Rosenmontagszüge vorgestellt: Der Kanzler als Faultier

Der Karneval hat immer auch etwas Staatstragendes. Bevor sich das große graue Rolltor zur Wagenhalle des Kölner Festkomitees öffnet, spielen fünf Bläser und ein Trommler eine Fanfare, und als sich das Tor dann öffnet, steigt weißer Bühnen-Nebel aus der Öffnung und verhindert zunächst die Sicht auf das, was die Karnevalisten eigentlich zeigen wollen.

Als sich der Nebel dann verzogen hat, wird klar, dass auch dieses Jahr die Politik beim Rosenmontagszug ihr Fett wegbekommen wird. Und zwar alle - egal, welcher Couleur. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wird sich in mindestens drei Städten als Großfigur wiederfinden. Steilvorlagen für die Wagenbauer gab es im vergangenen Jahr genug.

Und so ist Olaf Scholz auf einem Wagen als selig schlafendes Faultier mit einem Shakespeare-Zitat auf einem Baum zu sehen: "Der Rest ist Schweigen." Das sei "geradezu das perfekte Sinnbild für die ganze Leidenschaft und Dynamik, mit der Kanzler Scholz die Regierungsgeschäfte führt", vermerken die Karnevalisten spöttisch.

Der Kölner Zug zeigt außerdem Außenministerin Baerbock (Grüne) als Elefant im Porzellanladen, Finanzminister Lindner (FDP) als Sparschwein, AfD-Chefin Alice Weidel, die von der Ampel-Koalition zu neuer Größe aufgeblasen wird und Sahra Wagenknecht (BSW) beim extremen Spagat zwischen rechtem und linkem Rand.

Nur zu Friedrich Merz (CDU) ist den Kölnern offenbar nichts eingefallen. "Er wäre einen Wagen wert gewesen, aber wir haben eher den Fokus auf die Regierung gelegt", so Kirsch.

Dafür hält die große Weltpolitik Einzug in den Rosenmontagszug. Wladimir Putin, Xi Jinping und dem Führer des Iran Ali Chamenei haben sie ein Brett vor den Kopf genagelt: "Bretter, die die Welt bedeuten." Und Ukraines Präsident Wolodymyr Selenskyj fragt, mit einem Nato-Helm in der Hand: "To be or Nato to be?".

In Mainz dagegen erleidet der Bundeskanzler Schiffbruch. Dabei trägt der Bundeskanzler auf dem Motivwagen des Mainzer Carneval-Vereins (MCV) Augenklappe.

Wirtschaftsminister Habeck (Grüne) verliert als fliegender Robert - angetrieben von einer Wärmepumpe - die Bodenhaftung. Und dem erschrockenen Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) fliegt als "Master of Desaster" der Experimentierkasten Gesundheitswesen um die Ohren.

Alice Weidel und die ehemalige Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht werden als Barbies von Putin als Ken chauffiert. Mit blutigen Händen hält er das Steuer. Auf einem anderen Wagen versucht sich CDU-Chef Merz dagegen zu wehren, an der Krawatte von einer AfD-Frau in blauer Reizwäsche über ein Brandmäuerchen gezogen zu werden, dahinter brauner Sumpf.

170 Kilometer weiter rheinabwärts steht Jacques Tilly mit einer roten Zipfelmütze auf dem Kopf in der alten Wagenhalle der Düsseldorfer Rheinbahn und grinst verschmitzt. Seit den 1980er Jahren entwirft der 59-Jährige mit seinem Team bitterböse Motivwagen für den Rosenmontagszug in der Landeshauptstadt und löst damit oft hitzige Diskussionen aus.

Seit 2000 werden sie deshalb vorab nicht mehr veröffentlicht. Davor hätten tatsächlich einige Wagen vorher umgebaut werden müssen oder seien ganz verboten worden, so Tilly. "Wir wollen hier ganz ohne Zensur arbeiten", sagt er jetzt. Deshalb:

Auch in Köln haben sie noch Überraschungen in der Hinterhand: zwei Motivwagen sollen erst am Rosenmontag enthüllt werden.