FAQ
Karlsruhe zu Hochrisikospielen:Sicherheitskosten: Rote Karte für die DFL?
von Christoph Schneider
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Der Profifußball blickt heute gespannt nach Karlsruhe: Nach langem Streit entscheidet das Bundesverfassungsgericht endgültig, wer die Polizeieinsätze bei Hochrisikospielen bezahlt.
Das Bundesverfassungsgericht entscheidet, wer die Polizeikosten bei Hochrisikospielen im Fußball tragen muss. Damit endet ein langer Rechtsstreit zwischen Bremen und der DFL.14.01.2025 | 0:27 min
In Karlsruhe geht es um die Kernfrage: Müssen die Bundesligaklubs Mehrkosten für Polizeieinsätze bei Hochrisikospielen selbst tragen oder ist das Sache des Steuerzahlers? Zur Geschichte eines langen Rechtsstreits und warum das heutige Urteil größere Folgen haben könnte.
Worum geht es?
Es sind schlimme Bilder, die niemand rund um ein Fußballspiel braucht: Auseinandersetzungen bei sogenannten Hochrisikospielen. Immer wieder trennt die Polizei gewalttätige und randalierende Fan-Gruppen vor, während und nach den Begegnungen, um Schlimmeres zu verhindern. Zusätzliche Hundertschaften sind oft erforderlich, Verstärkung bekommt die Polizei regelmäßig aus anderen Bundesländern, um die Sicherheit zu gewährleisten.
So auch 2015 beim Bundesligaspiel Werder Bremen gegen den Hamburger SV. Am Ende vor Gericht festgestellte Mehrkosten, die der Stadtstaat Bremen für mehr staatliches Sicherheitspersonal aufwenden musste: rund 415.000 Euro. Für ein einziges Spiel. Die wollte Bremen nicht aus der eigenen klammen Staatskasse zahlen, sondern reichte die Kosten weiter - an die Deutsche Fußball Liga (DFL) als Organisatorin und Vermarkterin des deutschen Profifußballs.
Das Bundesverfassungsgericht urteilt darüber, wer die Polizeikosten bei Hochrisikospielen im Fußball tragen muss. ZDF-Reporter Jan Henrich mit einer Einschätzung aus Karlsruhe.14.01.2025 | 1:05 min
Welche Argumente hat der Stadtstaat Bremen?
In Bremen ist man es leid, regelmäßig die Mehrkosten von Hochrisikospielen tragen zu müssen. "Wenn jemand eine Großveranstaltung zu gewerblichen Zwecken organisiert und zu erwarten ist, dass diese Veranstaltung mit gewalttätigen Auseinandersetzungen einhergeht, und somit ein erheblicher überdurchschnittlicher Polizeieinsatz zu erwarten ist, dann kann man diese Kosten geltend machen", sagt Ulrich Mäurer, Innensenator von Bremen.
Der Sozialdemokrat hat sich die Personal- und Kostenentwicklung der letzten Jahre bei der Polizei angeschaut und kommt zu einem eindeutigen Ergebnis: "Es gibt eigentlich nicht ein Wochenende, wo wir normale Verhältnisse haben."
Was entgegnet die DFL?
Die DFL will die Kosten nicht tragen. Noch immer habe der Staat hierzulande das Gewaltmonopol. Der Fußball sei nicht der Verursacher von Gewalt. Was Bremen mache, sei eine Privatisierung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung.
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Was wurde bisher entschieden?
Erste Halbzeit vor dem Verwaltungsgericht (VG) Bremen im Jahr 2017 - da geht die DFL in Führung. Die Richter überprüfen das entsprechende Bremer Gebühren- und Beitragsgesetz und stellen fest, dass es für die Kostenweitergabe an einem konkreten Gebührentatbestand fehle.
Doch in der zweiten Halbzeit 2018 kommt der Ausgleich - jetzt gewinnt der Stadtstaat Bremen mit seiner Berufung beim Oberverwaltungsgericht (OVG) Bremen. Die Gebührenregelung sei verfassungsgemäß, der Gebührenbescheid sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach zulässig. Der Staat habe einen weiten Gestaltungsspielraum, für welche Leistungen er Gebühren erhebe. Bei Großveranstaltungen hätten die Veranstalter eine besondere Verantwortlichkeit für die öffentliche Sicherheit, denn sie würden einen wirtschaftlichen Nutzen daraus ziehen.
Nach zwei Halbzeiten bei VG und OVG steht es unentschieden. In der Verlängerung vor dem Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in Leipzig 2019 gewinnt Bremen - die Gebührensatzung sowie die weitergegebenen Kosten seien rechtmäßig.
Was muss das Bundesverfassungsgericht klären?
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) muss nun eine Grundsatzfrage beantworten: Hat der Staat für jedes Sicherheitsrisiko aufzukommen, das kommerzielle Großveranstaltungen mit sich bringen? Zunächst geht es nur um den einen Gebührenbescheid, doch weitere liegen längst gesammelt in der Schublade.
Nicht nur in Bremen - landauf und landab produzieren Fanausschreitungen Millionenkosten, die bislang die Steuerzahler zu tragen haben. Und das ist auch in Ordnung, argumentiert die DFL: Der Staat habe die für die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit entstehenden Kosten zu tragen. Die gebührenrechtliche Heranziehung funktioniere gerade im Umfeld der Bundesligaspiele nicht, denn die zusätzliche Bereitstellung von Polizeikräften erfolge im öffentlichen Bereich außerhalb der Stadien, diene der Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und liege im Interesse der Allgemeinheit.
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Entscheidet das Bundesverfassungsgericht für Bremen, so würden auch andere Bundesländer in den Startlöchern stehen, dieses Urteil auch woanders umzusetzen und die Kosten weiterzugeben.
In Hamburg wird gefordert, dass Vereine künftig in einen länderübergreifenden Polizeikostenfonds einzahlen sollen, der die Einsätze finanziert. Sowohl der Hamburger Innensenator Andreas Grote (SPD) als auch der rheinland-pfälzische Innenminister Michael Ebling (SPD) könnten sich eine Kostenbeteiligung der Vereine vorstellen, wenn es bundesweit so gemacht würde.
Christoph Schneider ist Redakteur in der Fachredaktion Recht & Justiz des ZDF.
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