Berufsverbände fordern Schutz der Justiz auf Landesebene
Nach AfD-Erfolgen bei Ost-Wahlen:Berufsverbände fordern Schutz der Justiz
von Alexandra Tadey
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Bei den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen konnte die AfD Erfolge feiern. Als Reaktion fordern zwei Berufsverbände nun einen besseren Schutz der Justiz.
Sorge um die Justiz: Zwei Berufsverbände appellieren an die Politik.
Nach den Wahlerfolgen der AfD in Thüringen und Sachsen schlagen jetzt der Deutsche Richterbund und der Deutsche Anwaltsverein Alarm: Sie fordern einen besseren Schutz der Justiz auch auf Landesebene.
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Richterbund: Justiz gegen extremistische Kräfte sichern
Der Bundesgeschäftsführer des Deutschen Richterbundes, Sven Rebehn, erklärt gegenüber dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND), dass es mit Blick auf die jüngsten Wahlergebnisse dringender denn je sei, die Unabhängigkeit der Justiz in Bund und Ländern besser gegen gezielte politische Eingriffe durch "illiberale, extremistische Kräfte zu sichern":
Wenn eine Partei im Landtag mehr als ein Drittel der Abgeordneten stellt, kann sie einzelne Entscheidungen verhindern oder zumindest verzögern. Dies betrifft Entscheidungen, für die es eine Zweidrittelmehrheit aller gewählten Abgeordneten bedarf. In Thüringen sind das etwa: Die Auflösung des Landtags, Verfassungsänderungen, die Wahl des Präsidenten und der Richter des Thüringer Verfassungsgerichtshof und die Wahl des Präsidenten und des Stellvertreters des Landesrechnungshofs.
AfD könnte Wahl von Richtern blockieren
In Thüringen werden - wie in anderen Bundesländern auch - zum Beispiel die Verfassungsrichter mit einer Zweidrittelmehrheit vom Landtag gewählt. Dadurch, dass die AfD in Thüringen mehr als ein Drittel der Abgeordneten stellt, könnte die in Thüringen als gesichert rechtsextrem eingestufte Partei die Wahl von Richtern des Verfassungsgerichtshofs blockieren. Bis zum Jahr 2029 endet in Thüringen die Amtszeit aller derzeitigen Mitglieder.
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Das Verfahren der Wahl von Richtern am Verfassungsgerichtshof ist wiederum selbst in der Verfassung geregelt und bedarf zur Änderung ebenfalls einer Zweidrittelmehrheit - also auch hier könnte sich die AfD dank Sperrminorität quer stellen.
Eine bessere Absicherung des Bundesverfassungsgerichts könnte deshalb nur der Anfang sein, um den Rechtsstaat wetterfest aufzustellen, sagt Rebehn dem RND weiter. Er fordert jetzt auch in den Ländern konkrete Initiativen.
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Anwaltsverein: "Für Thüringen zu spät"
Der Vizepräsident des Deutschen Anwaltsvereins, Ulrich Karpenstein, sagt: "Nun ist es für Thüringen zu spät. Anderen Ländern sollte das eine Mahnung sein: Die demokratischen Parteien müssen handeln, bevor es nicht mehr möglich ist."
Eine Möglichkeit, die Gerichte besser zu schützen, wäre zum Beispiel die Einrichtung eines Ersatzmechanismus: also eine Möglichkeit zu schaffen, falls die Wahl der Richter immer wieder scheitert.
Eine Idee ist dabei, den Verfassungsgerichtshof selbst in die Wahl der zukünftigen Richter einzubinden. Dafür müsste jedoch in den meisten Bundesländern die Landesverfassung geändert werden.
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Auswirkungen bis zu Amtsgerichten
Auch außerhalb des Verfassungsgerichtshofs spielen Landtagsabgeordnete bei der Richterwahl eine Rolle: In Thüringen wird zum Beispiel die Ernennung und Beförderung von Richtern durch den Richterwahlausschuss beschlossen. Dieser setzt sich in Thüringen aus zehn Abgeordneten und fünf richterlichen Mitgliedern zusammen. Dabei muss von jeder Fraktion mindestens ein Abgeordneter im Richterwahlausschuss vertreten sein.
Bereits in der jetzt endenden Legislaturperiode hatte die AfD sich lange geweigert, ein Mitglied in den Richterwahlausschuss zu entsenden, um so zu erreichen, dass ein AfD-Kandidat zum Landtagsvizepräsidenten gewählt wird. Ohne Richterwahlausschuss kann jedoch kein neuer Richter auf Lebenszeit benannt werden. Eine Blockade hier würde die Justiz also erheblich behindern.
Wie die Bundesländer die Gerichte nun sichern wollen, liegt in der Hand der Parlamente. Die Berufsverbände wünschen sich hier jedoch vorausschauende Politik.
Alexandra Tadey arbeitet in der ZDF-Redaktion Recht und Justiz.
Quelle: ZDF
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