Handy in der Schule: Deutschland diskutiert Handyverbot
Sind gesetzliche Regeln nötig?:Deutschland diskutiert Handyverbot an Schulen
von Martin Schiffler
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Handys an europäischen Schulen: Ein Regulierungschaos. Und in Deutschland? Es gibt Empfehlungen, Leitlinien, Hausrecht - aber immer noch kein Gesetz. Das soll sich bald ändern.
Hessen und einige andere Bundesländer planen ab kommendem Schuljahr die Handynutzung in der Schule grundsätzlich zu verbieten.27.03.2025 | 1:36 min
An der Hans-Prinzhorn Realschule in Hemer (NRW) gilt schon seit Ostern 2023 ein Handyverbot. Für alle Klassen. Warum? Schulleiter Lothar Czichos bringt es auf den Punkt:
Kinder müssen wieder lernen, ohne elektronische Ablenkung zu lernen.
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Lothar Czichos, Schulleiter Hans-Prinzhorn Realschule in Hemer
In Hemer klappt das fast reibungslos. Eine Erfolgsgeschichte. Die Schüler*innen der Klassen 5 bis 10 haben keine Probleme mit dem Verbot. Es betrifft alle, und alle halten sich dran. Fast alle, meint der Schulleiter: "Vielleicht 10 bis 15 Schüler - von 500(!) - meinen, das Handyverbot mal in einer Ecke des Pausenhofes oder etwa auf der Toilette umgehen zu müssen. Damit kommen wir klar."
Dass derzeit die Jahrgangsstufe 10 für sich eine generelle Ausnahme fordert, könne man vielleicht mit einem extra "Handy-Zimmer" lösen. Noch diskutieren sie darüber.
Sind Handys schuld am Bildungsrückgang? Das zumindest wollen Studien belegen. In einigen Ländern sind Smartphones an Schulen bereits verboten. In Deutschland wird dies noch geprüft. 28.01.2025 | 7:30 min
An deutschen Schulen gilt Hausrecht
Das Beispiel Hemer steht für ganz Deutschland. Es gilt Hausrecht. Alle 16 Kultusminister*innen drücken sich bislang vor klaren Gesetzen. Allen voran NRW: Nun sollen die Schulen sich bis zum Herbst 2025 eigene altersgerechte Regeln für die private Handynutzung geben und diese verbindlich in die Schulordnung aufnehmen. Als wäre es je anders gewesen.
Laut einer Studie nutzen 12 bis 19-Jährige über drei Stunden am Tag ihr Handy. In NRW fordert der Lehrerverband deshalb ein Handyverbot bis zur 10. Klasse, das an einer Realschule in Köln schon umgesetzt wird. 17.12.2024 | 2:07 min
Bislang gestalten die rund 5.500 Schulen in NRW den Umgang mit Handys in eigener Verantwortung. Aus dem Schulministerium klingt es da ganz anders: "Handys sind aus dem Leben junger Menschen nicht mehr wegzudenken. Umso wichtiger ist es, dass wir an unseren Schulen einen verantwortungsvollen und altersgerechten Umgang damit finden."
Viele Schulen hätten sich bereits Regeln gegeben. Darauf könne man gut aufbauen. Das Schulministerium empfiehlt, die private Nutzung von Handys während des gesamten Schultags nicht zu erlauben. Eine weitere Empfehlung, kein Schulgesetz. Man werde nun "genau beobachten, wie die neuen Vorgaben (Handlungs-Leitlinien für die Schulen) umgesetzt werden".
Was Schüler und Lehrerverbände sagen:
Die Landesschüler*innenvertretung NRW lehnt ein generelles Handyverbot auf dem Schulgelände ab. Dazu Elias Bala (Landesschülervertretung NRW):
"Wir halten diese Forderung für regressiv. Im Unterricht selbst halten wir eine Regelung für sinnvoll. Generell führt die aktuelle Diskussion um Handys in der Schule in eine falsche Richtung. Allerorten wird eine stärkere Digitalisierung gefordert, viele Dienste und Alltagsgeschäfte kann man ohne entsprechende Endgeräte gar nicht mehr wahrnehmen: Behördengänge, Fahrscheine, Arzttermine, Versicherungen etc. Die Schüler*innen gerade davon fernzuhalten, nachdem man während der Corona-Pandemie auch das Bildungssystem durchdigitalisiert hat, zeigt eine gewisse Doppelmoral.
Handys sind nicht die Wurzel allen Übels und ein Handyverbot in der Schule wird kaum eines der damit verbundenen Probleme lösen. Die Probleme werden nicht dadurch verursacht, dass Schüler*innen während der Schulzeit am Handy sind."
