Lindner fordert in Grundsatzpapier "Wirtschaftswende"
Forderung nach Wirtschaftswende:Neuer Ampel-Streit durch Lindner-Papier?
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Finanzminister Lindner fordert in einem Papier eine "Wirtschaftswende" mit einer "teilweise grundlegenden Revision politischer Leitentscheidungen". Der Ampel droht neuer Streit.
In einem wirtschaftspolitischen Grundsatzpapier fordert Finanzminister Lindner eine "Wirtschaftswende". Die Union nutzt die Spannungen in der Ampel, um erneut Neuwahlen zu fordern.02.11.2024 | 1:47 min
Ein neues Grundsatzpapier von Finanzminister Christian Lindner (FDP) über eine Neuausrichtung der Wirtschaftspolitik droht den Streit in der Ampel-Koalition weiter anzuheizen.
In dem 18-seitigen Papier ohne Datum, das dem ZDF vorliegt, wird eine "Wirtschaftswende" gefordert mit einer "teilweise grundlegenden Revision politischer Leitentscheidungen", um Schaden vom Standort Deutschland abzuwenden. Eine Neuausrichtung der Wirtschaftspolitik könne das Vertrauen von Unternehmen und privaten Haushalten stärken, heißt es.
Wie ZDF-Korrespondent Wulf Schmiese erklärt, wolle Lindner mit dem Papier Aufmerksamkeit erreichen und "Druck erzeugen auf die konkreten Haushaltsverhandlungen" in der Ampel. Es werde medial bereits von einem "Scheidungspapier" geredet - allerdings mache der Finanzminister noch konkrete Vorschläge an die Koalitionspartner. Daher sei beides, ein Scheitern oder ein Fortbestehen der Ampel-Regierung, weiter möglich.
ZDF-Korrespondent Wulf Schmiese sagt, der Finanzminister mache das, weil er "maximalen Druck ausüben will auf seine Koalitionspartner“ in den abschließenden Haushaltsverhandlungen.01.11.2024 | 2:33 min
Reaktionen von den Koalitionspartnern
Die SPD-Bundestagsfraktion hat das Forderungspapier von Bundesfinanzminister Lindner (FDP) an die Ampel-Partner kritisiert. "Wir brauchen jetzt keine Papiere, sondern gemeinsames Handeln, um der Industrie schnell zu helfen und Sicherheit zu geben", sagte der arbeitsmarkt- und sozialpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Martin Rosemann, dem "Tagesspiegel". "Vor allem brauchen wir keine Opposition in der Regierung." SPD-Generalsekretär Matthias Miersch forderte die Koalition auf, für die Stabilisierung der Wirtschaft "konstruktiv und lösungsorientiert" zusammenzuarbeiten.
Der Grünen-Fraktionsvize Andreas Audretsch kritisierte das Lindner-Papier an die Ampel-Partner als "Nebelkerze". "Wichtiger wäre es, dass sich der Finanzminister um den Haushalt kümmert", sagte Audretsch dem Nachrichtenportal t-online. "Die Lindner-Lücke liegt schon jetzt im zweistelligen Milliardenbereich. Nun schlägt der Finanzminister vor, die Lindner-Lücke um einen weiteren hohen Milliarden-Betrag zu vergrößern." Das funktioniere in FDP-Beschlüssen, nicht in der Wirklichkeit.
Eher gelassen äußerte sich Grünen-Parteichef Omid Nouripour dazu. "Wir Grüne sind jederzeit bereit, ernst gemeinte Vorschläge der Koalitionspartner zum Wohle unseres Landes zu diskutieren", sagte Nouripour den Funke-Zeitungen. "Zum Ergebnis kommt man am Ende dann, wenn die Vorschläge der Ernsthaftigkeit der Lage gerecht werden."
Ein Sprecher des von Vizekanzler Robert Habeck geführten Wirtschaftsministeriums sagte über das Lindner-Papier gegenüber dem ZDF Hauptstadtstudio: "Wir haben das Papier zur Kenntnis genommen."
Mit Material von AFP
Lindner-Papier: Moratorium aller neuen Regulierungen
Der FDP-Chef erklärte in einem Schreiben an Parteikollegen, dass das Grundsatzpapier durch eine Indiskretion öffentlich geworden sei. Es habe "zunächst nur im engsten Kreis der Bundesregierung" beraten werden sollen.
