Gerechtigkeits-Check:Wo Deutschland gleicher wird, wo ungleicher
von Bernd Benthin
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Gleichwertige Lebensverhältnisse: Dieser Anspruch ist schon im Grundgesetz verankert. Ein neuer Bericht zeigt, wo sich Deutschland dem Ziel nähert und wo das Land ungleich bleibt.
Bei den Lebensverhältnissen in Deutschland gibt es Unterschiede in vielen Bereichen. In anderen gelingt eine Angleichung, so der Gleichwertigkeitsbericht der Bundesregierung.03.07.2024 | 1:22 min
Vizekanzler Robert Habeck - selbst Buchautor - hat einen kuriosen Lesetipp: Der heute vorgestellte, erste Gleichwertigkeitsbericht der Bundesregierung sei "wirklich bedeutsam" und damit auch bester Lektürestoff für die Sommerferien. Das Werk, über 200 Seiten dick, messe die Temperatur im Land und liefere Antworten auf die Frage, wie gleich und damit wie gerecht es zugeht in Deutschland. Die Unterschiede würden kleiner und vieles besser, so will die Regierung selbst den Bericht lesen. Einige Zahlen aber zeichnen ein deutlich anderes Bild.
Was ist besser: Stimmung oder Lage?
Der Gleichwertigkeitsbericht ist randvoll mit Grafiken und bunt eingefärbten Deutschlandkarten. Die zeigen nicht nur Daten und Statistiken, sondern auch die gefühlte Wahrheit in den Landkreisen. Über 31.000 Menschen wurden befragt und liefern damit nicht nur ein Gleichheits-Barometer, sondern auch das bislang größte und detaillierteste Stimmungsbild jemals. Und es ist vor allem dieses Stimmungsbild, das Bundes- und Landesregierungen zu denken geben muss:
- Mehr als acht von zehn Befragten empfinden es als sehr oder eher schwierig, bezahlbaren Wohnraum zu finden. Gefühlt besonders aussichtslos ist die Lage in Großstädten.
- 41 Prozent finden, die Gesundheitsversorgung habe sich in den vergangenen fünf Jahren verschlechtert. In den ländlichen Kreisen ist die Unzufriedenheit noch deutlich höher.
- Weniger als die Hälfte ist zufrieden mit Verkehrsanbindung und Mobilitätsangeboten. Mit Ausnahme von Großstädten ist der Ärger flächendeckend.
- Nur 43 Prozent halten die Qualität der Schulen für gut. Nur 39 Prozent sind mit der Qualität der Kinderbetreuung insgesamt zufrieden.
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Viele zufrieden mit der persönlichen Lebenssituation
Unzufriedenheit also in vielen Bereichen: Gesundheit, Bildung, Verkehr, Digitalisierung. Im Kontrast dazu zeigen sich allerdings über zwei Drittel der Befragten eher oder ganz und gar zufrieden mit der persönlichen Lebenssituation. Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, meint dazu im ZDFheute-Interview:
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Annäherung und Auseinanderdriften
Zu den Daten und Fakten: 38 Indikatoren führt der Gleichwertigkeits-Bericht auf. Die sollen zeigen, wo das Land gleicher oder aber ungleicher wird.
In ganzen 27 Bereichen gibt es demnach eine Annäherung. Zum Beispiel bei
- Steueraufkommen
- Arbeitslosenquote
- Zahl der Straftaten
- oder ganz banal bei der Erreichbarkeit des nächsten Supermarktes.
In anderen Feldern driften die Regionen auseinander. Etwa bei
- Verhältnis von Kindern zu Kitaplätzen
- Angebot an Fachkräften in der Region
- Verhältnis von Jung zu Alt.
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Vor allem hier ist der Unterschied eklatant. Klammert man Berlin samt Speckgürtel aus, trifft der Negativtrend vor allem die neuen Bundesländer. Der Osten altert rapide, die Jungen fehlen. Ein deutlicher und wachsender Unterschied zum Rest des Landes -"besorgniserregend" nennt Wirtschaftsminister Habeck diese demografische Entwicklung.
Ungleichheit: Ein Ost-West-Problem?
An vielen der Karten im Bericht lässt sich auch heute noch problemlos die ehemalige innerdeutsche Grenze nachziehen. Bei Themen wie Einkommen oder vorzeitiger Sterblichkeit etwa schneidet der Osten negativer ab. Deutlich positiver steht er da, wenn es um Kinderbetreuung und die gleiche Bezahlung von Männern und Frauen geht.
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In anderen Bereichen ist das Bild wesentlich diffuser. Beim Sicherheitsgefühl etwa gibt es wenig Ost-West-Gefälle, die Zufriedenheit mit dem Nahverkehrsangebot ist fast überall gleich bescheiden, die Beurteilung des Erholungswerts der eigenen Region fast überall eher hoch.
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Bei der Einschätzung der eigenen, wirtschaftlichen Situation aber ist sie dann wieder: die innerdeutsche Grenze. Dabei, so betont der Wirtschaftsminister heute, sei es momentan gerade der Osten, der in Sachen Wirtschaft im Großen Tempo macht:
Die richtige Sommer-Lektüre für den Strandurlaub ist der Gleichwertigkeits-Bericht sicher nicht, selbst wenn ihn der Vizekanzler so anpreist. Einen Blick wert aber ist der Bericht in jedem Fall - schon allein um zu schauen, wie es sich so lebt im eigenen Landkreis und im Vergleich zum Landkreis nebenan.
Bernd Benthin ist Korrespondent im ZDF-Hauptstadtstudio.
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