Auf ihrem Parteitag wollen die Grünen Aufbruchsstimmung erzeugen. Es gilt zudem, eine neue Doppelspitze zu wählen, und Robert Habeck zum Kanzlerkandidaten zu küren.15.11.2024 | 2:34 min
Diesmal wird es wohl kein normaler Parteitag - oder Bundesdelegiertenkonferenz, wie es bei den
Grünen heißt - werden. Denn es sind nur etwa drei Monate vor der Neuwahl, da kann sich keine Partei Streit oder Personaldiskussionen leisten. Geschlossenheit dürfte somit das Motto dieser drei Tage in Wiesbaden sein.
Denn gestritten wurde in der Ampel genug. Streit will kein Bürger mehr hören, drei Jahre lang gab es ja kaum etwas anderes.
Habeck hat Partei auf sich zugeschnitten
Passend dazu werden die Grünen einen neuen Bundesvorstand wählen. Alles wird ausgetauscht, bis hin zur Pressesprecherin. Der designierte Kanzlerkandidat
Robert Habeck hat erneut die Partei auf sich zugeschnitten.
Franziska Brantner, eine langjährige Vertraute, folgte Habeck ins Wirtschaftsministerium als Staatssekretärin. Vor ihrer Zeit in Berlin war sie Abgeordnete im EU-Parlament, bestens vernetzt, klug. Sie gilt als gesetzt als neue Parteivorsitzende.
Trotz harter Kritik wollen die Grünen ihren Kurs auf die Zukunft halten. "Wir wollen, dass das Leben besser wird und vor allem bezahlbar wird", so Wahlkampfleiter Andreas Audretsch.15.11.2024 | 5:22 min
Co-Vorsitzender wird voraussichtlich Felix Banaszak, ehemals Grünen-Chef in NRW, Sprecher der Grünen Jugend und bis jetzt Bundestagsabgeordneter. Wirkliche Konkurrenz, schwergewichtige Gegenkandidaten, sind bisher nicht in Sicht. Die bisherige Geschäftsführerin Emily Büning soll abgelöst werden durch die stellvertretende Bundesvorsitzende Pegah Edalatian.
Beratergremium wird auf Fünfer-Runde verkleinert
Robert Habeck hat seit Wochen, wenn nicht Monaten, die Parteizentrale umgebaut, mit seinen Leuten besetzt, auf den Wahlkampf vorbereitet. Der Bruch der Ampel kam nicht wirklich überraschend. Auch eine Agentur, die den Wahlkampf managt, haben die Grünen bereits.
Das bisherige Beratergremium, die Sechser-Runde aus zwei Parteivorsitzenden, zwei Fraktionsvorsitzenden sowie Habeck und Baerbock, soll abgelöst werden durch eine Fünfer-Runde: Brantner, Banaszak, die beiden Wahlkampfmanager Audretsch und Carpenter sowie Habeck.
Die Grünen startet ihren Wahlkampf. Bundesministerin Annalena Baerbock betont, dass sie "vor Verantwortung nicht weglaufen". Somit soll unter anderem auch die Ukraine weiter unterstützt werden.14.11.2024 | 7:46 min
Habeck will frühere Merkel-Wähler für Grüne gewinnen
All das erinnert ein wenig an die Zeit von 2018 bis 2022, als Robert Habeck zusammen mit
Annalena Baerbock die Parteiführung übernahm, sie mehr in die Mitte rückte, Wahlen sehr erfolgreich absolvierte und die Grünen teilweise in Umfragen über die 20-Prozent-Hürde hievte.
Genau darum geht es Habeck: Er will frühere Merkel-Wähler für die Grünen gewinnen - die CDU-Wähler, denen
Friedrich Merz zu konservativ, zu weit rechts ist. Mit Baerbock, so heißt es, verstehe Habeck sich wieder sehr gut, nach einigen Differenzen in den letzten Jahren. Sie werde ihn unterstützen im Wahlkampf.
Die Grünen stellen sich auf ihrem Parteitag für einen Neustart auf. Welchen Kurs peilt die Grüne Jugend an? Und was erwartet sie von Kanzlerkandidat Robert Habeck?
Habeck will die Partei als bündnisfähig präsentieren, nicht zerstritten, eher in der Mitte lokalisiert, der linke Flügel, er wird immer leiser. Auch bei der Grünen Jugend wurde die Spitze neu gewählt. Die neuen Sprecher sind lange nicht so kritisch gegenüber der eigenen Parteiführung wie die Vorgänger, die die Partei inzwischen verlassen haben.
Es wird spannend, wie weit die Linken im direkten Umfeld von Habeck - Banaszak, Audretsch, Edalatian - sich wirklich durchsetzen, mit ihren Themen Migration, Soziales, Klima. Wie laut werden sie auf dem Parteitag und dann in den kommenden drei Monaten bis zur Wahl? Wie weit setzt sich die reine linke Lehre durch?
Der Rücktritt des Parteivorstands hat die Grünen kalt erwischt. Nun sucht die Partei nach Strategien für den Bundestagswahlkampf. Im Fokus: Robert Habeck.29.09.2024 | 3:06 min
Viele sehen Grüne vor allem als Verbotspartei
Neuer Parteivorstand, neue Strukturen, aber die alten Themen. Der
Klimaschutz bleibt grüne DNA, auch wenn derzeit das Verständnis für mehr Klimaschutz weltweit immer mehr abnimmt. Genau das könnte zum großen Problem für Robert Habeck werden im kommenden Wahlkampf - schließlich steht er für das verkorkste Heizungsgesetz. Viele Bürger werden das nicht vergessen haben.
Und auch die
Wirtschaft bricht ein. Wer war die letzten drei Jahre Wirtschaftsminister? Es dürfte schwer werden für Habeck, im Wahlkampf zu zeigen, wie er die gesamte
Energieversorgung nach dem Aus des russischen Gases meisterte und sicherstellte - lange vorbei, möglicherweise vergessen.
"Der Heiz-Hammer" - es ist still geworden um das Reizthema des vergangenen Jahres. Die Ruhe trügt.15.10.2024 | 9:31 min
Die Grünen gelten vielen als die Verbotspartei, haben zudem, natürlich mit SPD und FDP, das Cannabis-Gesetz und das Selbstbestimmungsrecht durchgesetzt. Punkten bei Wählern in der Mitte wird damit schwer. Sie sind Teil der gescheiterten Ampel. Noch regieren sie an der Seite des unbeliebten Kanzlers, aber die ersten Absetzbewegungen sind ja zu sehen.
Grüne sind kompromissbereit, wenn es um Macht geht
Das Thema
Migration wird diesmal übrigens erst spät am Abend diskutiert, daran würde eine neue Regierungsbeteiligung wohl nicht scheitern. Ja, die Grünen sind lernfähig und kompromissbereit, wenn es um die Macht geht. Das haben sie zur Genüge in den letzten drei Jahren bewiesen.
So wird dieser Parteitag voraussichtlich zur Krönungsmesse für Robert Habeck. Eine geschlossene, neuaufgestellte Partei wird hinter ihm stehen. Es ist ihre einzige Chance, vielleicht doch noch aus dem Umfragetief herauszukommen und als möglicher Koalitionspartner für die Union überhaupt infrage zu kommen. In den letzten Jahren hat die Partei immer wieder bewiesen, dass sie für die Macht viele Kröten schluckt.
Und einen anderen Kandidaten gibt es derzeit auch nicht, nachdem Baerbock verzichtet hat und Cem Özdemir schon fast in Baden-Württemberg ist.
Patricia Wiedemeyer ist Korrespondentin im ZDF-Hauptstadtstudio.