Fraktionsklausur der Grünen zeigt tiefe Risse in der Ampel

Für dreieinhalb Tage haben sie sich verzogen nach Leipzig, in ein Hotel mitten in der Stadt - draußen kein einziger Hinweis, wer hier gerade zu Besuch ist. Vorsichtshalber, denn es könnte ja wieder Proteste geben: Randale, Misthaufen, Feuer - wie kürzlich erst in Biberach, wo damit der politische Aschermittwoch der Grünen verhindert wurde.

Hier in Leipzig herrscht totale Ruhe, die darüber hinweg täuscht, wie sehr es innerhalb der Ampel-Koalition brodelt.

Es ist zum einen das "Nein" des Kanzlers zur Taurus-Lieferung in die Ukraine, alle hier sind verärgert über Olaf Scholz (SPD), über seine Argumente, die weder glaubhaft seien noch Sinn ergeben würden.

Am deutlichsten formuliert es Anton Hofreiter, öffentlich im ZDF und noch deutlicher im persönlichen Gespräch. Von einer Gefährdung der Sicherheit Deutschlands und Europas spricht er, er schimpft so über Scholz, als gehöre er der Opposition an.

Und es ist fast die ganze Fraktion, die das so sieht, sich aber nicht traut, es so deutlich auszusprechen, und dann wiederum Hofreiter vorwirft, zu drastisch in seiner Wortwahl zu sein. Klar, das sorgt kaum für gute Stimmung.

Auch die Fraktionsvorsitzende Britta Hasselmann sagt öffentlich, das letzte Wort bei diesem Thema sei noch nicht gesprochen, was immer das heißen mag. Die FDP haben die Grünen ausnahmsweise mal auf ihrer Seite.

Anders ist das bei ihren Beschlüssen zur Zukunft des Landes. Mindestlohn von 14 Euro in diesem Jahr, Klimageld ab 2025, Preisgarantie für das 49-Euro-Ticket, und einen Deutschland- Investitionsfonds für Bund, Länder und Kommunen wollen sie, um das Land wieder fit zu machen - für Infrastruktur, marode Schulen, den Öffentlichen Nahverkehr.

All das erfordere eine Reform der Schuldenbremse, von einem zusätzlichen Finanzbedarf von mehreren Hundertmilliarden spricht die Fraktionsvorsitzende Katharina Dröge. Die Reaktion der FDP ließ nicht lange auf sich warten, noch bleibt sie bei ihrem "Nein" zur Reform der Schuldenbremse - das alles sei nicht im Koalitionsvertrag vereinbart, daher kein Thema. Basta!

Doch es sei schön, dass sich jetzt auch die Grünen mal mit dem Thema Wirtschaft befassen würden, meinte süffisant der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der FDP, Lukas Köhler. Welche Arroganz gegenüber dem Koaltionspartner, und dem grünen Wirtschaftsminister Robert Habeck.

Jeder gegen jeden, es wird inzwischen kein Blatt mehr vor den Mund genommen, Verständnis für die Position des anderen gleich Null: konträre inhaltliche Vorstellungen - das ist die Bilanz.

Wie lange das noch gut geht, auch diese Frage wird hier immer wieder gestellt in Leipzig. Wann steigt die FDP aus? Auch darauf hat niemand eine Antwort. Die Grünen, sie wollen durchhalten, auch wenn sie mit ihren Ideen und Vorstellungen nicht weiter kommen. Eine wirkliche Alternative gibt es schließlich nicht, für keine der drei Parteien.

So bleibt viel Frust und Resignation - wirkliche Aufbruchstimmung gibt es nicht in Leipzig, aber immerhin, sie können in Ruhe tagen - wenigstens etwas.