Konkret ist in Lindners jetzigem Papier von einem sofortigen Moratorium zum Stopp aller neuen Regulierungen die Rede. Neue Gesetzesvorhaben sollten entweder ganz entfallen oder, wo dies nicht möglich sei, so ausgestaltet sein, dass Bürokratie und Regulierung durch das Vorhaben sinken und keinesfalls steigen. Genannt werden in diesem Zusammenhang zum Beispiel Pläne von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) für ein Tariftreuegesetz sowie das Lieferkettengesetz.
SPD-Chefin Saskia Esken sagt, dass aus den Gesprächen beim Industriegipfel des Kanzlers insgesamt "eine Wachstumsinitiative" herauskommen müsse, "die ein Stückchen größer ist als das, was wir bisher vereinbaren konnten". 31.10.2024 | 2:02 min
Weiter heißt es, als Sofortmaßnahme sollte der Solidaritätszuschlag, der überwiegend von Unternehmen, Selbstständigen, Freiberuflern sowie Hochqualifizierten gezahlt werde, entfallen. Er sollte in einem ersten Schritt im Jahr 2025 um 2,5 Prozentpunkte auf drei Prozent abgesenkt werden. In einem zweiten Schritt könnte er im Jahr 2027 dann vollständig entfallen. Der Soli wurde für 90 Prozent der Steuerzahler bereits abgeschafft.
Finanzministerium: Nationale durch europäische Klimaziele ersetzen
Zudem heißt es im Papier, nationale müssten durch europäische Klimaziele ersetzt werden.
Es hilft dem Klimaschutz nicht, wenn Deutschland als vermeintlicher globaler Vorreiter möglichst schnell und folglich mit vermeidbaren wirtschaftlichen Schäden und politischen Verwerfungen versucht, seine Volkswirtschaft klimaneutral aufzustellen.
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Papier von Finanzminister Christian Lindner
Deutschland solle auf europäischer Ebene insbesondere die Abschaffung der Regulierungen zur Energieeffizienz, Gebäudeenergieeffizienz und der Flottengrenzwerte für Autokonzerne durchsetzen.
Im Gebäudeenergiegesetz - oft als Heizungsgesetz bezeichnet - könne der Zeitpunkt, ab dem Heizungen vollständig klimaneutral sein müssen, um fünf Jahre verschoben werden, der Anteil erneuerbarer Energien dabei von 65 Prozent bei neuen Heizungen zunächst abgesenkt und erst später erhöht werden. Das Förderprogramm Klimaschutzverträge könnte ebenfalls weitgehend entfallen - das zielt auf eine Maßnahme Robert Habecks (Grüne).
Die getrennt voneinander stattfindenden Wirtschaftsgipfel von Kanzler Scholz (SPD) und Finanzminister Lindner (FDP) werfen ein Schlaglicht auf die Brüche in der Ampelkoalition.29.10.2024 | 3:25 min
Finanzministerium will Ausgaben weiter senken
Hinsichtlich der bestehenden Milliardenlücken im Haushaltsentwurf ist von der Notwendigkeit einer weiteren Senkung der Ausgaben die Rede. Der Regierungsentwurf des Bundeshaushalts 2025 und der Finanzplan bis 2028 unternähmen Schritte zur "quantitativen Normalisierung und qualitativen Verbesserung des Bundeshaushalts".
Forderung: Abschläge bei frühem Renteneintritt anpassen
Im Papier ist die Rede von einer "Wende in der Asyl- und Arbeitsmarktpolitik". Durch eine niedrigere Zahl der Asylerstanträge fielen die Zahlungen an Länder und Kommunen zur Unterstützung durch den Bund geringer aus. Die Bürgergeld-Regelsätze seien 2024 überproportional gestiegen.
Sie liegen im Jahr 2025 weiter über dem Bedarf und sollten daher durch die Abschaffung der 'Besitzstandsregelung' abgesenkt werden, um Arbeitsanreize zu stärken.
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Auszug aus dem Grundsatzpapier von Finanzminister Lindner (FDP)
Weiter heißt es im Papier, Abschläge bei frühzeitigem Renteneintritt sollten angepasst werden.
Quelle: dpa
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