Interview
Bundesparteitag Freie Wähler:Hubert Aiwangers Traum vom Bundestag
von Simon Pfanzelt
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Hubert Aiwanger hat die Freien Wähler in Bayern zu einer politischen Größe gemacht. Jetzt will er in den Bundestag. Drei Direktmandate braucht er dafür. Kann das klappen?
Hubert Aiwanger, Bundesvorsitzender der Freien Wähler, auf deren Bundesparteitag im bayrischen Geiselwind.
Quelle: dpa
Während Markus Söder am Mittwoch im deutschen Bundestag sprach, saß Hubert Aiwanger am Telefon. "Interne Parteigespräche" standen im Terminkalender des Vorsitzenden der Freien Wähler. Diese Gespräche hatten nur ein Ziel: dort hinzukommen, wo sein Chef Söder gerade stand.
Freie Wähler: Nächster Halt Berlin?
Bayerns Wirtschaftsminister Aiwanger träumt seit langem davon, mit seiner Partei in den Bundestag einzuziehen. Deshalb hat er viel telefoniert in den letzten Wochen, hat populäre Landräte und Bürgermeister seiner Freien Wähler abgeklappert, die jetzt antreten sollen.
Weil die Freien Wähler an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern dürften, müssten sie mindestens drei Direktmandate gewinnen, um über die sogenannte Grundmandatsklausel in den Bundestag zu kommen.
So war 2021 die Linkspartei in den Bundestag eingezogen, trotz eines mageren Zweistimmenergebnisses von 4,9 Prozent. Kann Aiwanger das wiederholen?
Quelle: dpa | Peter Kneffel
Lange waren die Freien Wähler nur in der Kommunalpolitik unterwegs, stellten zahlreiche Bürgermeister und Landräte. Seit 2010 sind sie bundesweit aktiv - Hubert Aiwanger hat diese Entwicklung maßgeblich vorangetrieben. Die Partei nennt sich selbst "wertkonservativ" und "bürgerlich-liberal".
In Bayern zogen die FW 2008 erstmals in den Landtag ein, seit 2018 regieren sie hier unter Führung von Söders CSU. Aiwanger selbst ist Vize-Regierungschef und Wirtschaftsminister im Freistaat. Bei der Landtagswahl 2023 erkämpfte die Partei ein Rekordergebnis von 15,8 Prozent.
In Bayern zogen die FW 2008 erstmals in den Landtag ein, seit 2018 regieren sie hier unter Führung von Söders CSU. Aiwanger selbst ist Vize-Regierungschef und Wirtschaftsminister im Freistaat. Bei der Landtagswahl 2023 erkämpfte die Partei ein Rekordergebnis von 15,8 Prozent.
Parteitag wählt Aiwanger zum Spitzenkandidaten
An diesem Samstag treffen sich die Freien Wähler zum Bundesparteitag im unterfränkischen Geiselwind. Einstimmig haben sie Aiwanger am Mittag zum Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl gewählt.
In seiner Rede skizziert er sein Programm:
- Unternehmenssteuern senken,
- mehr Netto vom Brutto,
- Verbrenner-Verbot stoppen,
- Bürgergeld kürzen.
"Deutschland braucht die Freien Wähler. Wir kommen", sagt Aiwanger zum Abschluss. Beim Parteitag wird er dafür leidenschaftlich gefeiert. Doch Aiwanger, der oft als One-Man-Show wahrgenommen wurde, muss jetzt als Teamspieler funktionieren.
Auch bei der Europawahl 2024 sind die Freien Wähler angetreten.27.05.2024 | 1:02 min
Landräte als Zugpferde für die Bundestagswahl
Am Freitag konnte man den Teamspieler Aiwanger schon beobachten, als er erste Ergebnisse seiner vielen Telefonate präsentierte. Zu viert traten sie vor die Presse: Aiwanger selbst, die Landrätin Indra Baier-Müller aus dem Oberallgäu, der Landrat Peter Dreier aus Landshut, dazu ein Bürgermeister.
Alle vier werden für den Bundestag kandidieren. "Sollen wir ein wenig zusammenrücken?", fragt Aiwanger die Fotografen. Damit auch alle Kandidaten aufs Bild kommen.
