BSW von Russland "gekauft"?:Was ist dran an Habecks Korruptionsvorwurf?
von Jan Schneider
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Wirtschaftsminister Habeck hat das Bündnis Sahra Wagenknecht als "komplett gekauft" bezeichnet. Das BSW will sich nun juristisch gegen den Vorwurf wehren. Was steckt dahinter?
Werden die Wahlen und die Koalitionsverhandlungen im Osten zum bitteren Vorspiel für die Bundestagswahl? Hält die Ampel bis dahin überhaupt durch? 05.09.2024 | 62:41 min
In der jüngsten Ausgabe der ZDF-Talkshow "maybrit illner" kam es zu einem hitzigen Schlagabtausch zwischen Amira Mohamed Ali, Vorsitzende des Bündnisses Sahra Wagenknecht (BSW), und der Grünen-Politikerin Katharina Dröge. Mohamed Ali wies empört Vorwürfe zurück, dass ihre Partei von Russland und China finanziert und "gesteuert werde", und kritisierte Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) dafür, dies öffentlich zu behaupten.
Dröge wies wiederum diese Behauptung als falsch zurück und erklärte, Habeck habe lediglich davon gesprochen, dass es "Informationen sind, die finanziert werden zur Unterstützung des BSW". Dröge beendete das Thema in der Sendung mit den Worten "das bringt so überhaupt nichts".
Ein Grund für ZDFheute, genau zu schauen, was Habeck gesagt hat und was über ausländische Einflusskampagnen bekannt ist.
Was hat Habeck gesagt?
Mohamed Ali bezog sich in ihrem Vorwurf auf einen Auftritt von Robert Habeck bei der Abschlussveranstaltung des Grünen-Wahlkampfs im Rundkino in Dresden. Habeck sprach dort über den Ausbau der erneuerbaren Energien und dem Wunsch nach einem konstruktiven Dialog, um wirtschaftliche Ungleichheiten zu verringern und den gesellschaftlichen Zusammenhalt, insbesondere in Sachsen und Thüringen, zu fördern. AfD und BSW warf er dabei offen Korruption vor:
Es sei absolut in Ordnung, dass Menschen anderer Meinung seien als die Regierung und man dürfe auch eine andere Meinung zur Unterstützung der Ukraine haben, das sei alles "legitim und richtig":
Wie Desinformation und Propaganda funktionieren und warum es in Kriegsgebieten so wichtig ist, Gerüchte und Behauptungen zu überprüfen.21.09.2023 | 32:44 min
Was ist über ausländische Einflussnahme in Deutschland bekannt?
Über ausländische Desinformationskampagnen wurde schon viel berichtet. Bereits im Sommer 2022 wurden Soziale Netzwerke mit nachgemachten deutschen Nachrichtenseiten großer Medienmarken wie Bild, Welt, t-online oder Spiegel geflutet, um pro-russische Propaganda zu verbreiten. Auch dieses Jahr wurde ein riesiges Netzwerk von Fake-News-Seiten aufgedeckt, mittlerweile wird die Einflussnahme als "Doppelgänger-Kampagne" bezeichnet.
Im Falle der AfD sollen auch schon direkte Zahlungen an Politiker aus Russland gegangen sein. Der ehemalige AfD-Bundestagsabgeordnete und Europawahlkandidat Petr Bystron soll Geld von dem pro-russischen Netzwerk "Voice of Europe" erhalten haben. Gegen den früheren AfD-Spitzenkandidaten für die Europawahl, Maximilian Krah, wurden Vorermittlungen wegen des Verdachts der Bestechlichkeit eingeleitet. Er wird verdächtigt, Zahlungen aus Russland und China erhalten zu haben.