VBE-Vorsitzender Stefan Behlau: "Ein Handy gehört längst zu den Alltagsgegenständen, die viele Menschen, darunter auch Kinder und Jugendliche, täglich mit sich führen. Umso wichtiger ist es, dass Schulen den verantwortungsvollen Umgang mit digitalen Medien fördern und klare Regeln für deren Nutzung aufstellen. (…).
Ein generelles, gesetzliches Verbot der Handynutzung wäre jedoch nicht zielführend. Stattdessen brauchen Schulen praxisnahe Regelungen, die einerseits klare Grenzen setzen und andererseits Raum bieten, um Medienkompetenz nachhaltig zu fördern. Es wäre sinnvoll, die Eigenverantwortung der Schulen auch in diesem Punkt zu stärken."
Anja Bensinger-Stolze, GEW-Vorstandsmitglied Schule: "Ein Smartphone-Verbot an Schulen klingt zwar markig und durchsetzungsstark, ist aber vollkommen realitätsfern. Wer soll das am Ende in den Schulen durchsetzen? Ohnehin wieder die Lehrkräfte! Sie sind aber weder die Feuerwehr für gesellschaftliche Probleme noch Privatdetektive, die Ranzen durchforsten dürfen. Viel besser ist es doch, Kinder und Jugendliche zu befähigen, Smartphones verantwortungsvoll zu nutzen und Lehrkräfte als Bildungsprofis bei der Vermittlung von Medienkompetenz zu unterstützen (…).
Viele Schulen haben schon heute gute pädagogische Konzepte, wie sie eine Handynutzung zulassen. Mit reinen Verboten wird Schule entdemokratisiert. Aushandlungsprozesse und Kompromisse gehören zur Demokratiebildung. Hierbei müssen Regelungen auf der Schul- oder Klassenebene zwischen Lehrkräften, Eltern, Schülerinnen und Schülern sowie deren Vertretungen ausgehandelt werden. Das ist eine ganz praktische Form der Demokratiebildung."
In Australien wurde ein Social-Media-Verbot für unter 16-Jährige verabschiedet. Wie sieht es in Deutschland aus? Könnten sich Jugendliche auch hier ein Verbot vorstellen?03.12.2024 | 1:47 min
Baden-Württemberg plant gesetzliche Regelung
Anders Baden-Württemberg: Das Kultusministerium plant für das nächste Schuljahr eine schulgesetzliche Regelung mit klaren Leitplanken für den Umgang mit Smartphones an Schulen. Man sehe einen eindeutigen Regelungsbedarf für die Handynutzung in der Schule.
Es geht mir um den Schutz unserer Kinder und Jugendlichen. Die negativen Einflüsse von Smartphones - etwa auf Konzentrationsfähigkeit, Lernvermögen und mentale Gesundheit -, Cybermobbing oder auch emotionale Vereinsamung, sind inzwischen ausreichend belegt. Es ist Zeit, zu handeln.
Die Schulen werden damit verpflichtet, sich altersangemessene, restriktive Regeln der Handynutzung zu geben, auch um den unterschiedlichen Situationen vor Ort Rechnung zu tragen.
Aus Sicht der EU-Kommission vernachlässigen vor allem Social-Media-Dienste den Jugendschutz und machen gezielt abhängig. Deswegen hat sie bereits Verfahren gegen die Plattform TikTok sowie den Facebook- und Instagram-Mutterkonzern Meta eingeleitet.23.07.2024 | 9:45 min
Hessen bringt Gesetzentwurf in den Landtag ein
Auch Hessen wird vergleichbar mit Bayern mit einer Änderung des Schulgesetzes einheitliche Regeln für alle Schulen zur Nutzung von Smartphones, Smartwatches und anderen digitalen Geräten schaffen. Festgelegt werden dafür vom nächsten Schuljahr an klar definierte, altersgerechte Schutzzonen, um einem unkontrollierten Gebrauch privater Geräte an Schulen vorzubeugen.
Dazu Bildungsminister Armin Schwarz:
Die gesetzliche Verankerung von Smartphone-Schutzzonen ist ein großer Erfolg. Wir handeln jetzt in Hessen, weil es keine Zeit zu verlieren gibt, und setzen damit bundesweit Maßstäbe. Unsere Schulen müssen geschützte Räume sein, in denen unsere Kinder und Jugendlichen frei von Ablenkung und Ängsten lernen können.
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Armin Schwarz, Bildungsminister Hessen
Hessens Regierungsfraktionen von CDU und SPD wollen einen entsprechenden Gesetzentwurf noch an diesem Donnerstag in den Wiesbadener Landtag einbringen.
Sollten Handys an Schulen verboten werden? Darüber diskutieren Armin Schwarz (CDU), Kultusminister in Hessen, und Kai Hanke, Geschäftsführer Deutsches Kinderhilfswerk.28.11.2024 | 12:30 min
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