Interview
Lars Klingbeil bei "illner":SPD-Chef: Ukraine-Hilfe darf nicht nachlassen
von Torben Schröder
|
Die BSW-Vorsitzende Mohamed Ali findet mehr Positives an Mützenichs "Einfrieren"-These als dessen eigener Parteichef. Der möchte schneller Waffen liefern und weniger debattieren.
Sehen Sie hier die Sendung "maybrit illner" vom 21. März 2024. 21.03.2024 | 65:01 min
Paul Ronzheimer wollte es genauer wissen. "Steht Herr Scholz hinter dem Begriff Einfrieren oder nicht?", fragt der Kriegsreporter (Bild) den SPD-Chef Lars Klingbeil und unterbricht ihn bei jeder ausweichenden Antwort von Neuem.
Mützenich-Aussage hat Wellen geschlagen
Die Aussage von SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich zum "Einfrieren des Krieges" hat einige Wellen geschlagen. "Krieg einfrieren - vor Putin kapitulieren?" lautet die Gleichung, die die ZDF-Sendung "maybrit illner" mit ihrem Titel-Thema aufmacht.
Auf dem Frühjahrsgipfel der EU in Brüssel geht es unter anderem um Russlands Krieg gegen die Ukraine. Kanzler Scholz will für mehr Waffenlieferungen werben. Ulf Röller berichtet.21.03.2024 | 1:12 min
Klingbeil entkommt der Frage. Luftabwehr und Artillerie-Munition brauche die Ukraine jetzt, das sei das Dringendste. Die Ampel-Koalition, die Bundesrepublik, Europa, überall müsse mehr Einigkeit her anstelle trennender Debatten.
Das nämlich ist die mit dem "Einfrieren" des Krieges verbundene Hoffnung: endlich Frieden, endlich Verhandlungen.
Klingbeil: "Die Lieferung von Waffen muss weitergehen"
Man müsse, sagt Klingbeil, trotz der Unterstützung für die Ukraine auch über Frieden reden dürfen: "Die Lieferung von Waffen muss weitergehen. Trotzdem ist es auch richtig zu gucken, wo es diplomatische Initiativen geben kann."
Die Unterstützung der Ukraine, auch wenn der Krieg noch lange dauere, dürfe nicht nachlassen.
Die bisherige Politik führe nur dazu, dass das Leiden länger dauert und mehr Menschen sterben. "Wir müssen raus aus der militärischen Logik. Zu glauben, dass die Ukraine diesen Krieg auf militärischem Weg gewinnen kann, ist irreal", sagt Mohamed Ali. Initiativen zu Waffenstillstand und Friedensverhandlungen müssten konsequent unterstützt werden.
Moskau-Korrespondentin: "Putin ist mit dem Krieg am Zenit seiner Macht"
Sabine Adler, langjährige Moskau-Korrespondentin des Deutschlandfunks, sieht in der SPD zwei Lager. Eines sei nicht von der Unterstützung der Ukraine in der gegenwärtigen Form überzeugt. Eine "gewollte Zweideutigkeit" entstehe, wenn die Ukraine militärisch unterstützt wird und es zugleich zu Aussagen wie jener von Mützenich kommt.
Paramilitärische Gruppen sollen mindestens ein Dorf in der Grenzregion um Belgorod eingenommen haben. Russland setzt Gleitbomben ein. Militärexperte Nico Lange analysiert die Lage.21.03.2024 | 35:27 min
Adlers These: "Putin braucht den Krieg zum Machterhalt. Der äußere Feind versammelt die Bevölkerung hinter dem Präsidenten. Putin ist mit dem Krieg am Zenit seiner Macht. Deshalb wird er sich nach der Ukraine einen neuen Kriegsschauplatz suchen."
"Den Begriff Einfrieren finde ich sinnlos", sagt der russische Oppositionelle Leonid Wolkow.
Er haben schon viele Dokumente unterschrieben, sich aber nicht daran gehalten. Gleichwohl spricht Wolkow vom festen Glauben daran, dass die Demokratie sich auch in Russland durchsetzen kann. "Es steht ganz bestimmt keine Mehrheit hinter dem Krieg." Russland militärisch zu besiegen, sei kaum möglich.
Das Ziel müsse sein, "Putin zu besiegen". Dann sei der Krieg zu Ende. Dazu brauche es die öffentliche Meinung in Russland und "klügere Sanktionen" gegen die Elite, die Putin umgibt. Denn auch dort gebe es viele Kriegskritiker.
Ronzheimer schildert deprimierende Lage
Ronzheimer schildert aus seinen regelmäßigen Reportagen von der ukrainischen Front die von Monat zu Monat deprimierendere Lage. "In der Ukraine gibt es zwei große Probleme: die fehlende Mobilisierung und die fehlende Munition." In Kiew sei man "erschüttert und fassungslos" ob Mützenichs Aussagen.
Das Problem seien immer wieder verspätete Lieferungen gewesen, auf die Putin sich vorbereiten konnte. Und aus einer Position relativer russischer Stärke heraus seien Hoffnungen auf Friedensverhandlung - also mithin ein Einfrieren des Krieges - unrealistisch.
Mehr zum Thema Krieg in der Ukraine
Ukraine greift Raffinerien an:Droht Russland eine Dieselknappheit?
von Christian Mölling, András Rácz
mit Video
Zinsen aus "Frozen Assets":EU: Russisches Geld für ukrainische Waffen
von Gunnar Krüger, Marie Sophie Hübner
mit Video