Lindner und Scholz: Wer hat der Ampel den Stecker gezogen?
Analyse
Lindner vs. Scholz:Wer hat der Ampel den Stecker gezogen?
von Kristina Hofmann
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Wer hat der Ampel endgültig den Stecker gezogen? Scholz sagt, Lindner war es. Lindner sagt, Scholz war es. Jetzt geht es um die beste Ausgangslage für die Neuwahlen.
Am Ende: Die Ampel-Koalition gibt auf, Neuwahlen sind wahrscheinlich. Fragt sich nur, wann.
Ohne diese Entlassung keine handlungsfähige Regierung, ohne diese Entlassung würde das Land "ins Chaos stürzen", sagt Scholz.
Christian Lindner habe sich all seinen Vorschlägen verweigert. Lindners Wirtschaftskonzept hätte die Gesellschaft gespalten. Er hätte die äußere gegen die innere Sicherheit ausspielen wollen. Scholz sagt: "Ich bin nicht bereit, unsere Unterstützung für die Ukraine und Investitionen in unsere Verteidigung zulasten des sozialen Zusammenhalts zu finanzieren."
In der Schule hätte man gesagt: Setzen, sechs!
Nach knapp drei Jahren im Amt ist die Koalition aus SPD, Grünen und FDP gescheitert. Mitte Januar will Scholz die Vertrauensfrage stellen, um Neuwahlen im März zu ermöglichen.06.11.2024 | 3:27 min
Lindner: Scholz ging es um "kalkulierten Bruch"
Nur wenige Minuten später schildert an diesem denkwürdigen Abend der Noch-Bundesfinanzminister seine Sicht der Dinge. Er sei mit Vorschlägen in die Sitzungen am heutigen Tag gegangen.
Scholz habe nie vorgehabt, darüber zu verhandeln, seine Rede sei längst vorbereitet gewesen. Schließlich las er das zehnminütige Statement vom Teleprompter ab.
Olaf Scholz habe "verkannt", dass ein neuer Aufbruch nötig sei, und die Sorgen der Menschen "verharmlost" habe. Kraftlos sei Scholz:
Und dann habe der Kanzler ihm, Lindner, auch noch ein Ultimatum gestellt: Er solle die Schuldenbremse aussetzen. Damit, sagt Lindner, hätte er seinen Amtseid verletzt. Also wieder: Schaden vom Land abwenden. Deswegen habe Scholz die Zusammenarbeit mit Lindner "aufgekündigt". Um eine Einigung sei es Scholz an diesem Tag nie gegangen. "Sondern um einen kalkulierten Bruch dieser Koalition." Lindners Vorschlag, gemeinsam Neuwahlen vorzuschlagen, habe Scholz "brüsk" abgelehnt.
In der Schule hätte man gesagt: Selber, sechs!
Bundeskanzler Olaf Scholz will die Vertrauensfrage stellen. Der Bundestag solle darüber am 15. Januar abstimmen, sagte der SPD-Politiker in Berlin.06.11.2024 | 14:05 min
"Bild"-Meldung der eigentliche Auslöser?
Das sind die offiziellen Versionen. Die SPD erzählt an diesem Abend die Geschichte so: Lindner habe den Vorschlag für Neuwahlen gemacht und die SPD um Bedenkzeit gebeten. Noch in der Sitzungspause habe die FDP den Vorschlag an die "Bild"-Zeitung durchgestochen. Da habe Scholz keine andere Wahl gehabt, als Lindner zu entlassen: Vertrauensbruch.
Seit Tagen hatte es Gerüchte gegeben, dass die FDP noch in dieser Woche die Ampel-Koalition verlassen wolle. Mal hieß es Donnerstag, mal Freitag. Auch von der Hallenanmietung für einen Sonderparteitag war schon die Rede. Lindner dreht den Spieß nun um: Scholz habe nie eine Einigung gewollt. Weil er wusste, dass die Schuldenbremse mit der FDP nicht zu machen sei.
Der Finanzminister habe Scholz "auf der ganzen Linie enttäuscht", sagt ZDF-Korrespondentin Diana Zimmermann. Lindners neue Wirtschaftspläne waren dann "eine Reizung zu viel."06.11.2024 | 2:49 min
Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki sagte es auf X so: Scholz habe verlangt, dass die FDP ihre Würde an der Garderobe des Kanzleramtes abgeben soll. Er habe einen "Verfassungs- und Koalitionsbruch" verlangt. Das sei eines Kanzlers unwürdig. "Diesem Kanzler wünschen wir eine gute Reise und eine schnellstmöglichste Ablösung."
X-Post von Wolfgang Kubicki
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Es ist wie immer bei der Ampel: Wenn zwei sich streiten, bleibt Platz für das Dazwischen. Vize-Kanzler Robert Habeck (Grüne) machte heute klar: Wir können nichts dafür. Der Bruch der Koalition fühle sich "falsch und nicht richtig" an, gerade zu "tragisch" und eigentlich auch nicht nötig: Die Haushaltslücke hätte geschlossen werden können, aber Lindner habe nicht mitgemacht.
Seine Entlassung war laut Habeck:
Und jetzt? Wir machen weiter, sagt Habeck. "Die Probleme gehen ja nicht weg, auch wenn wir keinen eigene Mehrheit mehr haben." Trotz Trump und allem: "Dieser Abend sollte der Beginn eines neue Kraftimpulses sein", sagt Habeck.
Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) hat den Bruch der Ampel-Koalition bedauert. Er betonte vor dem Kanzleramt, "dass sich das heute Abend falsch und nicht richtig anfühlt".06.11.2024 | 6:30 min
Hauptproblem: Der fehlende Haushalt
Welche der Geschichten nun stimmt, wird am Ende vermutlich nie heraus kommen. Sie werden bis zu den möglichen Neuwahlen Anfang nächsten Jahres in Varianten immer wieder erzählt werden. Dass am Ende des Abends sich alle FDP-Minister aus der Regierung zurückziehen, verwundert dann schon nicht mehr. Damit ist die FDP raus. SPD und Grüne bilden zwar noch eine Koalition, haben im Bundestag aber keine Mehrheit mehr.
Die müssen sie sich jetzt im Parlament suchen. Ob sie diese bekommen, ist eine andere Frage. Doch bei allen verletzten Eitelkeiten, allem politischen Kalkül und verbalen Tiefschlägen: Das Hauptproblem der Noch-Regierung ist, dass sie einen nicht verabschiedeten Haushalt hinterlässt.
Kristina Hofmann ist Korrespondentin im ZDF-Hauptstadtstudio.