Höcke verurteilt: Der Geschichtslehrer dirigiert seinen Chor

    Wegen Nazi-Parole verurteilt:Geschichtslehrer Höcke dirigiert seinen Chor

    von Daniel Heymann
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    Zweiter Prozess, zweite Verurteilung: Erneut hat das Landgericht Halle AfD-Politiker Björn Höcke für die Verwendung der SA-Parole "Alles für Deutschland" schuldig gesprochen.

    Björn Höcke
    Der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke ist erneut wegen einer verbotenen Nazi-Parole verurteilt worden. Das Landgericht Halle hat eine Geldstrafe in Höhe von 16.900 Euro verhängt. 01.07.2024 | 0:20 min
    Vertrautes Bild für Björn Höcke: Wieder hat ihn das Landgericht Halle wegen der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen zu einer Geldstrafe verurteilt. Diesmal sind es 130 Tagessätze zu je 130 Euro, in Summe also 16.900 Euro. Schon im Mai verhängte dieselbe Kammer des Landgerichts gegen den thüringischen Chef der AfD eine Geldstrafe wegen desselben Spruchs, damals waren es 100 Tagessätze zu je 130 Euro (insgesamt 13.000 Euro). Die von der Staatsanwaltschaft ebenfalls geforderte Sperre für öffentliche Ämter sprach das Gericht dagegen nicht aus.
    Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig - es ist zu erwarten, dass Höckes Verteidiger Revision einlegen werden, wie sie es auch im ersten Verfahren getan haben. Dann würde sich der Bundesgerichtshof mit dem Fall beschäftigen.
    Main proceedings against AFD politician for using symbols of unconstitutional and terrorist organizations at Halle Regional Cour
    Das Landgericht Halle hat den AfD-Politiker erst vor wenigen Wochen wegen des Verwendens einer verbotenen NS-Parole zu einer Geldstrafe von 13.000 Euro verurteilt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.14.05.2024 | 2:20 min

    Vervollständigung der Parole durch das Publikum reicht

    Zwischen den beiden Prozessen gab es trotz aller Parallelitäten auch Unterschiede.
    Im ersten Verfahren ging es um eine Rede des AfD-Politikers in Merseburg. Diese schloss Höcke mit den Worten: "Alles für unsere Heimat, alles für Sachsen-Anhalt, alles für Deutschland." Beim letzten Teil dieses Dreiklangs handelt es sich um den Leitspruch der Sturmabteilung (SA), des paramilitärischen Arms der NSDAP.
    Die Parole fällt unter den Straftatbestand des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (Paragraf 86a Strafgesetzbuch) und ist verboten - sofern man durch ihre Benutzung bewusst an die NS-Zeit anknüpft. Das sah das Gericht in seinem Urteil als erwiesen an, denn der frühere Geschichtslehrer sei, so der Vorsitzende Richter Jan Stengel, "ein redegewandter, intelligenter Mann, der weiß, was er sagt".
    Im aktuellen Prozess umging der AfD-Politiker den vollständigen Ausspruch der SA-Losung. Er wiederholte bei einer Veranstaltung in Gera seinen Dreiklang, ließ allerdings im dritten Teil das Wort "Deutschland" weg. Dafür animierte er die Zuhörenden mit einer Armbewegung, den Satz zu vollenden. Das Publikum folgte der Aufforderung und rief im Chor "Deutschland".
    Waum die AfD Verdachtsfall bleibt
    Der Verfassungsschutz darf die AfD weiter als rechtsextremistischen Verdachtsfall einstufen. Was das Urteil für die Partei bedeutet – die Analyse bei ZDFheute live.13.05.2024 | 24:22 min
    Nach Ansicht des Gerichts ebenfalls ein "Verwenden" im Sinne des Paragrafen 86a des Strafgesetzbuchs: Höcke habe bewusst darauf hingewirkt, dass das Publikum die Parole vervollständige, so der Vorsitzende Richter Jan Stengel.

    Höcke inszeniert sich als Opfer politischer Justiz

    Der Prozesstag verlief mitunter zäh - vor allem wegen der zahlreichen Anträge der Verteidigung, die in aller Regel zurückgewiesen wurde. Wirklich ernst wurde es dann jedoch bei den Schlussvorträgen: Staatsanwalt Benedikt Bernzen forderte in seinem Plädoyer eine Bewährungsstrafe für den AfD-Politiker - und eine Sperre für öffentliche Ämter für zwei Jahre. Höcke hätte dann nicht mehr thüringischer Ministerpräsident werden können.
    Chrupalla: "Höcke ist kein Rechtsextremist"
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    Höcke wiederum nahm sich für sein "letztes Wort" etwa vierzig Minuten Zeit. Der Staatsanwalt habe "mit Worten um sich geworfen, die polarisierend sind." In der Folge inszenierte der AfD-Rechtsaußen sich als Opfer einer vermeintlich politischen Justiz. Er stehe nur deshalb vor Gericht, weil er Björn Höcke sei. Er drohte eine Aufarbeitung von Prozessen gegen AfD-Leute durch parlamentarische Untersuchungsausschüsse an.

    Keine Ämtersperre für Höcke

    Das Gericht folgte dem Antrag auf Ämtersperre nicht - wies den Vorwurf der politischen Justiz aber entschieden zurück. Richter Stengel erklärte in seiner Urteilsverkündung, er beschäftige sich auch mit DDR-Urteilen. In einem Fall sei eine Person wegen eines Witzes über den DDR-Staatsratsvorsitzenden Walter Ulbricht zu einer Haftstrafe verurteilt worden.
    "Das war ein politische Urteil", macht Stengel deutlich. Höcke teste mit ständigen Provokationen die Grenzen des Sagbaren immer wieder aus und versuche, sie zu verschieben - folgerichtig konstatierte der Vorsitzende Richter deshalb mit Blick auf die Vervollständigung der SA-Losung durch Höckes Publikum:

    Sie wollten es.

    Jan Stengel, Vorsitzender Richter

    Daniel Heymann arbeitet in der ZDF-Redaktion Recht und Justiz.
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