Eine Studie des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung zeigt, dass viele Menschen mit Migrationsgeschichte sich im Wahlkampf nicht anerkannt fühlen. 24.01.2025 | 1:25 min
Migranten mit deutscher Staatsangehörigkeit wählen eher links, am ehesten die SPD. Diese Erkenntnis gilt unter Wahlforschern schon lange als gesichert. Auch eine neue Studie des Deutschen Instituts für Integrations- und Migrationsforschung bestätigt diesen Trend.
Die Untersuchung eröffnet jedoch erstaunliche Einblicke, die weit über pauschale Annahmen hinausgehen. Die Autoren richten den Blick auf "politische Problemwahrnehmungen, Alltagssorgen und Parteipräferenzen von Menschen mit Migrationshintergrund".
Potentiale der Parteien in migrantischen Milieus
Wahlentscheidungen werden dabei nicht im Stil der klassischen "Sonntagsfrage" ermittelt. Die Studie untersucht eher die Potentiale einzelner Parteien in migrantischen Milieus, die relativ grob in
EU (42,3 Prozent), "MENA-Region/
Türkei" (25,3 Prozent, MENA steht für Nahost und Nordafrika) sowie Migranten aus der "ehemaligen Sowjetunion" (12,4 Prozent) eingeteilt sind; alle anderen fallen unter "sonstige Länder".
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Dabei fällt auf, dass Sympathiewerte für die beiden Volksparteien
Union und
SPD nur minimal von denen der Wähler ohne Migrationshintergrund abweichen. Ausgerechnet die besonders migrationsfreundlichen
Grünen jedoch schneiden gerade bei Wählern in der Gruppe "MENA-Region/Türkei" schlechter ab als in der deutschen Mehrheitsgesellschaft.
Wirtschaft und Inflation bereiten Sorgen
Auch bei den Themen, die für Wähler ausschlaggebend sind, ergeben sich keine großen Unterschiede: Wirtschaft und
Inflation machen allen Sorge, auch wenn die Angst vor hohen Mieten, Kriminalität und sozialem Abstieg bei Menschen mit Migrationshintergrund in der Studie deutlicher erscheint.
Rechtsextremismus wird in der Gruppe der arabisch- oder türkischstämmigen Wähler stärker als Gefahr wahrgenommen als bei Spätaussiedlern aus der ehemaligen Sowjetunion oder in der Mehrheitsgesellschaft.
Aus all diesen Ergebnissen leiten die Autoren der Studie Handlungsempfehlungen an die Parteien ab: Sie sollten, etwa beim Thema
Nahost-Konflikt, "Sprachräume für unterschiedliche Perspektiven öffnen, um Menschen mit Migrationshintergrund ein politisches Angebot zu machen" und sie so in den Prozess der politischen Willensbildung zu integrieren. Was damit konkret gemeint ist, bleibt allerdings offen.
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Wahlbeteiligung unter Migranten nimmt offenbar zu
Zentral seien außerdem die Themen soziale Sicherung und innere Sicherheit. Im öffentlichen Diskurs, so die Studie, würden Migranten als "vorrangige Treiber von Kriminalität" wahrgenommen. Gleichzeitig hätten jedoch besonders Menschen mit Einwanderungsgeschichte die Sorge, Opfer einer Straftat zu werden. Ihr Sicherheitsgefühl werde zusätzlich durch "prekäre wirtschaftliche Umgebungen" und mangelnden Wohnraum belastet, die "oft mit einer höheren Kriminalitätsrate verbunden" seien.
Die beste Nachricht der Studie: Die traditionell sehr niedrige Wahlbeteiligung unter Migranten steigt offenbar deutlich an. Zwar gäben prozentual noch immer etwas weniger Einwanderer ihre Stimmen ab als Menschen ohne Migrationshintergrund. Diese Lücke aber schließe sich langsam, so die Untersuchung.
Frank Buchwald ist Korrespondent im ZDF-Hauptstadtstudio in Berlin.
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von Robert Meyer