MPK-Treffen zu Migration: Bayern und Sachsen scheren aus

    Bund-Länder-Treffen:Migration: Wie die Union auseinanderdriftet

    Kristina Hofmann
    von Kristina Hofmann
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    Nach dem Migrations-Gipfel herrscht Harmonie: Bund und Länder zeigen sich einig. Obwohl nicht viel Neues beschlossen wurde. Wenn da nicht das Kleingedruckte wäre: Zwei sind sauer.

    Berlin, 06.03.2024: Ministerpräsidentenkonferenz
    Bund und Länder ziehen Zwischenbilanz zur Umsetzung der Asyl-Beschlüsse von November. Kanzler Scholz sieht die Veränderungen auf einem guten Weg – man müsse aber "dran bleiben".06.03.2024 | 2:24 min
    So unterschiedlich sind die Sichtweisen. Und das Gefühl für Geschwindigkeit.
    Nach anderthalb Stunden ist das Treffen zwischen den Ländern und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zum Thema Migration schon beendet, und alle scheinen zufrieden. Auch Hessens CDU-Ministerpräsident Boris Rhein, der die unionsgeführten Länder vertritt. Jedenfalls sagt er das bei der Pressekonferenz: "Wir haben sehr viel auf den Weg gebracht." Sogar das:

    Ich hätte mir nicht träumen lassen, dass wir so viel hinbekommen.

    Boris Rhein (CDU), Ministerpräsident von Hessen

    Kanzler Scholz schwärmte von den "weitreichendsten Veränderungen in den letzten 20 bis 25 Jahren".
    Rheins Kollege aus Bayern, Markus Söder (CSU), sieht das offensichtlich völlig anders. Er ist bei der Pressekonferenz nach dem Treffen zwar nicht dabei, hat aber zu den Beschlüssen des Treffens eine klare Meinung, die er auf der Plattform X verbreitet.

    Das reicht nicht: Die heutige MPK war wieder nur eine Bestandsaufnahme und hat nichts Neues gebracht.

    Markus Söder (CSU), Ministerpräsident von Bayern

    Christopher Wehrmann spricht mit Joachim Stamp
    Eine Obergrenze sei rechtlich nicht möglich, so Joachim Stamp (FDP), der Regierungsbeauftragte für Migrationsabkommen. Er verstehe aber den Wunsch, die Zahlen zu reduzieren 07.03.2024 | 4:28 min

    Kein Wort zur Obergrenze oder Bürgergeld

    Seit Monaten versuchen Bund und Länder, die Zahl der geflüchteten Menschen in Deutschland zu senken. Zwar nimmt sie leicht ab - im Januar ist die Zahl der Asylanträge im Vergleich zu Januar 2023 um 9,3 Prozent gesunken - auf 26.376. Hochgerechnet könnten dieses Jahr wieder rund 300.000 Menschen kommen. Im Sommer ist zudem wieder mit steigenden Zahlen zu rechnen. Vor allem die Kommunen stöhnen, weil Unterkünfte nur schwer zu organisieren sind. Außerdem fehlen Kitaplätze und Integrationshelfer in Schulen.
    Asylanträge pro Jahr

    ZDFheute Infografik

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    Abhilfe soll das Maßnahmenpaket schaffen, auf das sich Bund und Länder im November geeinigt hatten. Nach Meinung der CDU-Länder läuft die Umsetzung zu schleppend. Vor allem, dass die Prüfung zur Verlagerung von Asylverfahren auf Drittstaaten wie Ruanda erst im Sommer vorliegen soll. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer hatte außerdem eine Obergrenze von 50.000 bis 60.000 Menschen pro Jahr vorgeschlagen. Auch war die Rede davon, dass ukrainische Geflüchtete kein Bürgergeld, sondern Leistungen wie Asylbewerber bekommen sollen.
    Über all das steht in den Beschlüssen nichts drin.
    Hendrik Wüst bei der ZDF-Sendung Moma, aufgenommen am 06.03.2024
    "Der Druck bleibt unglaublich groß" erklärt Hendrik Wüst (CDU), Ministerpräsident von NRW über die momentane Asylpolitik. "Den kriegen wir nicht wegverwaltet." 06.03.2024 | 7:07 min

