60 Jahre FSJ und Co.: Geplante Kürzungen "fatales Signal"

    60 Jahre Freiwilligendienste:FSJ und Co.: Kürzungen "fatales Signal"

    Dominik Müller-Russell
    von Dominik Müller-Russell
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    Seit 60 Jahren engagieren sich junge Menschen im Rahmen eines Freiwilligen Sozialen Jahres oder eines Bundesfreiwilligendienstes. Doch den Programmen drohen deutliche Kürzungen.

    Junger Mann tanzt mit demenzkranker Frau. Archivbild
    Fast 100.000 Menschen leisten in Deutschland jedes Jahr ein Freiwilliges Soziales Jahr. Doch zum 60. Jahrestag des Freiwilligendienstes drohen künftige Einschnitte beim Geld.29.04.2024 | 1:34 min
    Sie deckt den Tisch, sie liest vor. Sie singt Bewegungslieder, sie kümmert sich auf Ausflügen um die Kinder mit körperlichen Einschränkungen: Die 19-jährige Anna-Lena Schümmer ist tatsächlich Mädchen für Alles, als FSJlerin in der inklusiven Kita Wundertüte in Bonn.
    Als eine von Zehntausenden jungen Frauen und Männern leistet sie ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ). Zusammen mit dem Bundesfreiwilligendienst, einem ähnlichen Programm, sind das rund 100.000 Menschen, die sich jedes Jahr für einen solchen Dienst entscheiden. Immerhin mehr als zehn Prozent aller Abschlussjahrgänge in Deutschland - weil sie sich zwischen Schule und Ausbildung beziehungsweise Studium orientieren wollen, oder weil sie sich ganz einfach gerne für die Gesellschaft engagieren.
    Anna-Lena Schümmer hat ein Jahr in einer inklusiven Kita gewählt, weil sie gerne mit Kindern und gerne mit Menschen mit Einschränkungen arbeitet. Für sie ist es eine Win-win-Situation:

    Ich bekomme so viel zurück, ich mache so viele Erfahrungen, die andere in meinem Alter nicht machen. Und ich kriege viele Ideen, was ich später mal machen könnte - mir werden ganz neue Berufsfelder aufgezeigt.

    Anna-Lena Schümmer, FSJlerin in einer Kita in Bonn

    Freiwillige entlasten Personal

    Seit 60 Jahren existieren die Freiwilligendienste in Deutschland mittlerweile. Anfangs auch als Alternative für Frauen zum Wehrdienst gedacht, hat sich schnell eine breite Palette an Angeboten entwickelt: In Kitas und Pflegeeinrichtungen entlasten Freiwillige das Personal und machen den Alltag dort lebendiger, lebenswerter, durch Ausflüge und zusätzliche Angebote wie zum Beispiel Singen.
    Oft leisten die Freiwilligen dabei das, wofür die eigentlichen Pflegekräfte oder Erzieherinnen keine Zeit haben. Für Dinge, die nicht zum Regelprogramm gehörten. Und auch in Rettungsdiensten, Sportvereinen und kulturellen Einrichtungen sind Freiwillige längst Teil des Teams, ohne deren Engagement sehr viel weniger möglich wäre.
    Alexandra Hoorn, Referentin für Freiwilligendienste beim AWO-Bundesverband
    Kürzungen beim Freiwilligen Sozialen Jahr seien ein "Verlust für die Gesellschaft insgesamt", so Alexandra Hoorn, Referentin für Freiwilligendienste beim AWO-Bundesverband.29.04.2024 | 5:40 min

    Forscherin: Einrichtungen "profitieren sehr von Unterstützung"

    "Sie unterstützen die Fachkräfte in am Gemeinwohl orientierten Einrichtungen", sagt Susanne Huth, die als Sozialwissenschaftlerin am Offenbacher Institut für berufliche Bildung, Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik "involas" seit 15 Jahren zu den Freiwilligendiensten forscht.
    "Das sind arbeitsmarktneutrale Beschäftigungsverhältnisse. Sie nehmen also niemandem den Job weg, sondern was sie leisten, ist sozusagen 'on top'."

    Die Einrichtungen und die Menschen dort profitieren sehr von der Unterstützung, weil die jungen Leute frischen Wind reinbringen.

    Susanne Huth, Sozialwissenschaftlerin

    Massive Kürzungen drohen

    Doch ausgerechnet zum 60. Jubiläum drohen massive Kürzungen. Wegen der angespannten Haushaltslage könnte die Bundesregierung 2025 rund 25 bis 30 Prozent der Mittel für die Freiwilligendienste streichen, befürchten Wohlfahrtsverbände.
    Bereits letztes Jahr hatte der Bund Kürzungen geplant, diese aber nach Protesten wieder zurückgenommen. Doch jetzt wird es ernst - damit rechnet auch Susanne Huth.

    Das wäre ein herber Verlust für die Menschen in den Kitas, in den Altenheimen, aber auch im Sport und in kulturellen Einrichtungen.

    Susanne Huth, Sozialwissenschaftlerin

    "Und es wäre ein fatales Signal an junge Menschen: Wir brauchen euch nicht mehr. Das wäre grundfalsch", sagt Huth weiter. "Vielmehr bräuchte es ein Recht auf Freiwilligendienst. Das würde den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken!"
    Martin Schulze, Geschäftsführer der Evangelischen Freiwilligendienste
    "Wir werden wahrscheinlich um die 30.000 Stellen von 100.000 in Zukunft nicht besetzen können", so Martin Schulze, Geschäftsführer der Evangelischen Freiwilligendienste zu den geplanten Kürzungen in der Kinder- und Jugendhilfe.22.09.2023 | 5:33 min

    Tausende Freiwillige demonstrieren

    Deshalb demonstrieren auch Anna-Lena Schümmer und Tausende Freiwillige am Tag des 60-jährigen Jubiläums vor ihren Einrichtungen für die Sicherung des freiwilligen Engagements. Mit Kreide hat sie "Keine Kürzungen!" auf den Gehweg vor dem Eingang der Kita Wundertüte geschrieben.
    Sie hofft, dass es auch künftig jungen Menschen offen steht, sich zu engagieren - für Andere, für die Gesellschaft. Und dabei zu reifen und sich beruflich zu orientieren. Eine Win-win-Situation eben, wie sie selbst sagt.
    Freiwilligendienste im Überblick:










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