Interview
Forderung nach "Wirtschaftswende":Neuer Ampel-Streit durch Lindner-Papier?
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Finanzminister Lindner fordert in einem Papier eine "Wirtschaftswende" mit einer "teilweise grundlegenden Revision politischer Leitentscheidungen". Der Ampel droht neuer Streit.
Bundesfinanzminister Lindner will große Veränderungen in der Wirtschaftspolitik.
Quelle: dpa
Ein neues Grundsatzpapier von Finanzminister Christian Lindner (FDP) über eine Neuausrichtung der Wirtschaftspolitik droht den Streit in der Ampel-Koalition weiter anzuheizen.
In dem 18-seitigen Papier ohne Datum, das dem ZDF vorliegt, wird eine "Wirtschaftswende" gefordert mit einer "teilweise grundlegenden Revision politischer Leitentscheidungen", um Schaden vom Standort Deutschland abzuwenden. Eine Neuausrichtung der Wirtschaftspolitik könne das Vertrauen von Unternehmen und privaten Haushalten stärken, heißt es.
Finanzminister Lindner (FDP) fordert in einem Grundsatzpapier eine "Wirtschaftswende" in Deutschland. ZDF-Korrespondent Wulf Schmiese ordnet das Vorgehen ein.01.11.2024 | 1:09 min
Wie ZDF-Korrespondent Wulf Schmiese erklärt, wolle Lindner mit dem Papier Aufmerksamkeit erreichen und "Druck erzeugen auf die konkreten Haushaltsverhandlungen" in der Ampel. Es werde medial bereits von einem "Scheidungspapier" geredet - allerdings mache der Finanzminister noch konkrete Vorschläge an die Koalitionspartner. Daher sei beides, ein Scheitern oder ein Fortbestehen der Ampel-Regierung, weiter möglich.
Lindner-Papier: Moratorium aller neuen Regulierungen
Der FDP-Chef erklärte in einem Schreiben an Parteikollegen, dass das Grundsatzpapier durch eine Indiskretion öffentlich geworden sei. Es habe "zunächst nur im engsten Kreis der Bundesregierung" beraten werden sollen.
Konkret ist in Lindners jetzigem Papier von einem sofortigen Moratorium zum Stopp aller neuen Regulierungen die Rede. Neue Gesetzesvorhaben sollten entweder ganz entfallen oder, wo dies nicht möglich sei, so ausgestaltet sein, dass Bürokratie und Regulierung durch das Vorhaben sinken und keinesfalls steigen. Genannt werden in diesem Zusammenhang zum Beispiel Pläne von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) für ein Tariftreuegesetz sowie das Lieferkettengesetz.
Weiter heißt es, als Sofortmaßnahme sollte der Solidaritätszuschlag, der überwiegend von Unternehmen, Selbstständigen, Freiberuflern sowie Hochqualifizierten gezahlt werde, entfallen. Er sollte in einem ersten Schritt im Jahr 2025 um 2,5 Prozentpunkte auf drei Prozent abgesenkt werden. In einem zweiten Schritt könnte er im Jahr 2027 dann vollständig entfallen. Der Soli wurde für 90 Prozent der Steuerzahler bereits abgeschafft.
SPD-Chefin Saskia Esken sagt, dass aus den Gesprächen beim Industriegipfel des Kanzlers insgesamt "eine Wachstumsinitiative" herauskommen müsse, "die ein Stückchen größer ist als das, was wir bisher vereinbaren konnten". 31.10.2024 | 2:02 min
Finanzministerium: Nationale durch europäische Klimaziele ersetzen
Zudem heißt es im Papier, nationale müssten durch europäische Klimaziele ersetzt werden.
Deutschland solle auf europäischer Ebene insbesondere die Abschaffung der Regulierungen zur Energieeffizienz, Gebäudeenergieeffizienz und der Flottengrenzwerte für Autokonzerne durchsetzen.
Die getrennt voneinander stattfindenden Wirtschaftsgipfel von Kanzler Scholz (SPD) und Finanzminister Lindner (FDP) werfen ein Schlaglicht auf die Brüche in der Ampelkoalition.29.10.2024 | 3:25 min
Im Gebäudeenergiegesetz - oft als Heizungsgesetz bezeichnet - könne der Zeitpunkt, ab dem Heizungen vollständig klimaneutral sein müssen, um fünf Jahre verschoben werden, der Anteil erneuerbarer Energien dabei von 65 Prozent bei neuen Heizungen zunächst abgesenkt und erst später erhöht werden. Das Förderprogramm Klimaschutzverträge könnte ebenfalls weitgehend entfallen - das zielt auf eine Maßnahme Robert Habecks (Grüne).
Finanzministerium will Ausgaben weiter senken
Hinsichtlich der bestehenden Milliardenlücken im Haushaltsentwurf ist von der Notwendigkeit einer weiteren Senkung der Ausgaben die Rede. Der Regierungsentwurf des Bundeshaushalts 2025 und der Finanzplan bis 2028 unternähmen Schritte zur "quantitativen Normalisierung und qualitativen Verbesserung des Bundeshaushalts".
Mit Blick auf die gesenkte Konjunkturprognose und die trübere Steuerschätzung heißt es, diese Schritte seien nicht ausreichend.
Kanzler Scholz und Finanzminister Lindner hatten sich zuletzt auf getrennten Veranstaltungen mit Vertretern aus der Wirtschaft getroffen. ZDF-Korrespondent Wulf Schmiese berichtet.29.10.2024 | 1:36 min
Forderung: Abschläge bei frühem Renteneintritt anpassen
Im Papier ist die Rede von einer "Wende in der Asyl- und Arbeitsmarktpolitik". Durch eine niedrigere Zahl der Asylerstanträge fielen die Zahlungen an Länder und Kommunen zur Unterstützung durch den Bund geringer aus. Die Bürgergeld-Regelsätze seien 2024 überproportional gestiegen.
Weiter heißt es im Papier, Abschläge bei frühzeitigem Renteneintritt sollten angepasst werden.
Quelle: ZDF
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Quelle: dpa, ZDF
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