Top-Ökonom Südekum fordert Strukturreform von Union und SPD
Interview
Top-Ökonom Südekum:"Im Kernhaushalt ist de facto kein Geld übrig"
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Ökonom Südekum fordert im ZDFheute-Interview von den angehenden Koalitionären von Union und SPD Strukturreformen in Sachen Finanzen. Sie seien "wichtiger als alles Geld der Welt".
Union und SPD setzen ihre Koalitionsgespräche fort. Die Hauptverhandlungsgruppe auf Führungsebene soll in den noch offenen Streitpunkten für Einigkeit sorgen.31.03.2025 | 2:01 min
"Reformen sind viel wichtiger als alles Geld der Welt", gibt Jens Südekum, Professor für Internationale Volkswirtschaftslehre an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, den Koalitionsverhandlern von Union und SPD mit auf den Weg. Denn "im Kernhaushalt ist de facto kein Geld übrig", warnt der Ökonom im Gespräch mit ZDFheute.
Die Sendung "maybrit illner" mit dem Thema "Schwarz-roter Streit ums Geld - wachsen nun die Schulden?" sehen Sie diesen Donnerstag, 03. April 2025, um 22:15 Uhr im ZDF live im TV und in der ZDFmediathek, auch auf Abruf.
Es diskutieren: Lars Klingbeil (SPD), Partei- und Fraktionsvorsitzender, Markus Söder (CSU), Parteivorsitzender und Ministerpräsident Bayern, Hildegrad Müller, Präsidentin des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), Jens Südekum, Ökonom, Professor für Volkswirtschaft, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
ZDFheute: Bei den Kosten für Sicherheit und Verteidigung einigten sich CDU/CSU und SPD schnell auf eine Schuldenfinanzierung. Beide wollen nun noch Steuerentlastungen für Unternehmen und Bürger. Ist dafür noch Geld da?
Jens Südekum: Über die Schuldenbremsen-Reform haben wir sehr viel Geld für Infrastruktur und unbegrenztes Geld für Verteidigung, aber im Kernhaushalt ist de facto kein Geld übrig. Diese finanzpolitische Realität scheint mir noch nicht bei den Verhandlern angekommen zu sein.
Für alles, was in den Sondierungspapieren steht, also Steuersenkungen, Mütterrente, Agrardiesel-Subventionen, Mehrwertsteuersenkung für die Gastronomie, ist kein Geld mehr da.
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Jens Südekum, Ökonom
Der Bundesrat hat den Grundgesetzänderungen für die Lockerung der Schuldenbremse zugestimmt. Dem Milliardenpaket für Verteidigung und Infrastruktur steht damit nichts mehr im Weg.21.03.2025 | 1:46 min
ZDFheute: Könnte die notwendige Gegenfinanzierung durch Sparmaßnahmen erfolgen?
Südekum: Bis jetzt kenne ich keine einzige konkrete Idee für Einsparungen in nennenswerter Größe. Das Einzige, was funktionieren wird, ist, wenn das Wachstum schnell anspringt und die Steuereinnahmen wieder steigen.
ZDFheute: Was muss die neue Regierung dafür zu leisten?
Südekum: Im Koalitionsvertrag sollte als wichtigstes Projekt festgeschrieben werden, mit Strukturreformen dafür zu sorgen, das Geld aus dem Infrastrukturprogramm zielgerichtet auf die Straße zu bringen.
Reformen sind viel wichtiger als alles Geld der Welt.
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Jens Südekum, Ökonom
Leider steht zu den notwendigen Reformen bei Beschleunigungs-, Planungs- und Genehmigungsverfahren noch nichts in den Sondierungspapieren.
ZDFheute: Und wenn das nicht passiert?
Südekum: Davon hängt aber ab, ob wir tatsächlich Wachstum bekommen oder doch die Inflation steigt, weil zu viel Geld im Markt ist. Das ist eine einmalige Chance, die wir unbedingt nutzen müssen. Spätestens im Jahr 2026 könnte das Wachstum dann wieder anspringen und um 0,7 bis 0,8 Prozent oder sogar um einen ganzen Prozentpunkt steigen.
Quelle: Imago
... Professor für Volkswirtschaftslehre an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. In seiner Forschung beschäftigt er sich mit Außenhandel, Regionalpolitik, Digitalisierung und lokalen Arbeitsmärkten. Er ist Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) und als wirtschaftspolitischer Berater für diverse (inter-)nationale Institutionen und politische Parteien aktiv. Er hat gemeinsam mit Ifo-Präsident Clemens Fuest, IW-Direktor Michael Hüther und IfW-Chef Moritz Schularick – der sogenannten Ökonomen-"Viererbande" – die Ideen für eine Reform der Schuldenbremse und höhere Verteidigungsausgaben entwickelt.
ZDFheute: Die deutsche und die europäische Wirtschaft werden nun auch noch durch US-Zölle belastet. Wie sollte man damit umgehen?
Südekum: Es ist das etablierte Prinzip der Außenhandelspolitik, auf dem die gesamte Welthandelsorganisation beruht, dass man ungerechtfertigte Zölle mit Gegenzöllen beantwortet. Und dieses Prinzip muss aus meiner Sicht auch durchgehalten werden.
Die EU belegt Auto-Importe aus den USA derzeit mit 10 Prozent Zoll. Die USA haben bislang nur 2,5 Prozent für Einfuhren aus der EU verlangt. Nun erhöht Trump die Zölle auf 25 Prozent – eine Verzehnfachung.02.04.2025 | 1:55 min
Donald Trump hat schon in seiner ersten Amtszeit Zölle auf Stahl und Aluminium erhoben. Wir haben darauf mit Zöllen auf Erdnussbutter oder Orangen reagiert. Das müssen wir jetzt wieder so machen. Aber gleichzeitig muss auch immer eine ausgestreckte Hand da sein und die Frage, wollen wir nicht einfach beide die Zölle wieder wegnehmen? 2018 hat das funktioniert. Die USA und die EU einigten sich auf ein Freihandelsabkommen mit 0 Prozent Zöllen auf alle Industriegüter, das aber nie realisiert wurde, weil kurz danach die Pandemie anfing und alle Aufmerksamkeit absorbierte.
ZDFheute: Die Zoll-Politik von Trump macht einen chaotischen Eindruck, erkennen Sie ein Ziel dahinter?
Südekum: Das Ziel dahinter ist eigentlich die Botschaft an Unternehmen, zum Beispiel an die Autobauer, kommt doch bitte in die USA, dann seid ihr sicher und müsst garantiert keine Zölle zahlen. Die beiden großen Gorillas in der Weltwirtschaft, die USA und China, machen knallharte Industriepolitik und Europa muss mitziehen.
Das Interview führt Berit Suhr aus der Redaktion "maybrit illner".
Quelle: dpa
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