SPD-Abgeordneter Karamba Diaby über Rassismus in Deutschland
Abgeordneter verlässt Bundestag:Diaby: "Schwarz ist nicht meine Identität"
von Annette Pöschel
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Karamba Diaby wurde 2013 als erster in Afrika geborener Schwarzer in den Bundestag gewählt, den er nun verlässt. Im Interview spricht der SPD-Politiker über die Folgen von Rassismus.
"Ich habe immer gesagt, ich möchte nicht auf meine Hautfarbe reduziert werden. Schwarz ist nicht meine Identität", sagt Karamba Diaby.
Quelle: Imago
Karamba Diaby dürfte 2013 der wohl bekannteste Bundestagsneuling gewesen sein. Wochenlang umringt von Kameras. Journalisten - auch aus den USA, Brasilien, Japan oder Tansania etwa - wollten genau wissen, wer der SPD-Politiker ist, was er tut, was er sagt. Ungläubig schienen sich viele die Augen zu reiben. Ein Schwarzer! Aus Ostdeutschland! Aus Halle an der Saale, wo Rechtsradikale mancherorts beachtlichen Zulauf fanden.
"Der Spiegel hatte meine Kandidatur zuvor als 'Experiment' bezeichnet", erinnert sich Diaby. Und fügt verschmitzt hinzu: "Rückblickend kann ich sagen, dieses Experiment ist geglückt. Ich bin zwei Mal wieder gewählt worden, zuletzt als Direktkandidat mit dem besten Ergebnis in Sachsen-Anhalt, und ich konnte mich für meine Themen erfolgreich stark machen."
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Geoökologe und Sozialdemokrat
Soziale Gerechtigkeit war ihm, dem Sozialdemokraten, immer wichtig. Nachhaltigkeit, ihm dem Geoökologen. Und vor allem Bildung, ihm dem Waisen aus Senegal, der Mitte der 80er Jahre in die DDR zum Studium kam. Doch statt um Inhalte ging es lange um Äußeres, um seine Hautfarbe. Ist das Rassismus?
"Nein, für mich ist das eher ein Armutszeugnis für Deutschland", sagt Diaby. "Wenn jemand, der wie ich zu dem Zeitpunkt schon fast 30 Jahre in Deutschland gelebt, studiert und promoviert hat, eine Familie gegründet hat, ehrenamtlich engagiert ist - dass das eine Sensation ist, wenn so jemand in den Bundestag einzieht. Zumal jeder Dritte in Deutschland einen Migrationshintergrund hat. Rund eine Million einen afrikanischen."
Zu seinem Selbstverständnis sagt Diaby im Gespräch mit ZDFheute:
Ich habe immer gesagt, ich möchte nicht auf meine Hautfarbe reduziert werden. Schwarz ist nicht meine Identität.
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Karamba Diaby
Quelle: dpa
… wurde 1961 im Senegal geboren. Mitte der 80er Jahre kam er zum Chemie-Studium in die die DDR, nach Halle an der Saale, wo er noch heute mit seiner Familie lebt. Hier entdeckte er auch seine große Liebe zur Kleingärtnerei. Er arbeitete in verschiedenen sozialen Projekten zu Integration und Bildung, bevor er 2008 in die SPD eintrat.
2013 zog er über die Landesliste von Sachsen-Anhalt als erster in Afrika geborener Schwarzer in den Bundestag ein. 2024 kündigte er an, nicht mehr kandidieren zu wollen. Um nach fast zwölf Jahren im Bundestag Platz zu machen für junge Politiker und für mehr Zeit mit der Familie. Er bleibt weiterhin in mehreren Ehrenämtern aktiv.
Diaby: AfD-Auftritte voller Hass
Im Parlament habe das bald keine Rolle mehr gespielt. Was zählte, war die Sacharbeit. Da musste er sich wie alle anderen auch Respekt erarbeiten. 2017 sollte sich das ändern: "Das war eine Zäsur im parlamentarischen Leben", sagt Diaby und erklärt:
Seit die AfD in den Bundestag eingezogen ist, hat sich die Atmosphäre im Parlament verschlechtert, vor allem durch den aggressiven Ton. Deren Auftritte sind voller Erniedrigungen, Hass und persönlichen Beleidigungen.
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Karamba Diaby
Diaby erinnert sich dabei an eine Bundestagsdebatte zum Thema Flüchtlinge. An die Rede eines AfD-Abgeordneten. "Er sagte verächtlich: 'Wir wollen keine Masseneinwanderung von ungebildeten Afrikanern', dabei zeigte er direkt auf mich." Diaby hat einen Doktor in Chemie.
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Diese Verrohung der Sprache, das oft feindselige Auftreten der AfD im Parlament, auf Kundgebungen, auf Social Media sind für ihn "Nährboden für Gewalt in der Gesellschaft, auf der Straße. Viele Hassbotschaften, die ich bekomme, berufen sich auf die AfD."
Morddrohungen und Anschläge auf Wahlkreisbüro
Seit sich Karamba Diaby politisch engagiert, hat er Hunderte solcher Mails bekommen. Postkarten auch an seine Privatadresse, etwa mit der Aufforderung, das Land zu verlassen, unterschrieben mit Heil Hitler. Mehrmals bekam er Morddrohungen, wurden auf sein Wahlkreisbüro Anschläge verübt.
Diaby ärgert es, wenn manch einer das nun vielleicht als "Erfolg" verbucht, dass er nicht mehr zu Wahl angetreten ist. "Aber ich hatte da schon seit einem Jahr drüber nachgedacht, was will ich weiter machen? Reicht es nicht nach drei Wahlperioden?"
Und wie sollen denn junge Leute nach oben kommen, wenn die über 60-Jährigen nicht abtreten? Wann soll da ein 30-Jähriger kandidieren?
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Karamba Diaby
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Diaby warnt vor Spaltung
Sich nicht einschüchtern lassen. Sich weiter einsetzen, ehrenamtlich für das Gute, das Gerechte. Das ist für Karamba Diaby wichtiger denn je, jetzt da die Migrationsdebatte schärfer geführt wird.
Dass die AfD mittlerweile ganz selbstverständlich von Remigration spricht, macht ihm Angst. Nicht für ihn selbst. "Ich bin viel in Schulen zu Gast. Da werde ich oft gefragt, können wir jetzt nicht mehr hierbleiben? Sie sind hier geboren, fühlen sich aber nicht als Teil der Gesellschaft."
Man gibt ihnen das Gefühl, sie seien eine Gefahr. Das trägt zur Spaltung der Gesellschaft bei. Ja und was wäre denn, wenn plötzlich alle weg wären, alle Ärzte und Pfleger mit Migrationsgeschichte?
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Karamba Diaby
Dabei sei der Ton ja allgemein in der Gesellschaft rauer geworden, aggressiver. Es gebe mehr Anfeindungen, die Gewalt nehme zu. Nicht nur gegen Migranten, sondern ganz allgemein - zum Beispiel ja auch gegen Frauen, beobachtet er.
Und findet darum auch, die Probleme zu lösen sei nicht allein Aufgabe der Politiker: "Jeder muss sich in unserer Gesellschaft wohlfühlen und beteiligen können. Also muss auch jeder überlegen, was er dazu beitragen kann."
Der SPD-Bundestagsabgeordnete Karamba Diaby will nach der Legislaturperiode nicht wieder für den Bundestag kandidieren. Er wolle neuen Abgeordneten Platz machen, so Diaby.
Quelle: dpa
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