Koalitionsverhandlungen: Streit über Migration und Kiffen
Analyse
Migration, Sicherheit, Cannabis:So weit sind Union und SPD voneinander entfernt
von Mathis Feldhoff
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Seit Montagabend werden die Verhandlungsergebnisse von Union und SPD zusammengefasst. Die Papiere sollten vertraulich bleiben. Doch nun gibt es erste Leaks aus den Arbeitsgruppen.
Vor allem bei den Themen Migration und Sicherheit konnten sich die Verhandler von Union und SPD noch nicht einigen.
Quelle: dpa
Es sind blaue und rote Klammern, die beschreiben, wo man sich noch nicht geeinigt hat. Manches erscheint banal und ist vielleicht nur Verhandlungsmasse. Anderes dagegen ist geprägt von einer tiefen inhaltlichen Zerstrittenheit der künftigen Koalitionäre.
Schon die erste Klammer in dem Papier aus der "AG1 - Innen, Recht, Migration und Integration", das dem ZDF mit dem Stand vom 24. März 2025, 19 Uhr vorliegt, zeigt, dass man in ganz grundsätzlichen Fragen über Kreuz liegt. In blauen Klammern, als Zeichen für eine Unionsposition, steht da:
Mit einer neuen nationalen Sicherheitsstrategie, einem nationalen Sicherheitsrat und einem nationalen Sicherheitsberater unterstützen wir die Realisierung dieser Ziele.
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Unionsposition in der Arbeitsgruppe Innen, Recht, Migration und Integration
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Die Ziele sind vorher definiert und auch geeint: eine Zeitenwende in der inneren Sicherheit. Umstritten aber sind die Maßnahmen. Dass die SPD an dieser Stelle keinen Gegenvorschlag in Rot formuliert, zeigt, dass es vor allem darum geht, dem neuen Kanzler - bei dem ein Sicherheitsrat und -berater angesiedelt würde - nicht zu viel Macht zuzugestehen.
Kippt das Cannabisgesetz?
Weite Teile in dem zwanzigseitigen Papier sind Konsens. Die Elementarschadenversicherung soll als Pflicht für Neuverträge kommen, der Ticket-Zweitmarkt für große Sportveranstaltungen stärker reguliert und das Urheberrecht soll besser geschützt werden. Keine Einigung gibt es dafür beim Cannabisgesetz. Wieder in Blau steht im Entwurf:
Wir machen die Teillegalisierung (…) wieder rückgängig.
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Position der Union zum Cannabisgesetz
So hatten es Friedrich Merz und Co. im Wahlkampf immer wieder versprochen. Die SPD braucht diesmal keinen Gegenvorschlag. Offenbar will sie, dass alles so bleibt, wie es ist. Ein weiterer Punkt, der am Ende vielleicht zwischen den Parteichefs verhandelt werden muss.
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Genauso wie die SPD-Initiative zum Schwangerschaftsabbruch. Dies soll, so steht es in Rot im Text, "außerhalb des Strafrechtes" geregelt werden und nach einer Beratung "rechtmäßig" sein. Die SPD-Frauen haben das erst letzte Woche als eine Bedingung für die Zustimmung zu einem Koalitionsvertrag genannt.
Großkonflikt Migration
Im Abschnitt Migration scheint ebenfalls vieles noch umstritten. Auch wenn die Zurückweisung an den Grenzen, wie im Sondierungspapier festgehalten, "in Abstimmung mit unseren europäischen Nachbarn" als geeint angesehen wird. Hinter den Kulissen aber wird immer noch über den Begriff "in Abstimmung" diskutiert. Während CDU und CSU darauf bestehen, das bedeute "Information" der Nachbarn, bestehen die Sozialdemokraten auf einer "Zustimmung" der Nachbarn.
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Ganz offen zeigen sich die Konflikte dagegen an anderen Punkten. Die Union besteht auf "Asylverfahren in sicheren Drittstaaten", "zentrale Asylverfahren für beschleunigte Verfahren", sowie die Kürzung von Sozialleistungen für Ausreisepflichtige "auf das verfassungsrechtlich Erforderliche". Alles wird von der SPD bisher abgelehnt.
Beim Bleiberecht für Flüchtlinge, die bisher nur einen zeitweisen Schutzstatus haben, will die SPD dagegen eine "Perspektive finden". Das sogenannte "Chancen-Aufenthaltsrecht" soll verlängert werden - etwas, was die Union strikt ablehnt. Und auch beim Staatsangehörigkeitsrecht kracht es. Die Sozialdemokraten wollen das Projekt der Ampel-Koalition offenbar auch in der schwarz-roten Koalition retten.
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Die Union besteht darauf, dass insbesondere bei "Terrorunterstützern, Antisemiten und Extremisten" die deutsche Staatsbürgerschaft auch entzogen werden kann - vorausgesetzt es gibt eine weitere Staatsbürgerschaft. Es scheint nicht unmöglich, dass die Verhandler in der nächsten Woche zu all diesen Einzelheiten Kompromisse finden. Aber es sind große Brocken, die die Arbeitsgruppe zu Innen, Recht, Migration und Integration den Chefverhandlern hinterlassen hat. Und es gibt 16 weitere Arbeitsgruppen.
Quelle: dpa
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