Palmer spricht bei "Lanz" von "staatlicher Zechprellerei"
Oberbürgermeister bei "Lanz":Palmer: Rente mit 63 ist nicht finanzierbar
von Bernd Bachran
|
Der Tübinger Oberbürgermeister Palmer will die Rente mit 63 Jahren streichen. Die Ludwigshafener Oberbürgermeisterin Steinruck fordert bei "Lanz" "gute Gesetze" aus Berlin.
Sehen Sie hier die Sendung "Markus Lanz" vom 22. April 2025 in voller Länge.22.04.2025 | 73:08 min
Die vermeintlich zukünftige Regierungskoalition aus Union und SPD startet nicht unbedingt mit einem Vertrauensvorschuss, aber mit sehr viel Geld. Neben der Lockerung der Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben wurde auch ein Sondervermögen für Investitionen in die Infrastruktur von bis zu 500 Milliarden Euro beschlossen.
100 Milliarden davon sollen an die Länder gehen, die das Geld dann an Städte und Kommunen verteilen sollen. Aber wieviel von diesem Sondervermögen kommt schließlich bei den Städten und Kommunen an?
Die Schuldenbremse wird künftig für Ausgaben in Verteidigung und Sicherheit ausgesetzt. Außerdem gibt es ein Sondervermögen von 500 Milliarden Euro für Klima und Infrastruktur.21.03.2025 | 1:49 min
Boris Palmer: "Staatliche Zechprellerei"
Der mittlerweile parteilose Oberbürgermeister von Tübingen (von 1996 bis 2023 Mitglied der Partei Bündnis 90/Die Grünen), Boris Palmer, sprach in diesem Zusammenhang bei "Markus Lanz" von "staatlicher Zechprellerei", weil "davon ja vorab noch Bund und Land ihre eigenen Ausgaben bezahlen".
Palmer rechnet für seine Stadt Tübingen konkret mit vier Millionen Euro aus Berlin.
Die entscheidende Frage ist, wie viel geben die wirklich nach unten ab? Dazu gibt es im Koalitionsvertrag bisher keine Aussage.
„
Boris Palmer, Oberbürgermeister von Tübingen
"Es muss aber wirklich was ankommen. Wenn wir nur vier Millionen kriegen, davon können wir noch nicht mal eine kaputte Brücke sanieren."
Bald sollen die Sondervermögen-Milliarden fließen – doch wie gelangt das Geld genau dahin, wo es wirklich gebraucht wird? Was ist mit Bürokratie, Antragslaufzeiten oder Digitalisierung?02.04.2025 | 2:30 min
Steuereinnahmen brechen ein
Der Tübinger Oberbürgermeister sah die Gründe für die ständigen finanziellen Notlagen der Städte unter anderem bei "weit überhöhten" Tarifabschlüssen im öffentlichen Dienst und damit verbundenen sehr hohen Personalkosten. Auf der anderen Seite bleiben ihm zufolge aufgrund der anhaltenden Wirtschaftsflaute die Steuereinnahmen weg.
Ebenso dramatisch sah es die Oberbürgermeisterin von Ludwigshafen, Jutta Steinruck (bis 2023 SPD-Mitglied, aktuell parteilos). "Wir haben wegbrechende Steuereinnahmen und die kann ich nicht auffangen, indem ich die Preise fürs Schwimmbad erhöhe, oder indem ich die Öffnungszeiten der Stadtbibliothek reduziere."
Wir haben das Ende der Fahnenstange erreicht, weil wir seit 30 Jahren sparen. Jetzt müsste endlich der Letzte verstanden haben, dass wir ein strukturelles Problem haben, wo es Änderungen geben muss.
„
Jutta Steinruck, Oberbürgermeisterin Ludwigshafen
Bei den deutschen Kommunen ist im vergangenen Jahr ein Rekorddefizit aufgelaufen. Frank Bethmann von der Börse erläutert die Gründe für diese Entwicklung. 01.04.2025 | 1:11 min
Palmer: Rente mit 63 ist nicht finanzierbar
Boris Palmer hob das Thema Finanzen dann von den Kommunen auf die bundespolitische Ebene und sprach an, was seiner Meinung nach unter anderem in der deutschen Politik falsch läuft: die Rente mit 63.
"Wir können uns, obwohl der Koalitionsvertrag es leider nicht korrigieren will, einfach nicht mehr leisten, Prämien zu zahlen, damit 63-Jährige früher in Rente gehen. Und das voll aus dem Bundeshaushalt finanziert."
Wir haben Fachkräftemangel, Gott sei Dank immer längere Lebenszeit, wir haben die Boomer, die in Rente gehen. Und diese Koalition bringt es nicht fertig, diese Wohltat zu streichen.
„
Boris Palmer, Oberbürgermeister von Tübingen
Palmer forderte, den jungen Menschen die Wahrheit zu sagen. Nämlich, dass es so, wie es momentan aufgestellt sei, nicht weitergehen könne. "Es wird nicht mehr möglich sein, die höchsten Sozialleistungen weltweit mit den niedrigsten Arbeitszeiten und den längsten Urlaubsansprüchen zu kombinieren. Das muss doch jedem einleuchten."
Der Fachkräftemangel in Deutschland hält weiter an. Unternehmen beschäftigen daher langjährige Mittarbeiter, die eigentlich schon in Rente sind, weiter.28.03.2025 | 1:46 min
Oberbürgermeister klagen über weitere belastende Kosten
Weitere belastende Kosten, die Städte und Kommunen aufbringen müssen, waren für den Tübinger Oberbürgermeister unter anderem die steigenden Kosten für die Unterbringung von Flüchtlingen, das Bürgergeld und die Krankenhäuser.
"Alle Landkreise mit Krankenhäusern müssen jetzt ihre Krankenhäuser bezuschussen. Diese Summe der Sozialkosten führt dazu, dass ich aus dem Haushalt, der eh weniger Geld hat, jetzt so viel an den Landkreis abdrücken muss, dass alle unter Wasser sind."
Selbst im reichen Baden-Württemberg haben 90 Prozent aller Kommunen nicht mehr genug Geld, um die laufenden Ausgaben zu bezahlen.
„
Boris Palmer, Oberbürgermeister von Tübingen
Jutta Steinruck sprach fast verzweifelt davon, dass alles teurer werde "und ich muss die Zuschüsse kürzen. Die Straßen, die Schulen, Kindergärten, die Lebensqualität vor Ort leidet. Dann kommen Gesetze vom Bund, die sagen: Macht ihr mal".
500 Milliarden Euro will Deutschland mit dem Sondervermögen in Infrastruktur investieren. Wohin genau das Geld fließen soll, beraten nun die Verkehrsminister von Bund und Ländern.02.04.2025 | 1:33 min
Steinruck forderte von Bund und Land: "Handelt endlich und gebt uns [was wir brauchen], die wir hier vor Ort die Investitionen machen müssen. […] Gute Gesetze aus Berlin, aus Mainz, sehr gerne. Gebt uns das Geld dafür und die Leute, dass wir das umsetzen können."
Quelle: dpa
Sie wollen auf dem Laufenden bleiben? Dann sind Sie beim ZDFheute-WhatsApp-Channel richtig. Hier erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten auf Ihr Smartphone. Nehmen Sie teil an Umfragen oder lassen Sie sich durch unseren Podcast "Kurze Auszeit" inspirieren. Zur Anmeldung: ZDFheute-WhatsApp-Channel.