Duell Habeck gegen Merz - oder doch bald gemeinsam?

    Interview

    Experte zum Duell im ZDF:Habeck gegen Merz - oder doch bald gemeinsam?

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    Habeck gegen Merz - was braucht Deutschland? Im ZDF treffen sich die Spitzenpolitiker zum Schlagabtausch. Was sie trennt, was sie verbindet, erklärt Politologe Korte im Interview.

    Archiv: Robert Habeck und Friedrich Merz am 31.05.2022.
    Robert Habeck (Grüne) und Friedrich Merz (CDU) treffen am Donnerstag in der Sendung "maybrit illner" aufeinander.06.06.2024 | 69:03 min
    ZDFheute: Wie beurteilen Sie die aktuelle Performance des Vizekanzlers Robert Habeck (Grüne) und des Oppositionsführers Friedrich Merz (CDU)?
    Karl-Rudolf Korte: Beide sind professionelle Mobilisierer in ihrem eigenen Lager - der eine im Bereich der progressiven Mitte und der andere mehr im Bereich der konservativen Mitte.
    ZDFheute: Sehen wir hier schon zwei mögliche Kanzlerkandidaten für die Bundestagswahl 2025?
    Korte: Auf jeden Fall sind beide potenzielle Kandidaten. Merz wird durch seine politische Geschichte und auch durch sein Lebensalter sich das nicht nehmen lassen, die letzte Chance als Kandidat anzutreten. Er hat das Zugriffsrecht als Parteivorsitzender, von dem er auch Gebrauch machen wird. Und er hat die Partei so klug und clever in den letzten Monaten hinter sich geschart, sodass sich überhaupt keine Alternative zu ihm aufbauen lässt.

    Karl-Rudolf Korte
    Quelle: Peter Frischmuth

    ... ist Politikwissenschaftler und seit 2002 Professor an der Universität Duisburg-Essen am Campus Duisburg und seit 2006 Direktor der NRW School of Governance.

    Und bei Habeck weiß man nicht, wie weit er mit Frau Baerbock noch in einen Abstimmungsprozess gehen muss und sollte. Das Verfahren ist offen, aber dass er es machen möchte, ist absolut daran ablesbar, dass es kein Thema gibt, zu dem er sich nicht äußert - und zwar substanziell über soziale Medien gezielt in die politische Mitte hinein, immer mit einer klaren Botschaft: Er ist nicht nur Vizekanzler, sondern er ist jetzt bereits Zweitkanzler.
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    ZDFheute: Welche Fehler hat die Ampel gemacht und welche davor die Große Koalition? Was ist Altlast, was ist neu?
    Korte: Merz würde als Sanierer antreten und Habeck als Reformer, und das sind eben unterschiedlich ambitionierte Ansprüche, etwas zu verändern im Sinne einer inklusiven Transformation. Da ist der Habecksche Ansatz: der Rettung eine Richtung geben. Bei Merz zielt die Veränderung auf wirtschaftliche Vernunft, auf Wohlstandssicherung und konservativ kalkulierbare Lebenswelten.

    Die Sendung "maybrit illner" mit dem Thema "Europa hat gewählt - Kiews Schicksal ungewiss?" am Donnerstag, 12. Juni, um 22:15 Uhr im ZDF - und ab 21 Uhr im Livestream auf ZDFheute.

    Wiederaufbaukonferenz in Berlin, Friedenskonferenz in der Schweiz und überall auch die Bitte um Waffen: Der ukrainische Präsident Selenskyj reist durch Europa – und das ist gespalten. Die Gemeinschaft seiner größten Unterstützer ist nach der Europawahl so mit sich selbst beschäftigt wie lange nicht. Ist Russland einer der Gewinner dieser Europawahl? Bröckelt die Unterstützung für die Ukraine? Gibt Europa viel Geld aus, das der Ukraine wenig hilft?

    Bei Maybrit Illner diskutieren der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil, CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen, BSW-Vorsitzende Amira Mohamed Ali, der langjährige Diplomat Wolfgang Ischinger und die Friedens- und Konflikforscherin Nicole Deitelhoff.

    ZDFheute: Wie groß ist die inhaltliche Kluft zwischen Habeck und Merz wirklich?
    Korte: Ich sehe viele gewachsene Gemeinsamkeiten in der Außen- und Sicherheitspolitik, fast identische Positionen, die beide da entwickelt haben. Und das traditionell konservative Anliegen, die Schöpfung zu bewahren, ist auch der bürgerlich-ökologische Ansatz, der die Grünen auszeichnet.
    Die Wege dahin sind unterschiedlich, aber die größten unterschiedlichen Punkte liegen vermutlich in der Migrationspolitik. Aber hier haben die Grünen auch gezeigt, dass sie sich realpolitisch verändert haben. Ich sehe beide auf einem zulaufenden Kurs.

    Radikale Politikwechsel sind in unserer Umarmungsdemokratie in Deutschland ohnehin nicht möglich. Unterschiedliche  Mehrheiten machen Kompromisse erforderlich.

    Karl-Rudolf Korte, Politikwissenschaftler

    ZDFheute: Nun hat ja Friedrich Merz mehrfach gesagt, die Grünen seien der Hauptgegner, und er hat auch schon mal eine Koalition mit den Grünen ausgeschlossen. Können Sie sich trotzdem vorstellen, dass die beiden Partner in einer neuen Koalition nach der Bundestagswahl 2025 werden?
    Korte: Auf jeden Fall, weil das machttaktisch in bestimmten Phasen einer internen Konsolidierung bei Merz wichtig für ihn war, sich von den Grünen zu distanzieren, weil sie zu woke oder in einigen gesellschaftspolitischen Themen zu links daher kamen und er eher die Reihen schließen wollte innerhalb der CDU mit seinem konservativen, bürgerlichen Verständnis.
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    ZDFheute: Wichtig bei Koalitionen ist ja auch immer die Chemie zwischen Personen. Können die beiden persönlich miteinander?
    Korte: Es würde keinen Hauch von Komplizenschaft geben, weil beide grundsätzlich unterschiedliche Typen sind. Das ist aber für die Kalkulation einer Zusammenarbeit in der Koalition gut, weil man weiß, wie der andere ist.

    Und diese Klärung von Fronten ist hilfreich, weil man dann auch weiß, bis zu welchen Punkten man zusammenarbeiten kann und wie.

    Karl-Rudolf Korte, Politikwissenschaftler

    Der eine wird praktisch die Widersprüche versuchen zu umarmen, und der andere ist heroischer überzeugt zu wissen, wie die Zukunft aussieht. Das wäre eine gute Mischung an unterschiedlichen Führungsvorstellungen, wie sie es sich sicherheitsdeutsche Wähler wünschen.
    Das Interview führte Micha Wagenbach.
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