    Faeser bekommt Frist bis 20. Juni

    Wirklich neu sind folgende Punkte:
    • Das Bundesinnenministerium muss die Prüfung, ob Asylverfahren in Drittstaaten ausgelagert werden können, schon bis 20. Juni vorlegen. Ursprünglich war von Sommer die Rede, die Unionsländer hatten deswegen vermutet, Innenministerin Nancy Faeser (SPD) wolle den ganzen Prozess verschleppen. Am 20. Juni wollen die Länder mit Kanzler Scholz wieder zusammensitzen.
    • Die Einigung für die bundeseinheitliche Bezahlkarte steht. Bislang hatten sich die Grüne in der Ampel-Koalition dagegen gewehrt, dafür das Asylbewerberleistungsgesetz zu ändern, weil die Länder ja schon jetzt eine solche Karte einführen könnten. Diesen Widerstand hat Scholz offensichtlich abräumen können. Sie soll nun nach einheitlichen Kriterien an den Start gehen. Wann? Boris Rhein hätte gerne ein konkretes Datum genannt, spricht auch jetzt von: Sommer.
    So viele Flüchtlinge leben in Deutschland

    ZDFheute Infografik

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    Alle anderen Beschlüsse vom November sind noch in Arbeit, so könnte man das elfseitige Papier zusammenfassen. Für die Digitalisierung der Verfahren gibt es eine Arbeitsgruppe. Über Migrationsabkommen und die Rückführung ausreisepflichtiger Menschen wird mit anderen Ländern verhandelt. Die Integration auf dem Arbeitsmarkt soll erleichtert werden, Frist für den konkreten Vorschlag: 20. Juni.
    Natürlich, sagt Ministerpräsident Rhein, "es könnte noch mehr sein." Aber: "Man muss doch realistisch bleiben." Gerade die Drittstaaten-Regelung sei ein "komplexes Thema", da gehe "Sorgfalt vor Schnelligkeit". Stephan Weil aus Niedersachsen, der die SPD-Länder vertritt, sprach von einem "grundsätzlichen Wechsel". Ein schnelles Sinken der Zahlen sei nicht "binnen Monatsfrist" zu erreichen. Und Kanzler Scholz fasst seine Zufriedenheit so zusammen:

    Große Aufgaben, gute Zusammenarbeit, ein gutes Zeichen für unser Land, dass wir in einer so schweren Herausforderung gemeinsam zusammenstehen.

    Olaf Scholz (SPD), Bundeskanzler

    Flüchtlingsunterkünfte in Thüringen
    Flüchtlingsunterkünfte in Thüringen sind seit Monaten voll und teils überfüllt. Und die Lage spitzt sich weiter zu, jeden Tag kommen im Schnitt 36 Schutzsuchende an. 06.03.2024 | 2:41 min

    Protokollnotiz: Ärger steckt im Kleingedruckten

    Der Ärger steckt offen im Kleingedruckten. Jedenfalls in den Protokollnotizen der Beschlüsse von diesem Mittwoch. Mehr als eine Seite in kleiner Schrift halten die Länder Bayern und Sachsen fest, dass sie auch nach dem Treffen weiter wenig von der Harmonie halten. Sie fordern einen "sofortigen und grundlegenden Richtungswechsel" der Migrationspolitik. Denn:

    Die politische Stabilität des Landes ist in Gefahr.

    Protokollnotiz von Bayern und Sachsen

    Ihr Vorwurf klingt nach dem Treffen wie zuvor: Die Bundesregierung verweigere "aus ideologischen Gründen" eine Begrenzung der Migration und setze die im November gefassten Beschlüsse "nur zögerlich oder nur unzureichend um". Weitere Vorschläge lägen auf dem Tisch, so etwa die Abschaffung des individuellen Asylrechts.
    Für Boris Rhein ist das aber offensichtlich alles nicht so schlimm. Es nütze ja nichts, wenn man sich zerstreite. "Wer gerne mehr möchte, macht eine Protokollerklärung und setzt es bei sich im Land um."
    Nur, dass das bei Bundesgesetzen oder der Änderung des Grundgesetzes eben nicht allein funktioniert.

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