Deutschland: Israelis und Palästinenser berichten aus Berlin
Ein Jahr nach dem 7. Oktober:"Es ist jetzt angesagt, Israelis zu hassen"
von Lisa Jandi
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Der Angriff der Hamas auf Israel ist ein Jahr her. Juden und Palästinenser in Deutschland sind verzweifelt. Anfeindungen hier und Ängste um Angehörige dort.
Seit dem Hamas-Angriff auf Israel vor einem Jahr leben Palästinenser in Deutschland mit der Angst um ihre Angehörigen in Gaza und der Sorge vor Generalisierung und Hass.05.10.2024 | 2:47 min
Wenn Shani Achiel an den 7. Oktober denkt, dann schaudert es ihr. Sie kommt aus Israel, Berlin ist ihre Wahlheimat, seit acht Jahren schon. Für Deutsche sei es schwer zu verstehen, wie es Israelis geht, sagt sie.
Israel ist so klein. Jeder kennt jemanden, der getötet, vergewaltigt oder entführt wurde.
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Shani Achiel
Israelis in Deutschland: Anfeindungen nehmen zu
In Berlin-Kreuzberg betreibt Shani Achiel das Restaurant Yafo, einer dieser coolen, internationalen Orte, so typisch für Berlin. Israelis und Palästinenser arbeiten hier zusammen. Doch das letzte Jahr war hart:
Ich habe das Gefühl, es ist jetzt angesagt, Israelis zu hassen. Sie zu boykottieren. Im Taxi wurde ich als Terroristin beschimpft und bespuckt.
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Shani Achiel
Am 7. Oktober 2023 stürmen Hamas-Killerkommandos vom Gazastreifen nach Israel, ermorden Zivilisten, verschleppen Geiseln und provozieren eine verheerende israelische Militäraktion.24.09.2024 | 44:07 min
Im Restaurant gingen Reservierungen und Umsätze zurück, Mitarbeiter wurden angefeindet, weil sie für eine Israelin arbeiten. "Ich dachte immer, Antisemitismus gibt es nicht, Juden seien paranoid. Aber mit diesem Krieg spüre ich, dass ich falsch lag" sagt die 38-Jährige.
Und das, wo sie doch selbst die israelische Politik verurteilt.
Ich bin nicht Netanjahu, und ich will all das auch nicht.
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Shani Achiel
Angehörige in Gaza: Immer in Angst um die Familie
Nur ein paar S-Bahn Stationen entfernt, auch in Kreuzberg, ist Nidal Bulbul auf dem Weg in seinen Club. Er ist in Gaza aufgewachsen, hat dort für internationale Nachrichtenagenturen als Kameramann gearbeitet bis er bei einem Raketenangriff 2007 ein Bein verlor.
Demonstrationen in Berlin zum Jahrestag des Hamas-Angriffs auf Israel
Am Samstagnachmittag sind propalästinensische Demonstranten von Tempelhof durch Kreuzberg zum Brandenburger Tor gelaufen.
Die Gegenveranstaltung "Wir stehen an der Seite Israels und der Polizei" fand in Berlin-Mitte statt.
Pro-palästinensische Gruppen haben zu einer Demonstration gegen die Angriffe Israels aufgerufen. Der Demonstrationszug soll von Kreuzberg nach Neukölln verlaufen.
Parallel versammeln sich Unterstützer Israels am Brandenburger Tor und Am Bebelplatz unter dem Titel.
Zum eigentlichen Jahrestag am 7. Oktober soll eine Friedensdemonstration am Potsdamer Platz beginnen mit dem Titel "Nie wieder ist Jetzt für Alle, Frieden in Nahost".
Am Abend wollen Demonstranten an den Überfall der Hamas auf Israel erinnern und ziehen von der Gedächtniskirche zur Jüdischen Gemeinde in der Fasanenstraße.
Berlins Sprecher der Gewerkschaft der Polizei, Benjamin Jendro, erwartet eine "stadtweite, dynamische Lage", da schon in den vergangenen Tagen zu sehen gewesen sei, dass sich "die Gewaltbereitschaft der propalästinensischen Szene auf unseren Straßen wieder verstärkt in Hass, Antisemitismus und Gewaltexzessen entlädt."
