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Sabotage, Spionage, Cyberattacke:Geheimdienste mit angezogener Handbremse?
von Samuel Kirsch
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Die Chefs der deutschen Geheimdienste fordern mehr Befugnisse und weniger Bürokratie, um Bedrohungen besser aufklären zu können. Doch der rechtliche Spielraum ist begrenzt.
Der Verfassungsschutz ist einer von drei Geheimdiensten in Deutschland.
Quelle: imago/Panama Pictures
"Deutlich mehr operative Beinfreiheit" forderte der Präsident des Bundesnachrichtendienstes (BND), Bruno Kahl, zu Beginn dieser Woche in einer öffentlichen Anhörung im Bundestag. Seine Kollegin Martina Rosenberg, Präsidentin des Militärischen Abschirmdienstes (MAD), hofft auf eine "Realitätsanpassung der Gesetzeslage".
Die Realität, wie beide sie gemeinsam mit dem Präsident des Bundesverfassungsschutzes, Thomas Haldenwang, vor dem Gremium und der Öffentlichkeit beschreiben, ist eine düstere: zunehmende Sabotage, Spionage, Cyberattacken insbesondere aus Russland, aber auch von Seiten Chinas und aus dem Iran, dazu das Wiedererstarken islamistischer Terrorgruppen.
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Forderung nach Zeitenwende bei Geheimdiensten
Das Momentum für die Forderung nach einer Zeitenwende auch bei den Geheimdiensten dürfte angesichts dessen schon lange nicht mehr so groß gewesen sein. Konkret geht es auch um die Schwerpunktsetzung bei der geplanten zweiten Reform des Nachrichtendienstrechts: Effektive Arbeit in effizienten Strukturen als politischer Fokus statt dem Ausbau der Kontrolle über ihre Tätigkeit, wünschen sich die Dienste. Doch worin genau soll die geforderte Beinfreiheit bestehen? Die deutschen Geheimdienste sind an Recht und Gesetz gebunden.
Quelle: dpa
Deutschland hat nicht einen einheitlichen, sondern drei Geheimdienste. Sie sind, jeweils in unterschiedlichen Bereichen, dafür zuständig, Bedrohungen gegen den Staat und Bestrebungen gegen die freiheitliche, demokratische Grundordnung mit nachrichtendienstlichen Mitteln aufzuklären. Konkret bedeutet das: Sie können etwa Telefongespräche überwachen, Personen observieren oder heimlich Vertrauenspersonen (V-Leute) einsetzen, um Informationen zu beschaffen und auszuwerten.
Der Verfassungsschutz ist dafür zuständig, Informationen über Bestrebungen gegen die freiheitliche, demokratische Grundordnung zu sammeln. In seine Zuständigkeit fällt auch die Spionage-Abwehr im Inland. Dafür ermittelt der Verfassungsschutz Spionage-Aktivitäten, die auf deutschem Boden stattfinden.
Der BND ist als Auslandsnachrichtendienst unter anderem dafür zuständig, Spionageaktivitäten und andere gegen Deutschland gerichtete Sicherheitsbedrohungen aufzuklären. Im Zentrum der Tätigkeit des BND steht die so genannte Fernmeldeaufklärung, also das Filtern internationaler Kommunikationsströme, um Erkenntnisse über Aktivitäten ausländischer Staaten oder auch Terrororganisationen zu gewinnen.
Der dem Bundesverteidigungsministerium unterstellte MAD beschafft Informationen zu Bestrebungen, etwa Spionage- oder Sabotageaktivitäten, gegen die Bundeswehr und ihre Angehörige. Es handelt sich also um den deutschen Militärnachrichtendienst. Ein großes Aufgabenfeld des MAD besteht auch darin, die Sicherheitsüberprüfungen für neu eingestellte Militärangehörige durchzuführen.
Strafbare Erpressungen etwa, um an Informationen zu kommen, dürfen Agenten weder im In- noch im Ausland einsetzen. Auch die Kontrolle über ihr Tun ist verfassungsrechtlich zwingend vorgeschrieben.
Bürokratieabbau und erweiterte Befugnisse
An diesen Grundsätzen wollen, soweit ersichtlich, auch die Befürworter einer Zeitenwende nicht rütteln, sondern an anderen Stellschrauben drehen: Aufwendige Vorab-Genehmigungsverfahren für Maßnahmen etwa sollen reduziert werden, ebenso Dokumentationspflichten, die viel Personal binden.
Gerhard Conrad, ehemaliger BND-Agent und Geheimdienstexperte fordert zudem erweiterte Möglichkeiten zur Datengewinnung und -auswertung: "Den größten Aufholbedarf sehe ich im Bereich Online-Durchsuchung etwa von Chatgruppen und der Möglichkeit, Verkehrsdaten länger zu speichern, um zum Beispiel transnationale terroristische Netzwerkstrukturen zu identifizieren und aufzuklären."
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Auch einfachere Möglichkeiten, um Informationen an ausländische Partnerdienste zu übermitteln, hält Conrad für wichtig: "Eine wirksame Zusammenarbeit mit befreundeten ausländischen Diensten kann auf Dauer nur gelingen, wenn wir methodisch auf Augenhöhe agieren können."
Rechtliche Spielräume sind begrenzt
Doch das Bundesverfassungsgericht hat in seiner bisherigen Rechtsprechung stets den Schutz von Grundrechten der von Geheimdienstmaßnahmen betroffenen Bürger, auch solcher von Ausländern im Ausland, betont.
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Die Linie des Gerichts: Der Gesetzgeber darf Nachrichtendiensten zwar Befugnisse einräumen, muss die Voraussetzungen für Eingriffe in Grundrechte aber genau regeln. Maßnahmen müssen beaufsichtigt, teils auch vorab von Richtern genehmigt werden. Auf Grundlage der Rechtsprechung hat sich ein komplexes Kontrollsystem entwickelt.
"Für die Online-Durchsuchung, zum Beispiel das Auslesen von Handys, durch den Verfassungsschutz etwa gilt, dass eine unabhängige Stelle, also etwa ein Gericht, die gewonnenen Daten vor der Sichtung durch den Verfassungsschutz selbst durchgehen und freigeben muss", erklärt Professor Markus Ogorek, Rechtswissenschaftler mit Schwerpunkt Nachrichtendienstrecht an der Universität zu Köln.
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Experte: Gegen-Spionage beim BND stärken
Was also bleibt, will man die Dienste angesichts russischer hybrider Kriegsführung stärken? Beim Bundesnachrichtendienst sieht Jurist Markus Ogorek Bedarf im Bereich der sogenannten Gegen-Spionage. Dabei geht es darum, Erkenntnisse über die Geheimdienste fremder Mächte zu gewinnen, etwa indem Methoden und Organisationsstrukturen russischer Dienste in Moskau aufgeklärt werden.
Die entsprechende BND-Abteilung wurde in den 2000er Jahren abgeschafft und müsse seit einigen Jahren mühsam wieder aufgebaut werden, so Ogorek.
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Auch der für den Schutz der Bundeswehr zuständige MAD könne gestärkt werden, besonders für den Bereich der Drohnenabwehr über Bundeswehr-Liegenschaften, meint Ogorek. Und er plädiert auch für ein Überdenken der verfassungsgerichtlichen Schwerpunktsetzung:
Effizienten Staatsschutz angesichts neuer Bedrohungen mit dem im Rechtsstaat notwendigen Schutz von Grundrechten abzuwägen, bleibt die Herausforderung auch bei neuen Regeln für die deutschen Geheimdienste.
Samuel Kirsch ist Redakteur in der ZDF-Redaktion Recht und Justiz.
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