatsApp-Gruppe daher. Wäre da nicht das, was ebenfalls täglich zu lesen ist: Grenzenloser Hass, Vernichtungsfantasien, Umsturzpläne. Unterfüttert von ständigem Rassismus, Antisemitismus, NS-Verherrlichung und Homophobie.
"Jung&Stark", "Deutsche Jugend Voran", "Der Störtrupp": ZDF liest mit
Dem ZDF ist es gelungen, seit mehr als einem halben Jahr in verschiedenen geschlossenen Chat-Gruppen neu entstandener Neonazi-Organisationen mitzulesen. Entstanden ist eine Datensammlung aus Fotos, Videos und Textnachrichten, anhand derer sich nachvollziehen lässt, welche konkreten Ziele die neuen rechtsextremen Gruppen verfolgen, wie Mitglieder rekrutiert werden und auf welche Art und Weise sie miteinander vernetzt sind.
Im vergangenen Sommer entstehen überall in der Bundesrepublik Neugründungen im rechtsextremen Spektrum. Die Gruppen nennen sich "Jung&Stark", "Deutsche Jugend Voran" oder "Der Störtrupp". Einige sind deutschlandweit aktiv, andere nur regional.
Verbindungen zu Dortmunder Neonazi-Szene der Partei "Die Rechte"
Gemeinsam haben sie ihre meist sehr jungen Mitglieder, die zu Beginn vor allem durch Gegendemonstrationen zu Pride-Veranstaltungen aufgefallen sind. Nach ZDF-Recherchen treffen beim "Störtrupp" altgediente Neonazi-Kader mit jungen, teils minderjährigen Mitgliedern aufeinander. Von Beginn an für den "Störtrupp" aktiv waren untere anderem mehrere Akteure, die der Dortmunder Neonazi-Szene der Partei "Die Rechte" zuzuordnen sind.
Quelle: ZDF/finally
Seit vergangenem Sommer entstehen in der Bundesrepublik neue rechtsextreme Jugendgruppen. Wie gefährlich sind sie? Mehr dazu im Doku-Format "Die Spur" - heute um 22:45 im ZDF.
Die Hierarchien in der Gruppe sind klar verteilt. Die Bundesrepublik ist in die Regionen Nord, Süd, Ost und West aufgeteilt. Für jede Region gibt es eine einzelne WhatsApp-Gruppe, die von den jeweiligen Leitungspersonen überwacht und kontrolliert wird.
Für die generelle Aufnahme sind die Deutschland-Chefs des "Störtrupps" verantwortlich. Sie überprüfen neue Mitglieder, entscheiden, zu welchen Demonstrationen gefahren wird und organisieren Wandertage. Die Sorge vor strafrechtlicher Verfolgung durch die Sicherheitsbehörden ist in den Gruppen groß.
Antisemitismus, Rassismus, Fotos von Messern und Schusswaffen
Auch sich selbst löschende Dateien konnten vom ZDF ausgelesen werden. Immer wieder werden auch Fotos von Waffen, wie Messer und Schusswaffen, in den Chat geschickt.
30. Juli 2024: Ein anderes Mitglied fotografiert einen Arbeitskollegen mit Migrationshintergrund von hinten. Er richtet eine Schusswaffe auf ihn. "Scheiß Kanacke haha", ist darunter zu lesen.
04. August 2024: Ein Mitglied schickt ein Foto von Adolf Hitler in den Chat. "Jude Nacht", steht darunter.
Verbindungen in Kurven deutscher Fußballvereine
Viele der Mitglieder haben nach ZDF-Recherchen Verbindungen in die Kurven deutscher Fußballvereine. Beim "Störtrupp" unter anderem zu Alemannia Aachen oder dem MSV Duisburg. Bei "Deutsche Jugend Voran" und "Jung und Stark" zu Union Berlin und Hertha BSC.
Im Oktober 2024 kam es zur Großrazzia der Berliner Polizei gegen Mitglieder beider Gruppen. Einer der Anführer, Julian M., sitzt seitdem in Untersuchungshaft. Ihm werden laut Anklage diverse Gewalttaten auf politische Gegner vorgeworfen.
Von der Razzia im Herbst nicht betroffene Mitglieder von "Jung&Stark" tauschten sich im Anschluss über den Polizeieinsatz in ihren Chats aus. "Sollten die meine Bude stürmen, geht meine Bude hoch. Hier liegen jetzt Bomben", sagt der Rechtsextremist in einer Sprachnachricht. Nur eines von dutzenden Beispielen, dass die meisten Mitglieder der Neonazi-Gruppen vor Gewalt nicht zurückschrecken.
Quelle: dpa
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