Quelle: dpa
In Berlin hat er sich ein neues Leben aufgebaut, hat Familie, ist deutscher Staatsbürger. Doch seine Eltern, Geschwister und viele weitere Angehörige sind noch in Gaza.
Ich habe insgesamt 123 Personen verloren. Familienmitglieder, Freunde, Journalisten, Nachbarn. Man hat nicht mehr die Zeit zu trauern, weil die nächste Person schon dran ist.
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Nidal Bulbul
Seit den traumatischen Terrorangriffen der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 haben wir den Krieg beobachtet, Menschen in Israel und Gaza getroffen und ihre Schicksale begleitet. 26.09.2024 | 29:57 min
Sein Elternhaus ist zerstört, acht Mal wurde seine Familie innerhalb des Gazastreifens vertrieben, aber sie leben.
Ich muss mich selber jeden Morgen auf den Schmerz vorbereiten, dass ich nie wieder von meiner Familie höre.
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Nidal Bulbul
Hunderttausende Palästinenser*innen sind seit Ausbruch des Kriegs im Gazastreifen auf der Flucht, auch die Familie von Nidal Bulbul.19.09.2024 | 30:18 min
Seit einem Jahr versucht Nidal Bulbul seine Angehörigen zu retten, rauszuholen. Er sammelt Spenden und versucht ihre Ausreise nach Ägypten zu organisieren, bislang erfolglos. "Wenn mich jemand fragt, wie geht es dir, deiner Familie, wie soll ich das beschreiben? Ein Jahr Bombardierung, Drohnen, Vertreibung, wenig Essen... wenn ich mit meiner Schwester telefoniere, versuche ich etwas Last von ihr zu nehmen. Es zerbricht mich."
Verzweiflung und Enttäuschung von der Weltgemeinschaft, "dass so viele Kinder gestorben sind, das darf man 2024 nicht akzeptieren" sagt Nidal Bulbul.
Ich habe Angst, dass dieser Horror uns nie wieder zusammenbringt und es nie wieder Frieden gibt.
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Nidal Bulbul
Sie will nicht nur morden - die ganze Welt soll ihren Terror auch sehen. Als die Hamas Israel am 7. Oktober überfällt, demonstriert sie ihre Macht durch Angst und Schrecken.25.09.2024 | 29:02 min
Nach dem 7. Oktober: Gefangen im Alptraum
Ein Jahr wie ein Alptraum, so empfindet es auch Jouanna Hassoun, Tochter palästinensischer Flüchtlinge, geboren im Libanon. "Ich hätte nie geglaubt, dass auf so einem kleinen Fleck Erde (gemeint ist der Gazastreifen)so lange ein Krieg toben kann. Und ich frage mich, wann das zu Ende ist." Und jetzt auch noch Krieg im Libanon.
Ich habe Familie, Freunde im Libanon, ich habe dort den Bürgerkrieg miterlebt. Und ich habe das Gefühl, ich ersticke und platze jeden Moment.
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Jouanna Hassoun
Überlebende und Hinterbliebene erinnern sich an den Tag, der ihr Leben und die Welt erschüttert hat.22.11.2024 | 43:30 min
Empathie und Dialog statt Hass und Ideologie
Gemeinsam mit Shai Hoffmann, einem deutschen Juden mit israelischen Wurzeln, besucht Jouanna Hassoun seit einem Jahr Schulen in ganz Deutschland, um über den Nahost-Konflikt zu sprechen, appellieren an Dialog und Empathie statt Hass und Ideologie.
Sie beobachten, wie Antisemitismus und Rassismus zunehmen. "Wir wollen erst Recht ins Gespräch kommen und zeigen, schau mal, diese Generalisierung Juden gleich Israel oder Hamas gleich Palästinenser, das darf nicht sein" sagt Shai Hoffmann. Den Krieg können sie nicht stoppen, aber in Deutschland für Menschlichkeit und Mitgefühl werben - für beide Seiten.
Krieg in Nahost: Mit der Terrorattacke der Hamas ist der Konflikt eskaliert. Israel greift infolgedessen Ziele im Gazastreifen an. Aktuelle Nachrichten und Hintergründe.
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