Werbung für die Schuldenbremse: Druck auf Lindner wächst

    FAQ

    Werbung für die Schuldenbremse:Lindner unter Druck - es geht um 46.367 Euro

    Dominik Rzepka
    von Dominik Rzepka
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    Finanzminister Lindner steht in der Kritik. Sein Ministerium hat Anzeigen für die Schuldenbremse geschaltet. War das verdeckte Werbung für die FDP? Und was wusste Lindner davon?

    Christian Lindner
    Finanzminister und FDP-Chef Christian Lindner: Kritik an Anzeigen seines Ministeriums für die Schuldenbremse - kurz vor der Europawahl.
    Quelle: epa

    Worum geht es?

    Um zwei Anzeigen in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Am 29. Mai und am 5. Juni hat das Finanzministerium von Christian Lindner (FDP) dort Werbung gemacht für die Schuldenbremse. Darauf zu sehen waren zwei junge Menschen. In einer Anzeige heißt es:

    Schuldenbremse abschaffen? Nich' ok, Boomer!

    Anzeige in der FAZ

    Die Anzeigen haben den Steuerzahler laut Finanzministerium insgesamt 46.367 Euro gekostet, berichtet das Portal abgeordnetenwatch.de. Zunächst war die Rede von 38.000 Euro.

    Sind die Anzeigen problematisch?

    Ja, sagt Linken-Chef Martin Schirdewan. Bei den Anzeigen handele es sich nicht nur um Öffentlichkeitsarbeit des Finanzministeriums, sondern auch um versteckte Wahlwerbung für die FDP kurz vor der Europawahl am 9. Juni. Der Verdacht erhärte sich, dass Lindner in die Erstellung der Kampagne involviert war. Schirdewan sagt ZDFheute:

    Lindners Fehlverhalten, sollte es sich bestätigen, lässt eigentlich nur eine Konsequenz zu: seinen Rücktritt.

    Martin Schirdewan, Die Linke

    Problematisch sind die Anzeigen des Finanzministeriums laut Kritikern auch deshalb, weil auch Lindners Partei zeitgleich Werbung für die Schuldenbremse gemacht hat. Abgeordnetenwatch.de hat Screenshots von Social Media-Auftritten der FDP-Bundestagsfraktion veröffentlicht mit entsprechenden Posts pro Schuldenbremse.

    Werbekampagne zu Schuldenbremse
    :Linke verklagt Christian Lindner in Karlsruhe

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    Bundesfinanzminister Lindner beim Bürgerdialog in Potsdam

    Was wusste Lindner von den Anzeigen?

    Das ist genau die Frage. Das Finanzministerium hatte auf ARD-Anfrage zunächst lediglich eingeräumt, Lindner habe von der Kampagnenidee gewusst. Mehr nicht. Allerdings hat abgeordnetenwatch.de jetzt eine interne Mail vom 11. April aus dem Ministerium an eine Kommunikationsagentur veröffentlicht. Darin heißt es:

    Bei der Gelegenheit bitte ich Sie um Übersendung der beiden neuen FAZ-Anzeige-Varianten, wie am Dienstag mit Minister Lindner besprochen.

    Mail aus dem Finanzministerium vom 11. April

    Offenbar bespricht das Ministerium Details der zu schaltenden Anzeigen. Der Satz "wie mit Minister Lindner besprochen" könnte die Schlussfolgerung zulassen, der FDP-Chef sei in den Prozess intensiver involviert, als bisher bekannt. Hat er die Anzeigen in Auftrag gegeben? Hat er Regierungsjob und Parteijob vermischt?
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    Was sagt Lindner selbst?

    Offiziell nichts. Allerdings dürfte Lindner die Vorwürfe lächerlich finden. Denn Lindner lobt die Schuldenbremse bei jeder Gelegenheit. Das Land könne stolz darauf sein, dass seine Volksvertreter es geschafft hätten, sich nach der Weltfinanzkrise auf eine Schuldenbremse geeinigt und sie im Grundgesetz festgeschrieben zu haben, heißt es seitens Lindner.
    Die Kosten der Anzeigen dürfte Lindner gekannt haben. Denn sein Ministerium teilt mit, dass Lindner tatsächlich am Entstehungsprozess der Anzeigen beteiligt war. So sei er am 9. April bei einem Termin mit der Rahmenvertragsagentur anwesend gewesen, sagt ein Sprecher des Ministeriums ZDFheute.
    Die Anzeigen als solche betrachtet Lindners Ministerium als unproblematisch. Die Bundesregierung habe einen Auftrag, Bürgerinnen und Bürger über ihre Tätigkeiten, Vorhaben und Ziele zu informieren, heißt es aus dem Finanzministerium. Und weiter:

    Eine Information über das Grundgesetz trägt nichts Parteipolitisches in sich.

    Sprecher des Finanzministeriums

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    Kann das Lindner gefährlich werden?

    Eher nein, sagt ZDF-Hauptstadtkorrespondent Wulf Schmiese. Zwar beschäftigt sich nach einer Klage der Linken inzwischen das Bundesverfassungsgericht mit den Anzeigen. Das scheint Lindner aber nicht zu beunruhigen, so Schmiese:

    Es wird Lindner juristisch schwer nachzuweisen sein, mit den Anzeigen FDP-Werbung betrieben zu haben.

    Wulf Schmiese, ZDF-Hauptstadtkorrespondent

    Schließlich habe das Ministerium an ein historisches Datum der Bundesrepublik erinnert, nämlich den 15. Geburtstag der Schuldenbremse. "Als sie am 1. August 2009 mit Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat verabschiedet wurde, regierte ein große Koalition", so Schmiese.
    "Zweifelsohne aber freut sich Lindner gerade deshalb jetzt - während ihre Schöpfer selbst an ihrem Werk zweifeln - an ihre damalige Leistung zu erinnern", sagt er.

    Eine Person hält ein Smartphone in der Hand. Darauf ist der WhatsApp-Channel der ZDFheute zu sehen.
    Quelle: ZDF

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