Jugendarmut: Wenn Geldsorgen die Zukunft trüben

    Jugendarmut:Wenn Geldsorgen die Zukunft trüben

    Houben Luisa
    von Luisa Houben
    |

    Viele junge Menschen sorgen sich, in Armut leben zu müssen. Sozialverbände fordern eine bundesweite Strategie gegen Jugendarmut. Betroffene hätten in vielen Bereichen Nachteile.

    x
    Rund jeder Vierte im Alter zwischen 18 und 24 Jahren ist von Armut bedroht. Die Folgen sind vielfältig. Geringe Chancen auf eine gute Ausbildung, gesundheitliche Risiken und Schwierigkeiten bei der Wohnungssuche.21.02.2025 | 1:53 min
    Online-Portale und die Samstagszeitung: Die Wohnungssuche ist für Showaisa Niazi zu einer Art Mini-Job geworden. Ständig schaut sie auf ihr Handy, um möglichst die Erste zu sein, die auf neue Angebote reagiert. Die 19-Jährige sucht seit fast einem Jahr.
    Große Ansprüche hat sie dabei nicht: Es soll eine kleine Wohnung sein mit einer Küche mit vier Herdplatten. "Ich koche meistens Afghanisch und da braucht man mehr als zwei Platten", erzählt sie und lacht. Doch auf ihre unzähligen Anfragen bekommt sie bislang entweder keine Antwort oder Absagen.

    Das ist frustrierend und verletzend.

    Showaisa Niazi, 19 Jahre alt

    Eva Schulz - Deutschland, warum bist du so Staffel 2
    Mieten steigen, die Preise für Lebensmittel sowieso. Viele junge Menschen machen sich Sorgen um ihre Zukunft. Eva Schulz spricht mit ihnen über Geldnöte, Steuern und soziale Gerechtigkeit.08.02.2025 | 3:29 min

    Jugendsozialarbeiter: "Gesellschaftliche Bankrotterklärung"

    Showaisa Niazi geht es wie 69 Prozent der 16- bis 29-Jährigen. Sie schätzen die Wohnungssuche als schwierig ein. Das ist das Ergebnis der Kleinanzeigen-Studie von 2024. Hohe Mieten belasten zudem laut DIW vor allem Haushalte mit geringem Einkommen. Und: Jeder zweite Azubi, sowie zwei von drei Studierenden galten 2023 als durch Wohnkosten überlastet.
    Eine Bürde seien für viele junge arme Menschen auch Mobilitätskosten, betont die Bundesarbeitsgemeinschaft Katholische Jugendsozialarbeit (BAG KJS). Das Deutschlandticket lehnten demnach 43 Prozent der Menschen mit einem Einkommen unter 1.500 Euro ab.
    Der Verband spricht von einer "gesellschaftlichen Bankrotterklärung". Denn jeder Vierte zwischen 18 und 24 Jahren war laut Mikrozensus 2023 von Armut betroffen und gefährdet.

    ... eine Person in der Europäischen Union (EU) wenn mindestens eine der folgenden drei Bedingungen zutrifft:
    • Ihr Einkommen liegt unter der Armutsgefährdungsgrenze.
    • Ihr Haushalt ist von erheblicher materieller und sozialer Entbehrung betroffen.
    • Sie lebt in einem Haushalt mit sehr geringer Erwerbsbeteiligung.

    Die Armutsgefährdungsgrenze liegt in Deutschland bei 60 Prozent des mittleren Einkommens und hängt von der Anzahl und dem Alter der Haushaltsmitglieder ab.

    Eine allein lebende Person galt 2023 als armutsgefährdet, wenn sie ein Einkommen von 1.314 Euro oder weniger im Monat hatte.

    Quelle: Statistisches Bundesamt

    Das habe schwerwiegende Folgen für diese jungen Menschen: Kommen sie aus Familien mit wenig Geld hätten sie schlechtere Chancen auf eine gute Bildung und Gesundheit. Ihre Möglichkeiten, an Freizeitaktivitäten und damit gesellschaftlichem Leben teilzunehmen sei geringer. Große Lücken entstünden laut den Expertinnen und Experten auch bei Medienkompetenz oder Finanzwissen.
    Nachteile, die dazu führten, dass arme Jugendliche auch das Vertrauen in die Demokratie verlieren. Armutsgefährdete Menschen nehmen seltener an Wahlen teil, betont die BAG KJS.
    "Armut und die Angst davor belasten junge Menschen enorm - vor allem mental", sagt Silke Starke-Uekermann. Sie ist die Projektleiterin des "Monitor Jugendarmut in Deutschland".

