Franz Müntefering im Interview: Rente mit 63 nicht richtig

    Interview

    "Wird großen Knall geben":Müntefering: Rente mit 63 nicht richtig

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    SPD-Legende Franz Müntefering setzte 2007 gegen Widerstand durch, das Rentenalter schrittweise auf 67 anzuheben. Warum nun eine weitere Reform der Rente unbedingt erforderlich ist.

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    ZDFheute: Sie haben Ihre Reform damals mit einem Satz begründet, der die Schulen in ihrer Heimat, dem Sauerland, sehr berühmt machte. Sie sagten über die Rente: "Da muss man kein Mathematiker sein, da reicht Volkschule Sauerland, um zu wissen, das haut nicht hin." Wie kam es zu diesem Satz?
    Franz Müntefering: Mir war klar, dass, wenn man über die Rente spricht, einfache Zahlen ganz wichtig sind. Es werden seit langem sehr viel weniger Kinder geboren und die geburtenstarken Jahrgänge, die Babyboomer, wachsen jetzt ins Älterwerden hinein. Wenn unten weniger nachkommen und wir oben länger leben, was wir allen gönnen, dann entsteht eine Diskrepanz.
    Das System stimmt an der Stelle so nicht. Man kann fordern: Der Staat buttert mehr rein, noch mal 100 Milliarden. Dann wird er andere große Aufgaben, die er hat, vernachlässigen. Oder: Man hebt bei den Beschäftigten die Rentenversicherungsbeiträge deutlich an. Das wollte ich nicht, weil ich nicht glaube, dass das gerecht gewesen wäre. Weil ich sicher bin, dass viele von denen, die 65 und 67 sind, noch in der Gesellschaft tätig sein können, das auch sollten und dass das für sie sogar gut ist.

    Franz Müntefering im Interview
    Quelle: dpa

    … war Vorsitzender der SPD, SPD-Generalsekretär, Chef der SPD-Bundestagsfraktion, Bundesminister für Arbeit und Soziales, davor auch Landesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales in Nordrhein-Westfalen. Bei der Bundestagswahl 2013 kandidierte er nicht mehr für den Bundestag und zog sich aus der Politik zurück.

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    ZDFheute: Sie wollten damit sagen, das ist so einfach zu verstehen, das verstehen Kinder auf der Volksschule Sauerland?
    Müntefering: Wenn man die Kinder fragen würde, die wissen schon: Eins plus eins ist zwei. Man muss die Rentenpolitik an solchen Zahlen, an solchen Wahrheiten orientieren. Nicht nur am guten Willen, den man hat. Ich gönne den Älteren das alles. Aber man muss beantworten, wie das funktionieren soll.

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    Müntefering: Das weiß ich nicht. Ich habe sie nie danach gefragt. Gebe aber zu: Ich hätte es nicht gemacht.
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    ZDFheute: Sie glauben, das war nicht richtig?
    Müntefering: Ja, das glaube ich, weil das die Illusion stärkt, dass man es sanfter hinkriegen könnte als wir das mit dem Rentenalter 67 versucht haben. Ich glaube nicht, dass es sanfter geht. Man kann mit 50 nicht mehr können. Man kann mit 60 nicht mehr können, man kann mit 63 nicht mehr können. Da muss die Versicherung so sein, dass der oder die aufgefangen wird.

    Aber zur Regel zu machen, dass man sich aussuchen kann, früher auszuscheiden, finde ich nicht die richtige Antwort.

    Das ist ein Zeichen, dass Deutschland noch an der Stelle ein bisschen lernen muss. Und ich kann nur empfehlen, dass man nicht zu lang wartet, denn die Probleme werden immer dringlicher. Je länger man mit einer Reform bei der Rente wartet, umso schwieriger wird es werden. Das Schlimmste, was wir machen können, ist, wenn wir sagen: Wir lassen alles so, wie es ist, es wird sich schon irgendwie regeln.

    Es wird sich nicht regeln. Es wird irgendwann mal einen großen Knall geben.

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    ZDFheute: Was würde passieren, wenn die SPD, wenn Bundesarbeitsminister Hubertus Heil jetzt sagen würde: Eins plus eins ist zwei, wir müssen das Renteneintrittsalter weiter erhöhen?
    Müntefering: Ich glaube nicht, dass er das so machen wird. Ich sage auch nicht, dass man das Problem immer mit derselben Methode angehen soll. Aber dass man darüber sprechen muss, wie man das, was wir haben, gerechter verteilt, das ist schon erforderlich und nötig.
    Das Interview führte Jochen Breyer.
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    Quelle: ZDF

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