Gabriel fordert Schulden-Aufnahme, um "abwehrbereit" zu sein

    Interview

    Schulden für Bundeswehr-Ausbau:Gabriel: Müssen uns "abwehrbereit" machen

    von Stefanie Reulmann
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    Ex-Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) befürwortet die Aufnahme neuer Schulden zur Finanzierung der Bundeswehr. Der Ausbau werde "viel Geld kosten", sagt er im ZDF.

    Sigmar Gabriel, SPD, Ex-Außenminister und Vorsitzender der Atlantik-Brücke
    Ex-Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) appelliert an die Bundesregierung, den Ausbau der Bundeswehr durch die Aufnahme neuer Schulden zu finanzieren.20.10.2024 | 5:00 min
    Angesichts der aktuellen Kriegslage müsse die Bundesregierung mehr Geld für Verteidigung ausgeben, sagt Sigmar Gabriel, ehemaliger Bundesaußenminister und Ex-Chef der SPD. Er ist seit 2019 Vorsitzender des Vereins Atlantik-Brücke, der sich für die Zusammenarbeit zwischen Deutschland, Europa und den USA einsetzt.

    Gabriel: Deutschland muss "abwehrbereit" werden

    Nicht die Amerikaner hätten uns "im Stich gelassen", sagt Gabriel, sondern die geopolitische Situation sei heute eine "völlig andere als noch vor zehn oder 20 Jahren". Deutschland müsse sich, genau wie andere Länder, "abwehrbereit" machen.
    Das gestalte sich in der Praxis schwierig, da Deutschland in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten zu wenig in die Bundeswehr und in die Verteidigung investiert habe. Kein Wunder, denn man habe "eine ganz andere Bundeswehr geplant", so Gabriel, "nämlich eine, die im Auslandseinsatz ist, und die keine Territorialverteidigung mehr zur Aufgabe hat". Das sei aber "eine ganz andere Bundeswehr, als die, die man jetzt braucht".
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    Ex-SPD-Chef: Bundeswehr braucht "gewaltige Summen"

    Der Umbau der Bundeswehr sei ein Großprojekt, das einen erheblichen Aufwand, auch in finanzieller Hinsicht, bedeutet. Das müsse man gegenüber den Bürgern klar kommunizieren, fordert Gabriel:

    Es wird viel Geld kosten, und ich kann nicht erkennen, dass im Bundeshaushalt Spielräume dafür da sind, diese gewaltigen Summen aufzubringen.

    Sigmar Gabriel, ehemaliger Bundesaußenminister

    Doch woher soll das Geld kommen? Steuererhöhungen hält der ehemalige SPD-Vorsitzende für den falschen Weg. Aber mit Einsparungen komme man auch nicht weiter. "Alles, was sie da zusammensparen, ist ein Bruchteil dessen, was sie jetzt investieren müssen."

    Gabriel fordert Schulden für Investitionen

    Die CDU mache sich da nicht ehrlich, kritisiert Gabriel: "Bei Beherrschung der Grundrechenarten wird man merken, dass man nicht versprechen kann, mehr in die Infrastruktur zu packen, mehr in die innere Sicherheit, mehr in die äußere Sicherheit, aber dann zu sagen, keine Steuererhöhungen und keine Schulden, das wird nicht funktionieren."
    "Sollen wir die Renten kürzen? Sollen wir für Bildung weniger ausgeben?", fragt der SPD-Politiker. Das könne nicht die Lösung sein. Er plädiert daher für die Aufnahme von Schulden, denn die große Aufgabe, die Bundeswehr zurück zu verwandeln in "eine Armee zur Territorialverteidigung", werde nur mit Investitionen machbar sein. "Solange sie Schulden für Investitionen aufnehmen, ist das auch in Ordnung", sagt Gabriel.
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    Gabriel für "europäische Verteidigung"

    Wenn weiterhin die Ukraine unterstützt werden solle und gleichzeitig die Bundeswehr ausgebaut, könne man das nur "über neue Defizite" bezahlen, sagt Gabriel. Auch wenn die Summe sehr hoch und vielleicht zu hoch erscheine, müsse man sie trotzdem ausgeben, um Schlimmeres zu verhindern, gibt er zu bedenken:

    Unsichere Lagen und ein Angriff Russlands auf Teile der Nato, beispielsweise im Baltikum, sind sehr viel teurer und werden uns am Ende viel mehr kosten, als wenn wir uns jetzt vernünftig aufstellen.

    Sigmar Gabriel, SPD, ehemaliger Bundesaußenminister

    Dringend notwendig sei deshalb auch eine Organisation auf europäischer Ebene. Die Mitgliedstaaten müssten gemeinschaftlich dafür sorgen, "dass die europäische Verteidigung besser wird", sagt der Vorsitzende der Atlantik-Brücke.
    Das würde "Europa ziemlich fest zusammenbringen", und Deutschland könnte sich militärisch wieder mehr engagieren, und sich etwa "verantwortlich für die Ostflanke der Nato" zeigen.

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    Quelle: ZDF

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    Quelle: ZDF

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