Bürgergeld: Lindner will Unterkunftskosten-Pauschale

    Empfänger von Bürgergeld:Lindner fordert Unterkunftskosten-Pauschale

    |

    Finanzminister Lindner will das Bürgergeld neu ausrichten - und schlägt eine Pauschale für Wohnkosten vor. Einsparpotenzial sieht er auch bei Leistungen für Ukraine-Geflüchtete.

    Finanzminister Christian Lindner fordert eine Neuausrichtung beim Bürgergeld. (Archivbild)
    Finanzminister Christian Lindner fordert eine Neuausrichtung beim Bürgergeld. (Archivbild)
    Quelle: dpa

    Empfängerinnen und Empfänger von Bürgergeld sollen aus Sicht von FDP-Chef Christian Lindner künftig ihre Wohnkosten pauschal und nicht nach tatsächlichen Kosten erstattet bekommen. "Dann können die Leistungsempfänger entscheiden, ob sie eine kleinere Wohnung beziehen und wie sie heizen", sagte der Bundesfinanzminister der "Wirtschaftswoche".

    Ich glaube, dass wir hier Milliarden Euro einsparen können.

    Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP)

    Derzeit übernehmen die Kommunen in bestimmten Grenzen die Kosten für Miete und Heizung von Bürgergeld-Empfängern und ihren Familien; dabei unterstützt sie der Bund.

    Von den 2,94 Millionen Bedarfsgemeinschaften, also in der Regel zusammenwohnende Familien, werden derzeit bei 2,73 Millionen Kosten der Unterkunft anerkannt - Kostenpunkt: 1,77 Milliarden Euro. Dazu kommen einmalige Kosten in Höhe von 43 Millionen Euro. Pro Bedarfsgemeinschaft werden im Schnitt 649,96 Euro bezahlt, pro Quadratmeter im Schnitt 11,82 Euro, pro Person einer Bedarfsgemeinschaft 362,69 Euro.

    Die Statistik weist auch die Betriebs- und Heizkosten extra aus. Bei 2,68 Millionen Bedarfsgemeinschaften handelt es sich um Mietkosten, bei 46.000 um Wohneigentum. Die Durchschnittswohnfläche der Familien liegt bei 62 Quadratmetern. Pro Person sind es im Schnitt 35 Quadratmeter

    Quelle: dpa

    Berlin: Im Jobcenter Tempelhof-Schöneberg liegt ein Antrag auf Bürgergeld und dazu passende Ausfüllhinweise.
    In Deutschland bekommen knapp 5,5 Millionen Menschen Bürgergeld. 1,8 Millionen von ihnen könnten theoretisch arbeiten, tun es aber nicht. Die Hintergründe sind vielseitig.30.04.2024 | 1:40 min

    Lindner will bei Ukrainern sparen

    Einsparmöglichkeiten sieht Lindner auch bei den Leistungen für Flüchtlinge aus der Ukraine. "Wir sollten für die aus der Ukraine Geflüchteten einen eigenen Rechtsstatus erwägen", schlug er vor. Dieser solle die Leistungen für Asylbewerber mit arbeitsmarktpolitischen Instrumenten kombinieren, die für Bürgergeld-Empfänger gedacht sind. "Ukrainer müssen wegen des Krieges in ihrer Heimat nicht eigens ein Asylbewerberverfahren durchlaufen", erläuterte Lindner.

    Sie sollten aber auf der anderen Seite nicht gleich ein Bürgergeld erhalten, das auf ein sozioökonomisches Existenzminimum mit gesellschaftlicher Teilhabe auch ohne Arbeit ausgerichtet ist.

    Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP)

    Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) lässt kühl ausrichten, er habe "die Äußerung des Finanzministers zur Kenntnis genommen". Weiter sagt Scholz-Sprecher Steffen Hebestreit: "Aber dazu gibt es im Augenblick keine übergeordneten Planungen innerhalb der Bundesregierung."

    Ukrainer erhalten in Deutschland Bürgergeld

    Tatsächlich erhalten ukrainische Kriegsflüchtlinge grundsätzlich EU-weit Schutz unter der "Massenzustrom-Richtlinie", wie der Mediendienst Integration erläutert. In Deutschland erhalten die Geflüchteten Bürgergeld. Alleinstehende zum Beispiel 563 Euro pro Monat.
    Die Regelsätze sollen 2025 aufgrund einer Nullrunde unverändert bleiben. Hinzu kommen Hilfen für Miete und Heizung sowie Krankenversorgung. Das Arbeitsministerium betont, die Beträge sicherten das Existenzminimum in Deutschland.

    Der Staat übernimmt bei Bürgergeld-Beziehenden die sogenannten tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, soweit sie angemessen sind. Auch Schönheitsreparaturen, Kabelgebühren oder beispielsweise ein vereinbartes Nutzungsentgelt etwa für Küchenmöbel werden übernommen, soweit diese unausweichlich im Mietvertrag vereinbart sind. Weitere Nebenkosten, zum Beispiel für einen Pkw-Stellplatz, werden nicht übernommen.

