Interview
Analyse
So wandelte sich die Partei:Friedenspartei? Die Abkehr der Grünen
von Patricia Wiedemeyer
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In den 80ern galten die Grünen als bedingungslose Friedenspartei. Heute fordern Vertreter der Partei so laut wie kaum jemand sonst Waffen für die Ukraine. Wie ist das passiert?
Steht für die bedingungslose Unterstützung der Ukraine: Außenministerin Annalena Baerbock, hier bei einem Besuch in Mykolajiw (Archivbild).
Quelle: dpa
Sie galten als Müslifresser und Ökospinner. Sie stammten aus Umweltverbänden, der Friedens- und Anti-Atom-Bewegung. Es war eine bunte Truppe, die sich da 1980 zur Partei der Grünen zusammenschloss.
Was ist davon geblieben, vor allem von der ehemaligen Friedenspartei in diesen Zeiten, in der eine Regierung mit grüner Beteiligung gleich mit zwei Kriegen konfrontiert wird - dem in der Ukraine und in Nahost? Nicht viel!
Die Grünen kämpfen in der Regierung so wie keine andere Partei für Waffenlieferungen an die Ukraine. Der linke Anton Hofreiter ist einer der schärfsten Kritiker von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), der zu zögerlich sei beim Thema Waffenlieferung, beim Thema Taurus.
Deutschland will die Ukraine weiterhin unterstützen, darf dabei aber nicht zur Kriegspartei werden. Das ist die klare Haltung von Bundeskanzler Scholz. Bundeswehrtruppen und Taurus-Marschflugkörpern in der Ukraine erteilt er ein eindeutiges "Nein". 28.02.2024 | 2:03 min
Die Rolle von Habeck und Baerbock
Es war Robert Habeck, der vor Ausbruch des Krieges bereits Waffenlieferungen an die Ukraine forderte. Damals gab es noch innerparteiliche Proteste. Seit Russland die Ukraine überfallen hat, sind diese verstummt. Der grüne Wirtschaftsminister trifft sich mit der Rüstungsindustrie, fordert eine Steigerung der Produktion von Waffen und Munition.
Auch die grüne Außenministerin Annalena Baerbock setzt sich immer wieder dafür ein, dass mehr Waffen geliefert werden, zeigt im Bundestag deutlich ihr Unverständnis für die Äußerung des SPD-Fraktionsvorsitzenden Rolf Mützenich, man müsse darüber nachdenken, den Krieg in der Ukraine einzufrieren.
Ist jetzt der richtige Zeitpunkt, um "wieder mehr über den Frieden zu sprechen", den Ukraine-Krieg gar "einzufrieren", wie der SPD-Fraktionsvorsitzende Mützenich formuliert? Die Debatte bei "maybrit illner".21.03.2024 | 65:01 min
Wie die Grünen sich gewandelt haben
Und das als einst friedensbewegte, pazifistische Partei? Wie kaum eine andere Partei haben die Grünen im Laufe der Jahre ihr Programm der Realität angepasst. Wie kaum eine andere Partei sind sie flexibel und anpassungsfähig.
Doch dies sei keine Abkehr von alten Werten, verteidigen sie diese Wandlung. Es gehe immer noch um Werte wie Menschenrechte, Freiheit, Demokratie und eben Frieden, aber die Grünen seien realistisch. Dieses sei nur zu erreichen, wenn Wladimir Putin nicht gewinne, wenn die Ukraine weiter und deutlicher unterstützt würde.
Und anders als die SPD seien die Grünen schon immer klar in ihrer kritischen Haltung gegenüber Russland gewesen, ist von Partei und Fraktion zu hören. Schon im Wahlkampf hat vor allem Baerbock sich immer wieder gegen die Gaspipeline Nord Stream 2 ausgesprochen und vor Russland gewarnt.
Frontalangriff auf Olaf Scholz: Grünen-Politiker Hofreiter nennt die Absage des Kanzlers an Taurus für Kiew "unverantwortlich". Außerdem sei das Verhältnis zu Frankreich zerrüttet.27.02.2024 | 6:14 min
1999: Abkehr vom reinen Pazifismus
Es ist aber keine neue Entwicklung bei den Grünen. Neu ist nur, dass die kritischen Stimmen inzwischen fast ganz verstummt sind. Damals, unter Rot-Grün, im Jahre 1999, als ein grüner Außenminister Joschka Fischer einem Nato-Einsatz mit deutscher Beteiligung im Kosovo zustimmte, drohte das noch die Partei zu zerreißen.
Unvergessen die Farbbeutel-Attacke auf Fischer beim Parteitag in Bielefeld. Dass es dennoch durchgezogen wurde, das war die entscheidende Weichenstellung, die Abkehr vom reinen, bedingungslosen Pazifismus, der die Welt nicht besser mache.
Heute ist das Leitmotiv der Grünen in Bezug auf die Ukraine: Frieden schaffen mit Waffen - wenn es sein muss, mit immer mehr Waffen. Es ist ein erstaunlicher Wandel, aber für die meisten in der Partei ein konsequenter Weg. Aufgeheizte Debatten wie damals in Bielefeld, die gehören längst der Vergangenheit an.
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