Auf ihrem Bundesparteitag wollen die Freien Wähler erste Punkte für ein Wahlprogramm beschließen. Ein Ziel: die Wirtschaft wettbewerbsfähiger machen. Dafür sollen Vorschriften und Unternehmenssteuern reduziert werden; die Gastrosteuer soll bei sieben Prozent liegen; das Verbrenner-Aus wollen sie stoppen.
Gestoppt werden soll auch die illegale Zuwanderung, etwa mit Zurückweisungen an der Grenze. Auch eine Reform des Bürgergeldes steht im Beschlusspapier: "Arbeitsfähige", die "zumutbare Arbeit" ablehnen, sollen es nicht mehr bekommen.
Außenpolitisch setzen sich die Freien Wähler für "internationale Friedensbemühungen" im Ukraine-Krieg ein, "unter Einbeziehung von Europa, der USA, und China".
Gestoppt werden soll auch die illegale Zuwanderung, etwa mit Zurückweisungen an der Grenze. Auch eine Reform des Bürgergeldes steht im Beschlusspapier: "Arbeitsfähige", die "zumutbare Arbeit" ablehnen, sollen es nicht mehr bekommen.
Außenpolitisch setzen sich die Freien Wähler für "internationale Friedensbemühungen" im Ukraine-Krieg ein, "unter Einbeziehung von Europa, der USA, und China".
Die drei Kommunalpolitiker sollen Aiwangers Traum vom Bundestag wahr machen. "Aussichtsreich" nennt Aiwanger die Kandidaturen. Zudem könnte es auch bundesweit noch "ein bis zwei aussichtsreiche Direktkandidaten" für die Freien Wähler geben.
In Bayern fast alle Direktmandate von CSU gewonnen
Details nennt Aiwanger nicht, gibt sich aber optimistisch: "Das dürfte nach allen Einschätzungen gelingen: drei plus X an Direktmandaten", sagt er.
Fraglich, ob dieser Plan aufgehen kann. Denn in Bayern gehen fast alle Direktmandate seit Jahrzehnten an die CSU. Bei der Bundestagswahl 2021 beispielsweise holten die Freien Wähler ihr bestes Erststimmenergebnis im Landkreis Rottal-Inn: 16,7 Prozent.
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Die CSU sammelte auch dort mehr als doppelt so viele Erststimmen ein. Andererseits war etwa FW-Mann Peter Dreier, der jetzt für den Bundestag kandidiert, 2020 mit 73 Prozent als Landrat wiedergewählt worden.
Der Trend spricht gegen die Freien Wähler
Aiwanger zieht seine Hoffnung aus dem Ergebnis der letzten Landtagswahl in Bayern. Neben einem Rekordergebnis von 15,8 Prozent gelang es den Freien Wählern damals tatsächlich, zwei Direktmandate zu gewinnen. Allerdings ging es danach bergab.
Aktuelle Umfragen sehen die Freien Wähler in Bayern bei 11 Prozent. In Rheinland-Pfalz hat sich die FW-Fraktion zerstritten und aufgelöst, bei der letzten Europawahl war das Ergebnis enttäuschend: 2,7 Prozent.
Bei den Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen schnitten sie weit schlechter ab als von Aiwanger erhofft.
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Aiwangers Gegenspieler: CSU-Chef Söder
Sollte der Einzug in den Bundestag tatsächlich klappen, möchte Aiwanger in einer Koalition unter Führung der Union mitregieren. "Wir wollen der Union helfen, nicht im schwarz-grünen oder schwarz-roten Nest liegen zu müssen", sagt der Freie-Wähler-Chef.
Auf diese Hilfe möchte CSU-Chef Söder gerne verzichten. Nach den für die Freien Wähler enttäuschenden Landtagswahlen in Ostdeutschland hatte der Ministerpräsident für seinen bayerischen Koalitionspartner einen "freundschaftlichen Rat" parat: "Diese ganzen Bundesexperimente führen zu nichts anderem, als dass die Zeit fehlt, gut in Bayern zu regieren", so Söder.
Man darf davon ausgehen, dass dieser Satz Hubert Aiwanger motiviert hat, eher mehr als weniger Telefonate zu führen.
Simon Pfanzelt ist Reporter im ZDF-Landesstudio Bayern.
Quelle: ZDF
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