Wahl in Thüringen: Steht der Freistaat auf der Kippe?

    Eine Woche vor der Landtagswahl:Steht Thüringen auf der Kippe?

    von Mona Trebing
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    Eine Woche vor der Landtagswahl herrscht ein rauer Ton in Thüringen - in der Politik und auch unter den Menschen. Für den Freistaat geht es um viel.

    ZDF-Polibarometer Thüringen
    Gut eine Woche vor der Landtagswahl in Thüringen liegt die AfD mit 30 % klar vorne. Eine deutliche Mehrheit spricht sich dabei gegen Björn Höcke als Ministerpräsidenten aus. 23.08.2024 | 1:31 min
    Endspurt im Thüringer Wahlkampf: Noch eine Woche, dann dürfen rund 1,7 Millionen Thüringerinnen und Thüringer an die Wahlurnen, um ihren neuen Landtag zu wählen. Laut aktuellem ZDF-Politbarometer käme derzeit die AfD auf 30 Prozent und könnte mit Abstand stärkste Kraft werden. Die CDU läge mit 23 Prozent auf Platz zwei, dahinter das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) mit 17 Prozent und die Linke mit 14 Prozent.

    Politbarometer: Grüne und FDP nicht mehr im Landtag

    Die SPD würde es mit sechs Prozent knapp in den Landtag schaffen. Grüne und FDP wären nicht mehr vertreten. Da alle demokratischen Parteien derzeit ausschließen, ein Bündnis mit der in Thüringen vom Landesverfassungsschutz als erwiesen rechtsextrem eingestuften AfD einzugehen, droht die Regierungsbildung nach der Wahl in Thüringen am 1. September ein echtes politisches Gezerre zu werden.
    Erfurter Dom und das Länderwappen Thüringens
    Thüringen vereint ländliche Regionen und moderne Städte. Vieles hat sich seit der Wende verändert. Hier sind einige Eckdaten zur Bevölkerung und zur wirtschaftlichen Situation. 21.08.2024 | 0:57 min

    Spitze Zungen im Thüringer Wahlkampf

    Das liegt auch daran, dass der Ton in diesem Thüringer Wahlkampf deutlich rauer geworden ist. Die CDU wirft dem BSW beispielsweise Wählertäuschung vor, Grünen-Spitzenkandidat Bernhard Stengele sagte, das BSW sei "keine Partei", sondern komme "einer Sekte" nahe. AfD-Chef Höcke sprach davon, auf der CDU "rumprügeln" zu wollen - viele spitze Zungen.
    Die politische Kommunikation zu Wahlkampfzeiten habe sich in den letzten Jahren bei nahezu allen Parteien immer weiter von Inhalten entfernt, sagt Prof. Miriam Müller-Rensch, die die Forschungsstelle "Radikalisierung und gewaltsame Konflikte" der Fachhochschule Erfurt leitet. Stattdessen sollen Wählerinnen und Wähler auf der Gefühlsebene angesprochen werden.
    Andreas Wunn und Melanie Haack
    "Alle wollen, dass Thüringen regierbar bleibt", so Melanie Haack, ZDF-Studioleiterin in Thüringen über die anstehende Landtagswahl. Die Regierungsbildung könne sich hinziehen. 23.08.2024 | 4:21 min

    Politische Konkurrenz wird zu Feindbildern

    Fronten würden aufgemacht, die Konkurrenz zu Feindbildern stilisiert, so Müller-Rensch. Dies könne in einer Demokratie schnell hochproblematisch werden.

    Zum einen dann, wenn mit eben jenen erklärten Erzfeinden eine Koalition gebildet und gemeinsam regiert werden soll.

    Prof. Miriam Müller-Rensch, Professorin für Soziologie und internationale soziale Ungleichheit

    So würden die gewählten Parteien und Politikerinnen und Politiker schnell unglaubwürdig.
    Die CDU hält bislang auch an ihrem Unvereinbarkeitsbeschluss mit den Linken fest. Rein rechnerisch hätte eine Koalition aus CDU, BSW und SPD zwar aktuell eine hauchdünne Mehrheit - doch inhaltlich scheint Konsens zu fehlen. CDU und SPD wettern gegen Ansagen von BSW-Gründerin Sahra Wagenknecht.
    Das Bündnis Sahra Wagenknecht in Thüringen
    Große Themen und große Forderungen von einer Partei, die es kaum ein halbes Jahr gibt. Das BSW ist in den Umfragen zweistellig, obwohl das Parteiprogramm viele Fragen aufwirft.23.08.2024 | 2:21 min

    Sahra Wagenknecht will in Thüringen mitmischen

    Wagenknecht steht in Thüringen zwar nicht zur Wahl, will hier wohl aber bei möglichen Koalitionsverhandlungen mitmischen, wirft Positionen zu Krieg und Frieden als Koalitionsbedingung in den Raum. Obwohl über Krieg und Frieden wohl nicht in Thüringen entschieden wird.
    Auch in der Zivilgesellschaft brodelt es. So wurden laut Polizei in diesem Wahljahr etwa doppelt so viele Wahlplakate zerstört wie noch 2019. Der Leiter der Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, Jens-Christian Wagner, hatte sich jüngst in einem Rundschreiben an rund 300.000 Thüringerinnen und Thüringer über 65 Jahren klar gegen die AfD positioniert. Seitdem erhält er Drohungen. In Jena ging die Polizei mit Pfefferspray und Schlagstöcken gegen Demonstrierende vor, die einen Auftritt von AfD-Spitzenkandidat Björn Höcke verhinderten.
    stadtansicht von gera
    Viele Menschen verließen die thüringische Stadt Gera nach der Wende, weil Betriebe dicht machten. Trotz Arbeitslosigkeit und Flüchtlingswelle wirbt man für ein besseres Image. 29.07.2024 | 2:58 min

    AfD kann sich als Opfer stilisieren

    "Trifft nun öffentlicher Protest im Wahlkampf den Auftritt eines Vertreters der extremen Rechten wie Björn Höcke, werden schnell unverhältnismäßige Parallelen gezogen und politischer Gegenwind mit persönlichen Drohungen gleichgesetzt", sagt Miriam Müller-Rensch zu ZDFheute. Höckes Partei könne das Vorteile verschaffen, indem sie die generierte Aufmerksamkeit nutze und sich selbst als Opfer stilisiere.

    Vor allem die extreme Rechte ist derzeit in der Lage, dieses "window of opportunity" strategisch für sich erfolgreich zu nutzen, um sich in Zeiten der sozialen und politischen Unsicherheit eben als "Alternative" jenseits des Establishments anzubieten und selbst die Macht zu übernehmen.

    Prof. Miriam Müller-Rensch, Soziologin

    Laut Politbarometer sind 59 Prozent der Thüringerinnen und Thüringer gegen eine Regierungsbeteiligung der AfD. Viele hier wollen einen Rechtsruck verhindern. Mehrere Bündnisse und auch der DGB Hessen-Thüringen haben für den heutigen Sonntag, eine Woche vor der Landtagswahl, in Erfurt zu einer Großdemo aufgerufen. Sie wollten sichtbar machen, dass "ein großer Teil der Menschen Thüringens sich klar gegen Rechts stellt", sagten die Veranstalter im Vorfeld.

    Eine Person hält ein Smartphone in der Hand. Darauf ist der WhatsApp-Channel der ZDFheute zu sehen.
    Quelle: ZDF

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