Klimaschutzprojekte in China: Umweltministerium unter Druck

    Klimaschutzprojekte in China :Klimabetrug? Umweltministerium unter Druck

    von H. Koberstein, N. Niedermeier und M. Orosz
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    Die Mineralölwirtschaft erfüllte Klimaschutzvorgaben mit vorgetäuschten Projekten in China. Das deckte ZDF frontal auf. Jetzt fordert der Bundestag Aufklärung beim Klimabetrug.

     Die Anlage eines der offenbar vorgetäuschten Klimaschutzprojekte in China, mit dem amtlichen Kürzel BZIA .
    Die Anlage eines der offenbar vorgetäuschten Klimaschutzprojekte in China, mit dem amtlichen Kürzel BZIA .
    Quelle: ZDF

    In dem Skandal um vorgetäuschte Klimaschutzprojekte der deutschen Mineralölindustrie in China gerät das Bundesumweltministerium unter Druck. "Umweltministerin Lemke selbst trägt die politische Verantwortung für diesen Skandal", sagt Anja Weisgerber (CSU), klimapolitische Sprecherin der Unionsfraktion im Bundestag. Lemke müsse die Aufklärung zur Chefsache machen.
    Zapfpistole in der Tanköffnung
    Mit Klimaschutzprojekten in China können Mineralöl-Konzerne in Deutschland ihre gesetzlich vorgegebenen Klimaziele erreichen. Doch viele davon existieren nur auf dem Papier.28.05.2024 | 10:36 min
    Dem Umweltministerium untersteht das Umweltbundesamt (UBA), das in den vergangenen Jahren die Klimaschutzprojekte in China genehmigt hatte. Die Behörde erhielt schon vor fast einem Jahr konkrete Hinweise auf Betrug, leitete aber erst im April dieses Jahres ernsthafte Ermittlungen ein.

    Der eigentliche Skandal ist, dass im Umweltbundesamt und im Umweltministerium schlicht viel zu spät gehandelt wurde.

    Christian Hirte (CDU), Mitglied des Bundestages

    Umweltausschuss im Bundestag diskutiert über Klimabetrug

    Jetzt hat sich der Umweltausschuss im Bundestag mit dem Klimabetrug befasst. Abgeordnete aller Fraktionen forderten Aufklärung des schwerwiegenden Betrugsverdachts durch das Umweltbundesamt.

    Wir sehen 40 Projekte kritisch und überprüfen diese weiter. Bei zehn Fällen davon haben wir besonders deutliche Hinweise, die einen Verdacht auf Betrug nahelegen.

    Dirk Messner, Präsident Umweltbundesamt

    In der nicht öffentlichen Ausschusssitzung forderten Unionsvertreter ein sofortiges Moratorium, also einen Stopp aller China-Projekte

    Wir fordern ein sofortiges Moratorium und es muss auch die rückwirkende Aberkennung dieser Zertifikate geben.

    Anja Weisgerber, Klimapolitische Sprecherin der CSU

    Das sei rein rechtlich nicht sofort möglich, erklärte der parlamentarische Staatssekretär des Bundesumweltministeriums, Jan-Niclas Gesenhues (Grüne). Er schob die Verantwortung auf die Vorgängerregierung, die solche Klimaschutzprojekte auf Wunsch der Mineralölindustrie ermöglicht habe. Dieses System sei aber "offensichtlich betrugsanfällig, schadet dem Wettbewerb, schadet dem Klimaschutz", so Gesenhues.

    Deswegen werden wir als Bundesregierung die Anrechnung der Emissionsminderung jetzt beenden.

    Jan-Niclas Gesenhues, parlamentarische Staatssekretär des Bundesumweltministeriums

    Das Umweltbundesamt kündigte an, eine externe Kanzlei mit Erfahrungen im Bereich der Wirtschaftskriminalität für die weitere Aufklärung einzuschalten. Außerdem wurden chinesische Behörden um Amtshilfe gebeten. Ziel sei eine Prüfmission nach China zu entsenden, um Verdachtsfälle aufzuklären, sagt UBA-Präsident Dirk Messner.
    Bildmontage: Schornsteine stoßen Emissionen aus, darüber Wischer mit Regenwald
    Praktisch jeder internationale Großkonzern will klimaneutral werden – zumindest offiziell. Recherchen zeigen: Ambitionierte Klimaversprechen sind häufig wenig mehr als heiße Luft.23.11.2023 | 35:48 min
    Bislang hat das Amt nur zwei Klimaschutzprojekte in China rückabgewickelt. Elf weitere Projekte werden derzeit amtlich erneut überprüft.

    ZDF-Recherche: Klimaschutzprojekte existieren nur auf dem Papier

    Insgesamt 65 der Klimaschutzprojekte entstanden seit 2020 in China, die meisten in der für Nicht-Chinesen schwer zugänglichen Provinz Xinjiang. Es geht dabei um sogenannte UER-Projekte, die bei der Ölförderung CO2-Emissionen einsparen sollen.

    Mit der Idee von sogenannten Upstream Emission Reduction Projekten gab der Gesetzgeber in Deutschland 2020 Mineralölkonzernen eine zusätzliche Möglichkeit, die gesetzlichen Klimaschutzziele im Verkehrssektor zu erfüllen. Bei den meisten Projekten sollen CO2-Emissionen bei der Ölförderung reduziert werden. In der Regel soll das Begleitgas, das bei der Förderung anfällt, nicht mehr abgefackelt, sondern genutzt werden.

    Für jedes Kilogramm CO2, das so eingespart wird, gibt es ein UER-Zertifikat. Diese Zertifikate können Mineralölkonzerne nutzen, um ihre gesetzliche Treibhausgasminderungsquote zu erfüllen. Außerdem können sie die Zertifikate an andere Mineralölunternehmen verkaufen. Anfangs war ein UER-Zertifikat mehr als 400 Euro wert. Der Preis ist mittlerweile stark gefallen.

    ZDF frontal hatte aufgedeckt, dass viele dieser Projekte nur auf dem Papier existieren. Mindestens ein Viertel der UER-Projekte hätte demnach nicht genehmigt werden dürfen. Insgesamt geht es bei den Projekten in China um einen Wert von mindestens 1,7 Milliarden Euro und 7,7 Millionen Tonnen angeblich eingespartes CO2.
    Projektträger sind Ölmultis wie Shell, Rosneft und TotalEnergies. Die schlagen die Kosten für die Projekte auf den Kraftstoffpreis auf. Deshalb zahlen Verbraucher dafür, wenn sie Tanken oder Heizöl kaufen.
    Die Ölkonzerne haben den Betrugsvorwurf gegenüber ZDF frontal zurückgewiesen und erklärt, dass ihre Projekte von unabhängigen Prüfinstituten testiert worden seien. Recherchen von ZDF frontal sorgen jedoch für Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Prüfstellen.

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