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Mauerfall vor 35 Jahren:"Es war wie ein Tanz auf dem Vulkan"
von Stephanie Gargosch
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Vor 35 Jahren fiel die Mauer - die Hauptstadt feiert mit Gedenken, Plakaten und einem Konzert für Freiheit. Wie blicken Zeitzeugen zurück?
Sie stehen auf einem Dach im Bezirk Prenzlauer Berg, Berlin. So wie damals, als sie 21 und 19 Jahre waren, im Sommer und Herbst 1989, dem Wendejahr. Kat Menschik, eine der bekanntesten Illustratorinnen in Deutschland, und Maxim Leo, Autor.
"Damals, vor 35 Jahren," erzählt Menschik, "waren wir viel auf den Dächern unterwegs. Die Freunde, die mit mir im Haus wohnten und ich räumten Möbel hier hoch, natürlich alles vom Sperrmüll, und wir feierten, gingen aus."
Gleichzeitig spürten wir, dass sich etwas veränderte in der DDR, es war wie ein Tanz auf dem Vulkan, den wir tanzten.
Kat Menschik, Illustratorin
"Ja, ich war 19", ergänzt Maxim Leo, "war vielleicht so der erste total bewusste Stadtsommer und die ersten erotischen Erlebnisse auch auf den Dächern."
Zusammengebracht hat Kat Menschik und Leo ein Buchprojekt über eine Liebesgeschichte zwischen einem Jungen aus dem Westen und einem Mädchen im Osten Berlins, im Sommer 1989, auch eine Art des Gedenkens. "Also insofern war es, glaube ich, auch so ein bisschen so eine Rückschau auf den eigenen Jugendsommer."
35 Jahre friedliche Revolution
Die Hauptstadt feiert dies 2024 mit dem Aufruf: "Haltet die Freiheit hoch!" Es wird ein Konzert geben, mit 700 Musikern auf fünf Bühnen, die Titel von damals spielen, dazu ein Feuerwerk, Lesungen, Zeitzeugenberichte. Schon jetzt stehen entlang eines Teils des ehemaligen Mauerstreifens 5.000 Plakate, gestaltet von Menschen, die sich mit dem Thema Freiheit beschäftigt haben.
Die Zeitzeugin Brigitta Heinrich wiederum wird beim offiziellen Gedenken in der Kapelle der Versöhnung dabei sein. Unter anderem erinnern Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier dort an die Opfer der deutschen Teilung, dieses Mal mit Mitgliedern der Solidarnosc-Bewegung.
Zeitzeugin Brigitta Heinrich: "Ich konnte es nicht fassen"
"Ich war wie unter Schock", erinnert sich die ehemalige Lehrerin Brigitta Heinrich an den Moment, als sie 1989 von der Öffnung der Grenze erfuhr, "ich konnte es nicht fassen."
Aber ich war auch wütend, dass ich 21 Jahre lang wie eingesperrt hatte leben müssen. Als ich dann in den Westen gefahren bin, musste ich weinen.
Brigitta Heinrich
Euphorie lag damals in der Luft, so beschreiben es auch Kat Menschik und Maxim Leo und man sei neugierig gewesen auf den Westen. Die Illustratorin und der Schriftsteller fanden im vereinten Deutschland ihr Glück.
Freiheit und Demokratie auch heute bedroht?
"Aber", schränkt Leo ein, "viele wurden nicht mitgenommen. Und die Umstellung war halt so hart. Selbst bei meinen Eltern habe ich das gesehen."
Es gibt, glaube ich, eine Menge Leute, die nicht mehr so richtig wissen, wo sie hingehören, die ein Identitätsproblem haben.
Maxim Leo, Autor
Angesprochen auf die Gräben, die sich politisch und gesellschaftlich auch im Osten gebildet haben, sagt Kat Menschik: "Auch wenn sowieso viel gemeckert wird, finde ich, dass wir viel weniger Grund dazu hätten und uns eigentlich mal bewusst machen sollten, in welch guter Lage wir leben und die Dinge zu schätzen wissen, die wir haben."
"Freiheit und Demokratie sind auch heute leider keine Selbstverständlichkeit. Dabei ist doch das Wichtigste für den Menschen die Freiheit", meint Brigitta Heinrich. Am 9. November hat sie übrigens auch Geburtstag. Die Öffnung der Grenze damals, sei das schönste Geschenk gewesen.
Quelle: dpa
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