Auch ZDF frontal hatte über die Vorwürfe gegen Krah berichtet:
Vorwurf der Käuflichkeit, Spionage-Verdacht im eigenen Büro und fragwürdiger Content auf TikTok: Was ist los bei Maximilian Krah, dem AfD-Spitzenkandidaten für die Europawahl?02.05.2024 | 22:01 min
FBI-Dossier: Deutschland im Visier russischer Desinformation
Grünen-Politikerin Dröge spricht bei "illner" von neuen Informationen über die russische Desinformation, die aus den USA kommen. Sie bezieht sich dabei auf ein 277 Seiten umfassendes Dossier des FBI, das detailliert die Pläne Russlands beschreibt, gezielt Regierungspropaganda in Deutschland zu verbreiten. Das Ziel sei es seit mindestens 2022 gewesen, die AfD zu unterstützen, die Unterstützung für die von Russland angegriffene Ukraine zu untergraben und die USA sowie die Nato zu verunglimpfen.
Der 277 Seiten lange Bericht der Bundespolizei FBI zitiert aus Notizen und Memos entsprechender Treffen von russischen Beteiligten an der Desinformationskampagne. Ziel sei es gewesen, "die USA, Großbritannien und die Nato diskreditieren", soll es in den Treffen geheißen haben. Bei einer Zusammenkunft sei beschlossen worden, die Bemühungen besonders auf Deutschland zu konzentrieren.
In einem der Dokumente, welches die FBI-Ermittler dem russischen Unternehmen Social Design Agency zuschreiben, heißt es, man wolle "die internen Spannungen in den mit den Vereinigten Staaten verbündeten Ländern verschärfen", um die Interessen Russlands auf internationaler Bühne zu fördern. So unterstütze man die AfD "mit allen Mitteln", in dem man das "Bild von Märtyrern" schaffe, "die für die Demokratie und die nationalen Interessen Deutschlands leiden". Dies sollte zum Beispiel mit der Verbreitung gefälschter Videos oder Webseiten erreicht werden.
Die FBI-Untersuchung konzentriert sich in ihrer Untersuchung vor allem auf die russische "Doppelgänger"-Kampagne. Zu ihrer Taktik gehört es, Webseiten existierender Qualitätsmedien und öffentlicher Institutionen zu imitieren. Nach Einschätzung der US-Regierung werden Einflussversuche in Moskau von ganz oben initiiert - "unter der Leitung und Kontrolle der russischen Präsidialverwaltung".
In der FBI-Untersuchung heißt es, die Propaganda sei unter anderem mit dem Ziel entwickelt worden, die internationale Unterstützung für die Ukraine zu untergraben sowie pro-russische Politik und pro-russische Interessen zu stärken.
Welche Rolle spielt das BSW dabei?
Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) wird in dem FBI-Dossier nicht namentlich erwähnt. Mitglieder der Partei sind in der Vergangenheit jedoch häufig mit Positionen aufgefallen, die der Linie des Kremls sehr nahe sind. Teilweise wurden auch Falschbehauptungen verbreitet, etwa die Behauptung, Frankreich habe offiziell Truppen in die Ukraine entsendet, um gegen Russland zu kämpfen.
Wie im Gegenzug wird das BSW auf den als Fake-News-Portalen identifizierten Webseiten überaus positiv dargestellt. Auf der Seite gruenehummel.com, die dem Doppelgänger-Netzwerk zugerechnet wird, wird Sahra Wagenknecht in einem vermeintlichen Nachrichtenartikel so angepriesen:
Mit Blick auf die schwierige Regierungsbildung in den beiden Bundesländern Sachsen und Thürigen sprach sich Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil für Sondierungen auch mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) aus.05.09.2024 | 1:15 min
Die Verbindung des Kreml zum BSW sei allerdings anders als zur AfD, meint Politikwissenschaftlerin Sarah Pagung von der Körber-Stiftung. Anders als bei der AfD gebe es bisher keine Hinweise auf bestehende Kontakte. Gründe für pro-russischen Aussagen einiger Parteimitglieder sieht Pagung eher in einer gefestigten anti-amerikanischen oder anti-westlichen Haltung. Das werde von der russischen Desinformationskampagne aufgenommen und verstärkt:
Fazit: Das BSW wird nachweislich von aus Russland gesteuerten Bots und Webseiten unterstützt. Für Habecks Vorwurf, die Partei sei "komplett gekauft", gibt es bisher allerdings keine Belege.
Quelle: ZDF
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