Debatte um Bildungsgerechtigkeit:"Straftat, was wir unseren Kindern zumuten"
von Felix Rappsilber
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Bernd Siggelkow, Gründer der "Arche", empört sich über "Brennpunktschulen im Land der Dichter und Denker". SPD-Politiker Stephan Weil räumt Defizite bei den Bildungsangeboten ein.
Sehen Sie hier die Sendung "Markus Lanz" vom 9. Mai 2024.09.05.2024 | 75:39 min
Pro Tag besuchen 10.000 Kinder die Archen in Deutschland. "Es dürfte uns nicht geben", sagte Bernd Siggelkow, Gründer und Vorstand der Kinderstiftung "Die Arche", am Donnerstagabend bei "Markus Lanz". "Unser Erfolg ist der gesellschaftliche Misserfolg." Siggelkow kritisierte die deutsche Politik:
Siggelkow: Brennpunktschulen im Land der Dichter und Denker
In Deutschland gebe es jährlich 50.000 Schulabgänger, "die ihren Schulabschluss nicht schaffen", empörte sich Siggelkow. "Wir geben so viel Geld für Bildung aus und trotzdem kommt das Geld beim Kind nicht an."
In Berlin gebe es Schulen, "da möchte kein Erwachsener aufs Klo gehen, aber wir schicken die Kinder dahin". Siggelkow weiter:
"Wir verteilen die Kinder nicht auf verschiedene Schulen, sondern wir horten die Probleme an einem Ort und deswegen gelingt es uns nicht, die Kinder zu fördern", sagte der Arche-Chef.
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Motivierte Lehrer seien "häufig die eierlegende Wollmilchsau": "Es wird mehr Erziehung erwartet. Er muss dem Schulamt Rechenschaft geben. Er muss den Eltern Rechenschaft geben. Er muss die Schüler durchbringen."
Der Lehrer orientiere sich bei "25 verhaltenskreativen Kindern" am "mittleren Durchschnitt", sodass starke Schüler und schwache Schüler gleichzeitig auf der Strecke blieben, so Siggelkow.
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Deutlich mehr Erziehungsarbeit als früher?
Stephan Weil (SPD), Niedersachsens Ministerpräsident, pflichtete bei. Lehrerinnen und Lehrer würden ihm berichten, dass sie sich nicht nur um "guten Unterricht" kümmern müssten, sondern "um viel mehr Erziehung als früher". Dass "viele Erziehungsaufgaben, die noch vor gar nicht so langer Zeit in Familien besser erfüllt worden sind, heute der Schule überantwortet werden und dass sie sich damit überfordert fühlen".
Die Schlussfolgerung, die Weil daraus ziehe, ziehe er "nicht gerne". Denn er halte den Staat nicht für diejenige Instanz, "die für alles Gute im Leben sorgen könnte": "Aber wir werden uns noch sehr viel mehr anstrengen müssen, gerade zu versuchen, über unsere öffentlichen Angebote Erziehung mit zu leisten."
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Daher sei der "Rechtsanspruch auf einen Ganztagsplatz in der Grundschule" ein wirklich wichtiges Thema, bei dem es um viel mehr als um Betreuung, sondern "vor allen Dingen um mehr Zeit für Förderung und Erziehung" gehe. Weil gestand ein:
Siggelkow: Sprache ist Integration
Angebote seien "immer schön", entgegnete Siggelkow, dennoch würden sie oft nicht gelingen. Viele geflüchtete Kinder würden keinen Kitaplatz bekommen, weil es "nicht genug Kitas" gebe, weil die "Kita es sich nicht leisten kann, den Kindern Deutsch beizubringen":
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In der Arche in Berlin-Hellersdorf "haben wir fast nur geflüchtete Kinder im Alter von eins bis sechs, weil keine Kita in der Nachbarschaft sie übernimmt". Es heiße, die Eltern seien zu Hause, könnten sich um ihre Kinder kümmern und bräuchten somit keinen Kitaplatz.
Weil die Eltern "noch nicht arbeiten gehen, weil sie noch keinen richtigen Status haben, weil sie noch kein Deutsch können", beiße sich die Katze in den Schwanz:
In Deutschland würden wir Gebiete schaffen, "wo nur geflüchtete Menschen leben", und somit nicht deren Horizont erweitern. Dass unter ihnen eine Frustration herrsche, sei "kein Wunder". Wir hätten es jahrelang versäumt, den Menschen Deutsch zu vermitteln und zu sagen: "Sprache ist Integration."
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