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Interview
Wut der Bauern:Kretschmann: Grüne als "Bad Guy der Republik"
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Während die Bauernproteste sich weiter verschärfen, bekommen die Grünen nicht selten den Frust zu spüren. Ministerpräsident Kretschmann über seine Wahrnehmung der Demonstrationen.
Wütende Landwirte, blockierte Straßen – seit Wochen protestieren Landwirte gegen die Sparpläne der Bundesregierung. Negativer Höhepunkt sind Aktionen gegen Mitglieder der Grünen.27.02.2024 | 8:55 min
Zwischen den Grünen und den Landwirten ist die Stimmung angespannt. In den sich immer weiter zuspitzenden Protesten wird die Partei zunehmend zum Feindbild. Im baden-württembergischen Biberach eskalierte ein Protest vor einigen Wochen so stark, dass die Grünen aus Sicherheitsgründen ihren politischen Aschermittwoch absagen mussten. Im ZDFheute-Interview blickt Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) auf die Entwicklungen und ruft zur Mäßigung auf.
ZDFheute: Wie bewerten Sie die Entwicklung der im Ton immer schärfer werdenden Bauern-Demos?
Winfried Kretschmann: Ich weiß nicht, ob das die Bauerndemonstrationen sind. In Biberach war es so: Es gab eine ordentliche Bauerndemonstration, organisiert von Bauern im Bauernverband. Die war jetzt auch nicht gerade pflegeleicht, aber noch im Rahmen. Vor der Halle aber fand eine nicht angemeldete Demonstration statt, die ist völlig aus dem Ruder gelaufen. Da waren natürlich radikalisierte Bauern, aber auch andere.
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ZDFheute: Was sagt das über den Protest der Bauern? Wir wissen, vor der Halle in Biberach waren auch Querdenker und Rechtsextreme.
Kretschmann: Man muss sich bei solchen Demonstrationen fragen, welchen Ton man anschlägt. Und da erwarte ich jetzt mal, wirklich mehr Mäßigung. Und natürlich muss man auch gucken, dass man da klar auf Distanz bleibt.
Ich meine, das kann man mal eine Zeit lang machen, aber irgendwann muss man sowas auch mal beenden. Die Probleme kann man nur durch Gespräche und den Maßnahmen, die daraus erfolgen, lösen. Ich führe solche Gespräche. Mit Wut kann man keine Probleme lösen. Dass man mal wütend ist, verstehe ich. Das ist auch ok. Aber da muss die Wut auch mal verrauchen, und dann muss man ins Gespräch gehen.
ZDFheute: Jetzt trifft die Wut vor allem auch die Grünen. Wie nehmen Sie diese Anfeindungen gegen Ihre Partei und Sie persönlich wahr?
Kretschmann: Ich kann mich darüber nur wundern. Ich persönlich und die Landesregierung stehen klar an der Seite der Bauern. Der Landwirtschaftsminister hat gegen den Agrardieselbeschluss opponiert, er hat die Hälfte davon wegbekommen.
Dafür, dass uns das trifft, gibt es schon einige Erklärungen, aber das hat eigentlich keinerlei Berechtigung. Die meisten Dinge kommen von der EU-Kommission. In der EU-Kommission hockt kein einziger Grüner - die Vorsitzende ist eine CDU-Politikerin.
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ZDFheute: Sie haben Unverständnis dafür, dass die Grünen zur Zielscheibe werden ...
Kretschmann: In der Tat! Das können die Bauern mit uns gar nicht wirklich belegen.
Es ist jetzt halt mal so. Natürlich kommen viele Vorschriften aus dem Umweltbereich, aber keineswegs einfach von uns.
ZDFheute: Was setzen Sie dem entgegen?
Kretschmann: Dialog. Es ist eine Unzufriedenheit über bestimmte Entwicklungen der Vergangenheit. Dafür habe ich auch Verständnis und gehe die Dinge wirklich an. Nur - die Landesregierung ist natürlich für den großen Teil der Agrarpolitik gar nicht zuständig. Die wird ja hauptsächlich in Brüssel gemacht und der Rest in Berlin.
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Erzeuger, der Handel und die Konsumenten von Lebensmitteln müssen sich zusammen in einem neuen Gesellschaftsvertrag einig werden:
Was müssen wir alle tun, damit wir eine Landwirtschaft haben, die überlebt? Und in der die Bauern auskömmlich wirtschaften können, aber auch die Natur und die Lebensgrundlagen nicht geschmälert werden? Das ist einfach eine große Herausforderung.
Das Interview führte Luisa Houben, Reporterin im ZDF-Studio Baden-Württemberg
Quelle: ZDF
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