    Sie müssen als Jongleur so viele Bälle mehr in der Luft halten, die sie brauchen zur existenziellen Absicherung, dass der Blick in die Zukunft wenig positiv ist.

    Silke Starke-Uekermann, Bundesarbeitsgemeinschaft Katholische Jugendsozialarbeit (BAG KJS)

    Thema Armut im Wahlkampf
    :"Wenn wir uns nicht kümmern, tun es andere"

    Bürgergeld, Migration, Jobs: All das sind Themen im Wahlkampf, die alle zusammen hängen. Doch die Menschen, die sie betreffen, fühlen sich kaum gehört. Ein Besuch in der Arche.
    von Kristina Hofmann
    Kinder vor Schaufenster mit Spielzeug, Archivbild
    mit Video

    Bürokratie erschwert die Wohnungssuche

    Wie es für sie weitergeht, beschäftigt auch Showaisa Niazi. Wenn ihre Freundinnen und Freunde ins Café wollen, geht sie lieber nicht mit. Oder setzt sich ein Limit von fünf Euro. Mehr erlaubt sie sich nicht auszugeben. Um hoffentlich eine Wohnung einrichten zu können und ihren Führerschein zu schaffen, spart die 19-Jährige so viel es geht.

    Ich habe zwei Hobbys: Häkeln und Nägel-Machen. Da muss ich immer gucken, dass ich nicht zu viel Geld ausgebe, damit ich genug habe für den nächsten Monat.

    Showaisa Niazi

    Gerade hat Showaisa Niazi zwei Jobs. Sie arbeitet als FSJlerin und Kellnerin. Manchmal sieben Tage die Woche. So verdient sie im Monat rund 900 Euro. Hinzu kommen 100 Euro Taschengeld von der Jugendhilfe.
    Ein Mann lädt auf einem Gehweg leere, zusammengeklappte Kisten in sein Lastenfahrrad. Auf dem Lastenfahrrad steht der Text "foodsharing.de". Im Hintergrund ist der Eingang zu einem Lebensmittelgeschäft zu sehen.
    Rezession, Inflation – die hohen Preise für Lebenshaltung bringen immer mehr Menschen an die Armutsgrenze. Mitten im armen, reichen Deutschland.28.01.2025 | 14:51 min
    Bei der Wohnungssuche hat sie eigentlich Glück: Weil ihre Eltern sie finanziell nicht unterstützen können, würde die Jugendhilfe die Miete übernehmen. Doch das bedeutet mehr Bürokratie. Und bisher schrecken Vermieter davor zurück.
    "Ich muss den Mietvertrag erstmal an die Verwaltung der Jugendhilfe schicken, die müssen die Wohnung genehmigen und das dauert ein bis zwei Wochen", erzählt die 19-Jährige. Bisher habe darauf kein Vermieter warten wollen.

    Sozialverbände fordern, Jugendarmut anzuerkennen

    Der Paritätische Wohlfahrtsverband und die BAG KJS fordern, Jugendarmut müsse als gesellschaftliche und politische Herausforderung anerkannt werden.

    Jede Entscheidung, die politisch getroffen wird, muss mit den Auswirkungen auf junge Menschen, besonders auf die in prekären Lebenssituationen, reflektiert werden.

    Silke Starke-Uekermann, BAG KJS

    Es brauche eine unbürokratische, teilhabesichernde Kinder- und Jugendgrundsicherung, fordert der Verband. Außerdem solle das Recht auf Wohnen ins Grundgesetz aufgenommen und der soziale Wohnungsbau verstärkt werden. Mobilität für junge Menschen solle mit einem kostenfreien oder stark vergünstigte ÖPNV-Ticket erleichtert werden. Es brauche außerdem mehr präventive Angebote für diejenigen in kritischen Lebensphasen.
    Wie die Parteien junge Menschen unterstützen wollen








    Showaisa Niazi sucht weiter. Im Herbst beginnt sie ihre Ausbildung. Vorher will sie ein neues Zuhause gefunden haben.
    Luisa Houben ist Reporterin im ZDF-Landesstudio in Baden-Württemberg.

    Icon von whatsapp
    Quelle: dpa

    Sie wollen auf dem Laufenden bleiben? Dann sind Sie beim ZDFheute-WhatsApp-Channel richtig. Hier erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten auf Ihr Smartphone. Nehmen Sie teil an Umfragen oder lassen Sie sich durch unseren Podcast "Kurze Auszeit" inspirieren. Zur Anmeldung: ZDFheute-WhatsApp-Channel.

    Mehr zum Thema Armut