Gewalt gegen Politiker: Durchgreifen mit Wahlrechts-Entzug?

    Studie zu Gewalt gegen Politiker:CDU-Politiker fordert Entzug des Wahlrechts

    von Anne Herzlieb
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    Hass, Hetze und Gewalt gegen Kommunalpolitiker: Laut unveröffentlichter BKA-Studie trifft das über ein Drittel. CDU-Politiker Throm will bei schweren Straftaten Wahlrechts-Entzug.

    Politikerin hängt Wahlplakat auf
    Das Bundeskriminalamt registriert steigende Zahlen im Bereich der politisch motivierten Kriminalität. Die Verfolgung der Straftaten ist oft langwierig und kompliziert.14.01.2025 | 9:05 min
    Quer durch die Parteien erleben Politker mehr Hass, Hetze und Gewalt. Mehr als ein Drittel der befragten Kommunalpolitiker haben Anfeindungen im letzten halben Jahr erlebt, wie aus einer bislang unveröffentlichten Studie des Bundeskriminalamtes hervorgeht.

    Zunehmende Desinformation durch KI-generierte Deepfakes

    Kirsten Eberspach vom Bundeskriminalamt erklärt gegenüber ZDF-Magazin "frontal": "Wir sprechen hier von Anfeindungen im analogen Raum wie beispielsweise Beleidigungen von Angesicht zu Angesicht auf der Straße, per Brief oder Telefon."

    Was wir aber auch sehen ist, dass es vermehrt zu digitalen Anfeindungen über soziale Netzwerke kommt.

    Kirsten Eberspach, Bundeskriminalamt

    Bundesinnenministerin Nancy Faeser hinter blauer Wand.
    Die Landesinnenminister beraten über mögliche Konsequenzen. Die einen fordern schärfere Gesetze, die anderen halten eine schnell und effizient arbeitende Justiz für effektiv genug.12.05.2024 | 3:14 min
    Denn erstmalig in der Studie des Bundeskriminalamtes wurde auch nach Erfahrungen mit Deep Fakes und Desinformation gefragt - mit erschreckenden Ergebnissen:
    • 70 bis 80 Prozent der befragten Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker haben mit Deepfakes bereits Erfahrung gemacht.
    • Bei mehr als einem Fünftel wurden bereits KI-generierte Deep Fakes und Desinformationen über die eigene Person verbreitet.

    Bundesverfassungsgericht urteilt zu BKA-Gesetz
    Quelle: dpa

    Die bisher unveröffentlichte Studie des Bundeskriminalamts, die in Zusammenarbeit mit den kommunalen Spitzenverbänden mit dem Titel "Kommunales Monitoring zu Hass, Hetze und Gewalt gegenüber Amtsträger*innen" durchgeführt wird, ist Teil des Verbundprojektes MOTRA und wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und vom Bundesministerium des Innern und für Heimat gefördert.
    Es handelt sich dabei um eine bundesweite und regelmäßig stattfindende Befragung aller kommunaler Amts- und Mandatsträger*innen zu deren Erfahrungen und Erlebnissen mit Anfeindungen und Übergriffen im digitalen und analogen Raum.

    In der Studie werden circa 10.000 haupt- und ehrenamtlich kommunalpolitische Amtsträgerinnen und Amtsträger angeschrieben, wovon bisher circa 20 Prozent teilgenommen haben. Die Ergebnisse der derzeit laufenden Erhebung werden Anfang März 2025 in Wiesbaden auf der MOTRA-Jahreskonferenz vorgestellt.

    Gewalt gegen Politiker 2024 sprunghaft angestiegen

    Und zwar "nicht nur über soziale Netzwerke, sondern wir beobachten das auch in der mündlichen Verbreitung, über Flyer und auf politischen Veranstaltungen, dass Desinformationen über die eigene Person verbreitet werden", so Eberspach.
    Christian Sievers
    Videos via KI generieren geht mittlerweile recht einfach. Aber es gibt auch Tricks, wie man sie erkennt. Wichtige Tipps zusammengefasst.22.09.2023 | 1:30 min
    "Diese Zahlen sind ein Alarmsignal für die Demokratie", so der Berliner Politikberater Johannes Hillje, der aktuell unter anderem auch für die Grünen tätig ist, im Gespräch ZDF "frontal". "Gerade die Kommunalpolitik lebt davon, dass sich Menschen ehrenamtlich engagieren."

