Häusliche Gewalt: Wenn der Ehemann zum Schläger wird

    Häusliche Gewalt:Wenn der Ehemann zum Schläger wird

    von Jasmin Astaki-Bardeh
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    Vom Ehemann beschimpft, erniedrigt, geschlagen - wie so viele glaubte auch Dagmar Asghari, dass ihr das nie passieren würde. Wie es ihr gelang, der Gewalt zu entkommen.

    Archiv: Berlin, 01.07.2023: Person versucht sich zu wehren.
    Vor allem Frauen sind betroffen: Die Zahl der Opfer häuslicher Gewalt ist 2023 erneut gestiegen. Die Bundesregierung will nun den Schutz für Frauen ausbauen.07.06.2024 | 2:16 min
    Häusliche Gewalt? Wie so viele glaubte auch Dagmar Asghari, dass ihr das nie passieren würde: "Ich habe wie so viele andere auch immer gesagt: Beim ersten Schlag bin ich weg!" Doch es kam anders. Dagmar Asghari wurde zum Opfer ihres Ehemanns. Sie wurde von ihm beschimpft, erniedrigt, geschlagen - bis ihr Selbstbewusstsein fast vernichtet war. 20 Jahre waren sie zusammen, haben drei gemeinsame Kinder.
    Doch Dagmar Asghari fehlte die Kraft, einen Ausweg zu finden. Sie lebt in Ravensburg und arbeitet dort als Krankenschwester. Als erkläre sie den Verlauf einer Infektion, beschreibt sie ganz ruhig den schleichenden Beginn von dem, was sie durchgemacht und 2017 schließlich beendet hat.

    Betroffene: Nur ein Ausrutscher - wird schon wieder

    Am Anfang habe sie einen "unglaublich netten, sympathischen, herzlichen Menschen kennengelernt" - sich verliebt in den Mann, der dann ihrer wurde. Erste verbale Attacken galten ihr als Ausrutscher, später nahm sie auch Schläge hin in der trügerischen Annahme: Das ist nur eine Ausnahme - und das wird schon wieder. "Wenn da die ersten Anzeichen kommen, hat man immer noch das Bild ganz vom Anfang", sagt sie.

    Und man möchte sich so gern Mühe geben, diesen Menschen vom Anfang wieder zu bekommen.

    Dagmar Asghari

    Man halte sich irgendwann selbst für schuldig, zumal der Partner anderen doch nach wie vor total nett erscheine. Das ist ein häufiger Grund, warum das Thema öffentlich weitgehend tabu ist.
    Bundesfamilienministerin Lisa Paus
    "Im vergangenen Jahr hat jeden Tag ein Partner oder Ex-Partner versucht, seine Frau umzubringen", so Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne).07.06.2024 | 4:12 min

    Mehr Schutz für Betroffene von häuslicher Gewalt

    Daher will der Staat nun nachbessern: Der Schutz für Betroffene von häuslicher Gewalt soll ausgebaut werden. Der Anstieg der Zahlen zeigt, dass das Lagebild "Häusliche Gewalt" für 2023 gravierend ist. Der Statistik nach sind immer mehr Menschen Opfer, die meisten von ihnen sind weiblich.
    Opfer häuslicher Gewalt nach Geschlecht
    ZDFheute Infografik
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    Im vergangenen Jahr sind laut Bundesinnenministerium in Deutschland deutlich mehr Fälle von Gewalt in Partnerschaften gemeldet worden als 2022. Insgesamt 167.865 Fälle sind in der aktuellen Statistik aufgeführt, die am Freitag von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) in Berlin vorgestellt worden ist.
    Fast 80 Prozent der Opfer sind weiblich, weshalb sich die Ministerinnen für den Ausbau von Frauenhäusern stark machen. Das hält Dagmar Asghari für dringend notwendig:

    Da ist kein Vermieter, wo man vielleicht kurzfristig unterkommen könnte.

    Dagmar Asghari

    Türkei: Kein Schutz vor häuslicher Gewalt?
    Präsident Erdogan setzt bei der Wahl auch auf die Unterstützung einer Partei, die die Abschaffung eines Gesetzes zum Schutz der Frauen fordert.11.05.2023 | 2:22 min

    Spricht über ihr Leid, um anderen Mut zu machen

    Und selbst wenn, dann gebe es "immer die Gefahr, dass der Täter diese Adresse kennt und dort auftaucht und dort bedrohlich wird", erinnert sie sich. Denn sie zog mit ihren Kindern einst selbst in ein Frauenhaus.
    Über professionelle Hilfe hatte Dagmar Asghari den Weg aus ihrem Grauen gefunden:

    Da gab es dann schon irgendwann den Punkt, wo ich gemerkt habe: Hier stimmt gar nichts mehr. Wo ich dann auch mal auf mein Bauchgefühl gehört habe.

    Dagmar Asghari

    Welches sie zuvor "so oft ignoriert" habe. Bis sie dann "die Frau von der Beratungsstelle kontaktiert und ein Gespräch gewünscht" habe. Erst anonym, später wagte sie den Schritt dann persönlich. Und inzwischen spricht sie öffentlich über ihr früheres Leid, um anderen - so viele, die es im Dunkeln gibt - Mut zu machen.




    Jasmin Astaki-Bardeh ist Reporterin im Landesstudio Stuttgart.

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