Wolffsohn: "Jüdisches Leben ist Existenz auf Widerruf"

    Jüdisches Leben in Deutschland:Wolffsohn bei "Lanz": "Existenz auf Widerruf"

    von Felix Rappsilber
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    7. Oktober 2023: Seit diesem Datum sei die jüdische Geschichte Gegenwart geworden, sagt Michael Wolffsohn. Deborah Feldman beklagt ein "Zerbröseln der jüdischen Welt".

    Markus Lanz vom 4. Juli 2024: Markus Lanz, Adriana Altaras, Michael Wolffsohn, Deborah Feldman, Michael Fürst
    Sehen Sie hier die Sendung "Markus Lanz" vom 04. Juli 2024.04.07.2024 | 77:25 min
    Am 7. Oktober 2023 verübte die islamistische Hamas den größten Massenmord an Juden seit dem Holocaust. Als Reaktion startete Israel einen umstrittenen Militäreinsatz in dem von der Hamas kontrollierten Gazastreifen.
    Der jüdische Historiker Michael Wolffsohn sagte dazu am Donnerstagabend bei Markus Lanz:

    Jüdische Existenz ist seit 3.000 Jahren Existenz auf Widerruf. Jüdisches Leben ist Existenz auf Widerruf.

    Michael Wolffsohn, Historiker

    Diese Geschichte sei nun Gegenwart geworden, so Wolffsohn, "weil die neue Situation die für uns neue ist". Und weiter: "Jetzt sind wir in dieser Kontinuität."
    Der Historiker habe unterschätzt, dass die "schon seit den Sechzigerjahren für mich vorhandenen, erkennbaren Strömungen" so stark geworden seien.
    Der "alte rechtsextremistische", der "alt-neue linksextremistische" und der "muslimische" Antisemitismus seien eine "Gefahr" - eine in Westeuropa "historisch völlig neue Situation".
    Protest Freie Universität Berlin
    Mehr als 70 Professorinnen und Professoren haben sich mit einer Erklärung gegen Antisemitismus an deutschen Hochschulen positioniert. Die Unterzeichnenden stellen sich "ohne Wenn und Aber vor unsere jüdischen Studierenden und Kolleginnen und Kollegen". 04.07.2024 | 2:25 min

    Wolffsohn: Ganz konkrete Alarmzeichen

    Wolffsohn sprach von "ganz konkreten Alarmzeichen". Die Zahl der Juden, die sich überlegten, Deutschland zu verlassen, nehme zu. Er habe das Jüdische Gymnasium Moses Mendelssohn in Berlin besucht:

    Diese jungen Leute, im nächsten Jahr Abitur, überlegen sich: 'Kann ich in Deutschland studieren? Kann ich in Deutschland mit Erfolg einen Beruf ergreifen oder soll ich woanders hingehen?'

    Michael Wolffsohn, Historiker

    Einerseits wollten die Schüler hier bleiben, da die Situation in Deutschland im Vergleich mit Frankreich und England "besser" sei. Aber, so Wolffsohn: "So ganz koscher ist die Situation in Deutschland wahrhaft nicht."
    Antisemitismus-Bericht
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    Altaras: 7. Oktober 2023 - ein ganz feiner Riss

    Der 7. Oktober habe gewirkt "wie ein ganz feiner Riss", sagte die Schauspielerin und Theaterregisseurin Adriana Altaras. Seitdem denke sie darüber nach:

    Darf man auf der Straße Hebräisch sprechen oder ist das ein Problem in Berlin? Wird man zusammengeschlagen? Wenn die Leute wissen, dass ich Jüdin bin, habe ich dann Ärger in Neukölln?

    Adriana Altaras, Theaterregisseurin

    Altaras sei immer eine "öffentliche Jüdin" gewesen, sei damit "vielleicht sogar hausieren gegangen". Seit dem 7. Oktober verhalte sie sich "vorsichtiger": "Ich würde zum Beispiel nicht mit einer Kippa - muss ich auch nicht - durch Berlin laufen oder mit einem Davidstern. Nein, das möchte ich nicht."
    Antisemitismus in Deutschland
    An Universitäten kommt es zu Störungen von Vorlesungen und zu verbalen und körperlichen Angriffen von propalästinensischen Aktivisten. Linker Antisemitismus macht sich breit.18.02.2024 | 4:08 min

    Feldman: 7. Oktober 2023 - Zerbröseln der jüdischen Welt

    Deborah Feldman widersprach. Statt eines feinen Risses sehe die jüdische Schriftstellerin "eine Kluft": "Ich sehe ein Zerbröseln der jüdischen Welt (...). Ich weiß nicht, wie wir wieder zusammenkommen können. Ich weiß nicht, wie wir uns heilen können. Ich weiß nicht, wie die Palästinenser sich davon sollen heilen können."
    Sie sagte:

    Die letzten neun Monate waren für mich und viele meiner Freundinnen und Bekannten ein unendlicher lebendiger Albtraum.

    Deborah Feldman, Schriftstellerin

    Die Bilder des 7. Oktober, die Bilder aus Gaza seien "Bilder, die kein Mensch aushalten kann". Diaspora-Juden "scheinen keine Macht zu haben, Einfluss auf diese Situation auszuüben": "Ich gucke nach Israel. Ich gucke zu den Demos. Ich sehe, wie die Familien der Opfer von der Polizei behandelt werden. Ich sehe, wie die Familien der Geiseln im Strahl der Wasserkanonen stehen."
    Menschen protestieren gegen die Regierung des israelischen Ministerpräsidenten Netanjahu und fordern die Freilassung der Geiseln, die seit 7. Oktober 2023 im Gazastreifen von der militanten Terrororganisation Hamas festgehalten werden.
    Unter anderem in Tel Aviv fordern Tausende den Rücktritt von Ministerpräsident Netanjahu, Neuwahlen und ein Geiselabkommen. Es kam zu Auseinandersetzungen mit der Polizei.07.04.2024 | 0:18 min
    Israels Militäreinsatz wird innerhalb der jüdischen Gemeinschaft kontrovers diskutiert. Immer wieder demonstrieren Israelis gegen die von Benjamin Netanjahu geführte Regierung, fordern vorgezogene Neuwahlen und ein Abkommen mit der Hamas zur Freilassung der israelischen Geiseln.
    Feldman sagte:

    Ich bin verzweifelt, entsetzt, aber entschlossen, trotz allem. Wir machen weiter.

    Deborah Feldman, Schriftstellerin

    Die jüdische Gemeinschaft habe "keine andere Wahl" als miteinander auszukommen.

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