    Besonders besorgniserregend sind die Zahlen vor dem Hintergrund, dass Kommunalpolitiker nicht den Personenschutz haben wie etwa Bundesminister und Anfeindungen viel stärker ausgesetzt sind, da sie im direkten Wohnumfeld stattfinden.

    Johannes Hillje, Politikberater

    Dass aus Worten Taten werden und Androhungen in physische Gewalt umschlagen, zeigte das Superwahljahr 2024, in dem die Zahl der Angriffe aus Politiker sprunghaft anstieg.
    Mit nationalsozialistischen Parolen beschmiertes Wahlplakat.
    Schock für Wahlkämpfer: Ihre Wahlplakate wurden mit rechten Parolen und Nazisymbolik beschmiert. Um ein Zeichen gegen Rechtsextremismus zu setzen, blieben sie dennoch stehen.10.05.2024 | 1:45 min

    Verfolgung der Straftaten oft langwierig

    Im Mai letzten Jahres wurde der SPD-Politiker Matthias Ecke im Europawahlkampf von jugendlichen Gewalttätern angegriffen und zusammengeschlagen. Ihm wurde bei dem Angriff das Jochbein und die Augenhöhle gebrochen.
    Die Verfolgung der Gewaltstraftaten ist oft langwierig wie im Fall von Matthias Ecke (SPD). Die Täter sind auch ein Dreivierteljahr später noch nicht verurteilt. Dazu Ecke gegenüber "frontal":

    Das ist für die Gesellschaft kein gutes Zeichen, wenn so eine schwere Gewalttat so lange ohne Anklage bleibt

    Matthias Ecke, SPD-Politiker

    Kundgebung vor dem Brandenburger Tor
    Übergriffe unterschiedlichster Abstufungen gehören inzwischen zum Alltag von Vertretern fast aller Parteien. Warum ist das so?06.05.2024 | 4:44 min

    Härteres Durchgreifen mit Entzug des Wahlrechts?

    Bei physischen Gewalttaten fordert der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag Alexander Throm nun ein härteres Durchgreifen des Staates. Wer Politiker angreife, greife den Staat an, sagte er "frontal".

    Deswegen müssen wir bei schweren Straftaten gegenüber Politikern das aktive und passive Wahlrecht entziehen für einen Zeitraum zwischen drei bis fünf Jahren.

    Alexander Throm, Sprecher CDU/CSU-Fraktion im Bundestag

    Das aktive Wahlrecht darf bisher nur bei bestimmten politischen Straftaten wie Hochverrat durch ein Gericht aberkannt werden.
     Berlin: Lisa Paus (l, Bündnis 90/Die Grünen), Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, nimmt neben Elena Kountidou an einer Pressekonferenz zur Vorstellung der Studie zum Hass im Netz teil.
    Hass und Hetze im Netz können laut einer neuen Studie die Demokratie gefährden, da sich Betroffene weniger an Diskussionen beteiligen. 13.02.2024 | 1:36 min
    Klar ist: Wenn sich mehr Ehrenamtliche aus der Politik zurückziehen, drohen Lücken, die extremistische Kräfte nutzen können. Politikberater Hillje sagt:

    Wenn die Ausübung eines Amtes mit so hohen politischen Kosten verbunden ist, dann verkleinern wir den Kreis derjenigen, die diese Ämter ausüben wollen immens.

    Johannes Hillje, Politikberater

    Dann gehe nur noch der in die Politik, der das dickste Fell habe.
    Anne Herzlieb ist Redakteurin im ZDF-Magazin "frontal".

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