    Bei selbstgenutztem Wohneigentum werden Aufwendungen wie Schuldzinsen oder Grundsteuern übernommen. Wie eine Sprecherin der Bundesagentur für Arbeit (BA) in Nürnberg erläuterte, sind die BA sowie Kreise und Städte für Bürgergeld-Leistungen verantwortlich, bei Unterkunft und Heizung die Kommunen. Sie regeln, was lokal angemessen ist. Die Jobcenter setzen das um. Die Mieten unterscheiden sich innerhalb Deutschlands erheblich.

    Quelle: dpa

    Rund eine halbe Million erwerbsfähige Ukrainer

    Asylbewerberinnen und Asylbewerber, über deren Asylanträge noch nicht entschieden wurde, bekommen weniger: 460 Euro pro Monat nach Asylbewerberleistungsgesetz. Beratung durch das Jobcenter bekommen sie noch nicht. Im Mai 2024 waren nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit rund 529.000 Ukrainerinnen und Ukrainer als "erwerbsfähig" bei den Jobcentern gemeldet - und Bürgergeld-berechtigt.
    Viele sind noch in Jobcenter-Maßnahmen, Integrationskursen oder in kurzfristiger Arbeitsunfähigkeit, zum Beispiel Alleinerziehende mit Kindern ohne Kitaplatz. Zwei Drittel davon sind Frauen.

    4.000 arbeitslose Ukrainer weniger

    Nicht jeder, der Bürgergeld bekommt, könne auch einen Job annehmen, stellt der Mediendienst fest. Etwas mehr als ein Drittel der erwerbsfähigen Ukrainerinnen und Ukrainer habe im Mai 2024 für den Arbeitsmarkt zur Verfügung (37 Prozent) gestanden - etwa 4.000 weniger als noch im April.
    Insgesamt ist die Zahl der Ausländerinnen und Ausländer mit Bürgergeld in den vergangenen Jahren deutlich auf zuletzt 2,7 Millionen gestiegen - das sind rund 48 Prozent aller Empfänger. Hauptgrund für den Anstieg ist die Flüchtlingsbewegung nach Russlands Einmarsch in der Ukraine.
    Bundestag-Berlin
    Geflüchtete Ukrainer, die in Deutschland Zuflucht suchen, können Bürgergeld beantragen. Geflüchteten aus anderen Ländern ist das nicht möglich. Nach der Union fordert jetzt auch die FDP, diese Sonderregelung zu beenden.17.06.2024 | 1:35 min
    Zuletzt hatte BSW-Gründerin Sahra Wagenknecht deswegen gesagt, der deutsche Sozialstaat werde bedroht. Der Deutsche Gewerkschaftsbund wertet (DGB) es hingegen als Erfolg, dass immer mehr Ukrainerinnen und Ukrainer in Jobs vermittelt werden.

    Experten verteidigen "nachhaltige Strategie"

    Seit Russlands Überfall auf die Ukraine 2022 haben rund 1,2 Millionen Menschen von dort in Deutschland Schutz gefunden. Bei den Ukrainerinnen und Ukrainern liegt der Anteil der Bürgergeld-Beziehenden an der Bevölkerungsgruppe insgesamt bei derzeit knapp 65 Prozent - im Vergleich zu anderen Nationalitäten ein hoher Wert.
    Geflüchtete Frauen in der Schule und Grafik mit Pictogrammen
    Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung hat Geflüchtete von 2015/16 zu ihrer beruflichen Situation befragt. Inzwischen haben mehr als 60 Prozent eine Anstellung gefunden17.04.2024 | 1:11 min
    Experten etwa des Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) verteidigen dennoch die "nachhaltige Strategie", die Menschen eher mit deutscher Sprache und Qualifizierung in den Arbeitsmarkt zu bringen als so schnell wie möglich. Beim Bürgergeld könnten die Jobcenter Menschen arbeitsmarktpolitisch betreuen, erläutert etwa der IAB-Forschungsleiter Enzo Weber. Laut IAB gehen im laufenden Jahr pro Monat doppelt so viele Ukrainerinnen und Ukrainern aus der Arbeitslosigkeit in Jobs wie im Vorjahr.

    Nachrichten | Thema
    :Geflüchtete auf dem Arbeitsmarkt

    "Wir schaffen das", sagte Angela Merkel einst. Haben sie es geschafft? Hat Deutschland es geschafft? Was ist aus den Geflüchtete geworden, die nach Deutschland gekommen sind?
    Ein Geflüchteter erzählt über die Integration am Arbeitsmarkt.
    Quelle: dpa, Reuters

    Mehr zum Bürgergeld